Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.
de si misma (die Wurzel an sich) sei; durch die giftigen Als wir nach Esmeralda kamen, kehrten die meisten In- Das Glück wollte, daß wir einen alten Indianer trafen,
de si misma (die Wurzel an ſich) ſei; durch die giftigen Als wir nach Esmeralda kamen, kehrten die meiſten In- Das Glück wollte, daß wir einen alten Indianer trafen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0069" n="61"/> de si misma</hi> (die Wurzel an ſich) ſei; durch die giftigen<lb/> Dünſte aus den Keſſeln gehen die alten Weiber (die <hi rendition="#g">un-<lb/> nützeſten</hi>), die man zur Arbeit verwende, zu Grunde; end-<lb/> lich, die Pflanzenſäfte erſcheinen erſt dann konzentriert genug,<lb/> wenn ein paar Tropfen des Saftes <hi rendition="#g">auf eine gewiſſe Ent-<lb/> fernung</hi> eine Repulſivkraft auf das Blut ausüben. Ein<lb/> Indianer ritzt ſich die Haut; man taucht einen Pfeil in das<lb/> flüſſige Curare und bringt ihn der Stichwunde nahe. Das<lb/> Gift gilt für gehörig konzentriert, wenn es das Blut in die<lb/> Gefäße zurücktreibt, ohne damit in Berührung gekommen zu<lb/> ſein.“ — Ich halte mich nicht dabei auf, dieſe von Pater<lb/> Gumilla zuſammengebrachten Märchen zu widerlegen. Warum<lb/> hätte der Miſſionär nicht glauben ſollen, daß das Curare<lb/> aus der Ferne wirke, da er unbedenklich an die Eigenſchaften<lb/> einer Pflanze glaubte, deren Blätter erbrechen machen oder<lb/> purgieren, je nachdem man ſie von oben herab oder von unten<lb/> herauf vom Stiele reißt?</p><lb/> <p>Als wir nach Esmeralda kamen, kehrten die meiſten In-<lb/> dianer von einem Ausflug oſtwärts über den Rio Padamo<lb/> zurück, wobei ſie <hi rendition="#g">Juvias</hi> oder die Früchte der Bertholletia<lb/> und eine Schlingpflanze, welche das Curare gibt, geſammelt<lb/> hatten. Dieſe Heimkehr wurde durch eine Feſtlichkeit be-<lb/> gangen, die in der Miſſion <hi rendition="#aq">la fiesta de las Juvias</hi> heißt<lb/> und unſeren Ernte- oder Weinleſefeſten entſpricht. Die Weiber<lb/> hatten viel gegorenes Getränke bereitet, und zwei Tage lang<lb/> ſah man nur betrunkene Indianer. Bei Völkern, für welche<lb/> die Früchte der Palmen und einiger anderen Bäume, welche<lb/> Nahrungsſtoff geben, von großer Wichtigkeit ſind, wird die<lb/> Ernte der Früchte durch öffentliche Luſtbarkeiten gefeiert, und<lb/> man teilt das Jahr nach dieſen Feſten ein, die immer auf<lb/> dieſelben Zeitpunkte fallen.</p><lb/> <p>Das Glück wollte, daß wir einen alten Indianer trafen,<lb/> der weniger betrunken als die anderen und eben beſchäftigt<lb/> war, das Curaregift aus den friſchen Pflanzen zu bereiten.<lb/> Der Mann war der Chemiker des Ortes. Wir fanden bei<lb/> ihm große thönerne Pfannen zum Kochen der Pflanzenſäfte,<lb/> flachere Gefäße, die durch ihre große Oberfläche die Verdun-<lb/> ſtung befördern, tütenförmig aufgerollte Bananenblätter zum<lb/> Durchſeihen der mehr oder weniger faſerige Subſtanzen ent-<lb/> haltenden Flüſſigkeiten. Die größte Ordnung und Reinlich-<lb/> keit herrſchten in dieſer zum chemiſchen Laboratorium ein-<lb/> gerichteten Hütte. Der Indianer, der uns Auskunft erteilen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0069]
de si misma (die Wurzel an ſich) ſei; durch die giftigen
Dünſte aus den Keſſeln gehen die alten Weiber (die un-
nützeſten), die man zur Arbeit verwende, zu Grunde; end-
lich, die Pflanzenſäfte erſcheinen erſt dann konzentriert genug,
wenn ein paar Tropfen des Saftes auf eine gewiſſe Ent-
fernung eine Repulſivkraft auf das Blut ausüben. Ein
Indianer ritzt ſich die Haut; man taucht einen Pfeil in das
flüſſige Curare und bringt ihn der Stichwunde nahe. Das
Gift gilt für gehörig konzentriert, wenn es das Blut in die
Gefäße zurücktreibt, ohne damit in Berührung gekommen zu
ſein.“ — Ich halte mich nicht dabei auf, dieſe von Pater
Gumilla zuſammengebrachten Märchen zu widerlegen. Warum
hätte der Miſſionär nicht glauben ſollen, daß das Curare
aus der Ferne wirke, da er unbedenklich an die Eigenſchaften
einer Pflanze glaubte, deren Blätter erbrechen machen oder
purgieren, je nachdem man ſie von oben herab oder von unten
herauf vom Stiele reißt?
Als wir nach Esmeralda kamen, kehrten die meiſten In-
dianer von einem Ausflug oſtwärts über den Rio Padamo
zurück, wobei ſie Juvias oder die Früchte der Bertholletia
und eine Schlingpflanze, welche das Curare gibt, geſammelt
hatten. Dieſe Heimkehr wurde durch eine Feſtlichkeit be-
gangen, die in der Miſſion la fiesta de las Juvias heißt
und unſeren Ernte- oder Weinleſefeſten entſpricht. Die Weiber
hatten viel gegorenes Getränke bereitet, und zwei Tage lang
ſah man nur betrunkene Indianer. Bei Völkern, für welche
die Früchte der Palmen und einiger anderen Bäume, welche
Nahrungsſtoff geben, von großer Wichtigkeit ſind, wird die
Ernte der Früchte durch öffentliche Luſtbarkeiten gefeiert, und
man teilt das Jahr nach dieſen Feſten ein, die immer auf
dieſelben Zeitpunkte fallen.
Das Glück wollte, daß wir einen alten Indianer trafen,
der weniger betrunken als die anderen und eben beſchäftigt
war, das Curaregift aus den friſchen Pflanzen zu bereiten.
Der Mann war der Chemiker des Ortes. Wir fanden bei
ihm große thönerne Pfannen zum Kochen der Pflanzenſäfte,
flachere Gefäße, die durch ihre große Oberfläche die Verdun-
ſtung befördern, tütenförmig aufgerollte Bananenblätter zum
Durchſeihen der mehr oder weniger faſerige Subſtanzen ent-
haltenden Flüſſigkeiten. Die größte Ordnung und Reinlich-
keit herrſchten in dieſer zum chemiſchen Laboratorium ein-
gerichteten Hütte. Der Indianer, der uns Auskunft erteilen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |