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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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wahrscheinlich gegen 2530 über dem Meeresspiegel; ich sage
wahrscheinlich, denn leider war mein Barometer zerbrochen,
ehe wir nach Esmeralda kamen. Der Regen war so stark,
daß wir in den Nachtlagern das Instrument nicht vor Feuch-
tigkeit schützen konnten, und bei der ungleichen Ausdehnung
des Holzes zerbrach die Röhre. Der Unfall war mir desto
verdrießlicher, weil wohl nie ein Barometer größere Reisen
mitgemacht hat. Ich hatte dasselbe schon seit drei Jahren in
den Gebirgen von Steiermark, Frankreich und Spanien, in
Amerika auf dem Wege von Cumana an den oberen Orinoko
geführt. Das Land zwischen Javita, Vasiva und Esmeralda
ist eine weite Ebene, und da ich an den beiden ersteren Orten
den Barometer beobachtet habe, so kann ich mich hinsichtlich der
absoluten Höhe der Savannen am Sodomoni höchstens um 30
bis 38 m irren. Der Cerro Duida steht an Höhe dem St. Gott-
hard und der Silla bei Caracas am Küstenland von Venezuela
nur wenig (kaum 155 bis 195 m) nach. Er gilt auch hier-
zulande für einen kolossalen Berg, woraus wir ziemlich sicher
auf die mittlere Höhe der Sierra Parime und aller Berge
im östlichen Amerika schließen können. Oestlich von der
Sierra Nevada de Merida, sowie südöstlich vom Paramo
de las Rosas erreicht keine der Bergketten, die in der Rich-
tung eines Parallels streichen, die Höhe des Centralkamms der
Pyrenäen.

Der Granitgipfel des Duida fällt so steil ab, daß die
Indianer vergeblich versucht haben hinauf zu kommen. Be-
kanntlich sind gar nicht hohe Berge oft am unzugänglichsten.
Zu Anfang und zu Ende der Regenzeit sieht man auf der
Spitze des Duida kleine Flammen, und zwar, wie es scheint,
nicht immer am selben Orte. Wegen dieser Erscheinung, die
bei den übereinstimmenden Aussagen nicht wohl in Zweifel
zu ziehen ist, hat man den Berg mit Unrecht einen Vulkan
genannt. Da er ziemlich isoliert liegt, könnte man denken,
der Blitz zünde zuweilen das Strauchwerk an; dies erscheint
aber unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, wie schwer in
diesem nassen Klima die Gewächse brennen. Noch mehr: man
versichert, es zeigen sich oft kleine Flammen an Stellen, wo
das Gestein kaum mit Rasen bedeckt scheint; auch beobachte
man ganz ähnliche Feuererscheinungen, und zwar an Tagen
ohne alles Gewitter, am Gipfel des Guaraco oder Murcie-
lago, eines Hügels gegenüber der Mündung des Rio Tama-
tama auf dem südlichen Ufer des Orinoko. Dieser Hügel

wahrſcheinlich gegen 2530 über dem Meeresſpiegel; ich ſage
wahrſcheinlich, denn leider war mein Barometer zerbrochen,
ehe wir nach Esmeralda kamen. Der Regen war ſo ſtark,
daß wir in den Nachtlagern das Inſtrument nicht vor Feuch-
tigkeit ſchützen konnten, und bei der ungleichen Ausdehnung
des Holzes zerbrach die Röhre. Der Unfall war mir deſto
verdrießlicher, weil wohl nie ein Barometer größere Reiſen
mitgemacht hat. Ich hatte dasſelbe ſchon ſeit drei Jahren in
den Gebirgen von Steiermark, Frankreich und Spanien, in
Amerika auf dem Wege von Cumana an den oberen Orinoko
geführt. Das Land zwiſchen Javita, Vaſiva und Esmeralda
iſt eine weite Ebene, und da ich an den beiden erſteren Orten
den Barometer beobachtet habe, ſo kann ich mich hinſichtlich der
abſoluten Höhe der Savannen am Sodomoni höchſtens um 30
bis 38 m irren. Der Cerro Duida ſteht an Höhe dem St. Gott-
hard und der Silla bei Caracas am Küſtenland von Venezuela
nur wenig (kaum 155 bis 195 m) nach. Er gilt auch hier-
zulande für einen koloſſalen Berg, woraus wir ziemlich ſicher
auf die mittlere Höhe der Sierra Parime und aller Berge
im öſtlichen Amerika ſchließen können. Oeſtlich von der
Sierra Nevada de Merida, ſowie ſüdöſtlich vom Paramo
de las Roſas erreicht keine der Bergketten, die in der Rich-
tung eines Parallels ſtreichen, die Höhe des Centralkamms der
Pyrenäen.

Der Granitgipfel des Duida fällt ſo ſteil ab, daß die
Indianer vergeblich verſucht haben hinauf zu kommen. Be-
kanntlich ſind gar nicht hohe Berge oft am unzugänglichſten.
Zu Anfang und zu Ende der Regenzeit ſieht man auf der
Spitze des Duida kleine Flammen, und zwar, wie es ſcheint,
nicht immer am ſelben Orte. Wegen dieſer Erſcheinung, die
bei den übereinſtimmenden Ausſagen nicht wohl in Zweifel
zu ziehen iſt, hat man den Berg mit Unrecht einen Vulkan
genannt. Da er ziemlich iſoliert liegt, könnte man denken,
der Blitz zünde zuweilen das Strauchwerk an; dies erſcheint
aber unwahrſcheinlich, wenn man bedenkt, wie ſchwer in
dieſem naſſen Klima die Gewächſe brennen. Noch mehr: man
verſichert, es zeigen ſich oft kleine Flammen an Stellen, wo
das Geſtein kaum mit Raſen bedeckt ſcheint; auch beobachte
man ganz ähnliche Feuererſcheinungen, und zwar an Tagen
ohne alles Gewitter, am Gipfel des Guaraco oder Murcie-
lago, eines Hügels gegenüber der Mündung des Rio Tama-
tama auf dem ſüdlichen Ufer des Orinoko. Dieſer Hügel

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[79/0087] wahrſcheinlich gegen 2530 über dem Meeresſpiegel; ich ſage wahrſcheinlich, denn leider war mein Barometer zerbrochen, ehe wir nach Esmeralda kamen. Der Regen war ſo ſtark, daß wir in den Nachtlagern das Inſtrument nicht vor Feuch- tigkeit ſchützen konnten, und bei der ungleichen Ausdehnung des Holzes zerbrach die Röhre. Der Unfall war mir deſto verdrießlicher, weil wohl nie ein Barometer größere Reiſen mitgemacht hat. Ich hatte dasſelbe ſchon ſeit drei Jahren in den Gebirgen von Steiermark, Frankreich und Spanien, in Amerika auf dem Wege von Cumana an den oberen Orinoko geführt. Das Land zwiſchen Javita, Vaſiva und Esmeralda iſt eine weite Ebene, und da ich an den beiden erſteren Orten den Barometer beobachtet habe, ſo kann ich mich hinſichtlich der abſoluten Höhe der Savannen am Sodomoni höchſtens um 30 bis 38 m irren. Der Cerro Duida ſteht an Höhe dem St. Gott- hard und der Silla bei Caracas am Küſtenland von Venezuela nur wenig (kaum 155 bis 195 m) nach. Er gilt auch hier- zulande für einen koloſſalen Berg, woraus wir ziemlich ſicher auf die mittlere Höhe der Sierra Parime und aller Berge im öſtlichen Amerika ſchließen können. Oeſtlich von der Sierra Nevada de Merida, ſowie ſüdöſtlich vom Paramo de las Roſas erreicht keine der Bergketten, die in der Rich- tung eines Parallels ſtreichen, die Höhe des Centralkamms der Pyrenäen. Der Granitgipfel des Duida fällt ſo ſteil ab, daß die Indianer vergeblich verſucht haben hinauf zu kommen. Be- kanntlich ſind gar nicht hohe Berge oft am unzugänglichſten. Zu Anfang und zu Ende der Regenzeit ſieht man auf der Spitze des Duida kleine Flammen, und zwar, wie es ſcheint, nicht immer am ſelben Orte. Wegen dieſer Erſcheinung, die bei den übereinſtimmenden Ausſagen nicht wohl in Zweifel zu ziehen iſt, hat man den Berg mit Unrecht einen Vulkan genannt. Da er ziemlich iſoliert liegt, könnte man denken, der Blitz zünde zuweilen das Strauchwerk an; dies erſcheint aber unwahrſcheinlich, wenn man bedenkt, wie ſchwer in dieſem naſſen Klima die Gewächſe brennen. Noch mehr: man verſichert, es zeigen ſich oft kleine Flammen an Stellen, wo das Geſtein kaum mit Raſen bedeckt ſcheint; auch beobachte man ganz ähnliche Feuererſcheinungen, und zwar an Tagen ohne alles Gewitter, am Gipfel des Guaraco oder Murcie- lago, eines Hügels gegenüber der Mündung des Rio Tama- tama auf dem ſüdlichen Ufer des Orinoko. Dieſer Hügel

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/87>, abgerufen am 23.11.2024.