Der obere Orinoko von Esmeralda bis zum Einfluß des Gua- viare. -- Zweite Fahrt durch die Katarakte von Atures und May- pures. -- Der untere Orinoko zwischen der Mündung des Apure und Angostura, der Hauptstadt von Spanisch-Guyana.
Noch habe ich von der einsamsten, abgelegensten christ- lichen Niederlassung am oberen Orinoko zu sprechen. Gegen- über dem Punkte, wo die Gabelteilung erfolgt, auf dem rechten Ufer des Flusses erhebt sich amphitheatralisch der Granitbergstock des Duida. Dieser Berg, den die Missionäre einen Vulkan nennen, ist gegen 2600 m hoch. Er nimmt sich, da er nach Süd und West steil abfällt, äußerst großartig aus. Sein Gipfel ist kahl und steinig; aber überall, wo auf den weniger steilen Abhängen Dammerde haftet, hängen an den Seiten des Duida gewaltige Wälder wie in der Luft. An seinem Fuße liegt die Mission Esmeralda, ein Dörfchen mit 80 Einwohnern, auf einer herrlichen, von Bächen mit schwarzem, aber klarem Wasser durchzogenen Ebene, einem wahren Wiesengrund, auf dem in Gruppen die Mauritia- palme, der amerikanische Sagobaum, steht. Dem Berge zu, der nach meiner Messung 14,2 km vom Missionskreuz liegt, wird die sumpfige Wiese zur Savanne, die um die untere Region der Kordillere herläuft. Hier trifft man ungemein große Ananas von köstlichem Geruch. Diese Bromeliaart wächst immer einzeln zwischen den Gräsern, wie bei uns Colchicum autumnale, während der Karatas, eine andere Art derselben Gattung, ein geselliges Gewächs ist gleich un- seren Heiden und Heidelbeeren. Die Ananas von Esmeralda sind in ganz Guyana berühmt. In Amerika wie in Europa gibt es für die verschiedenen Früchte gewisse Landstriche, wo sie zur größten Vollkommenheit gedeihen. Man muß auf der Insel Margarita oder in Cumana Sapotillen (Achras), in
fünfundzwanzigſtes Kapitel.
Der obere Orinoko von Esmeralda bis zum Einfluß des Gua- viare. — Zweite Fahrt durch die Katarakte von Atures und May- pures. — Der untere Orinoko zwiſchen der Mündung des Apure und Angoſtura, der Hauptſtadt von Spaniſch-Guyana.
Noch habe ich von der einſamſten, abgelegenſten chriſt- lichen Niederlaſſung am oberen Orinoko zu ſprechen. Gegen- über dem Punkte, wo die Gabelteilung erfolgt, auf dem rechten Ufer des Fluſſes erhebt ſich amphitheatraliſch der Granitbergſtock des Duida. Dieſer Berg, den die Miſſionäre einen Vulkan nennen, iſt gegen 2600 m hoch. Er nimmt ſich, da er nach Süd und Weſt ſteil abfällt, äußerſt großartig aus. Sein Gipfel iſt kahl und ſteinig; aber überall, wo auf den weniger ſteilen Abhängen Dammerde haftet, hängen an den Seiten des Duida gewaltige Wälder wie in der Luft. An ſeinem Fuße liegt die Miſſion Esmeralda, ein Dörfchen mit 80 Einwohnern, auf einer herrlichen, von Bächen mit ſchwarzem, aber klarem Waſſer durchzogenen Ebene, einem wahren Wieſengrund, auf dem in Gruppen die Mauritia- palme, der amerikaniſche Sagobaum, ſteht. Dem Berge zu, der nach meiner Meſſung 14,2 km vom Miſſionskreuz liegt, wird die ſumpfige Wieſe zur Savanne, die um die untere Region der Kordillere herläuft. Hier trifft man ungemein große Ananas von köſtlichem Geruch. Dieſe Bromeliaart wächſt immer einzeln zwiſchen den Gräſern, wie bei uns Colchicum autumnale, während der Karatas, eine andere Art derſelben Gattung, ein geſelliges Gewächs iſt gleich un- ſeren Heiden und Heidelbeeren. Die Ananas von Esmeralda ſind in ganz Guyana berühmt. In Amerika wie in Europa gibt es für die verſchiedenen Früchte gewiſſe Landſtriche, wo ſie zur größten Vollkommenheit gedeihen. Man muß auf der Inſel Margarita oder in Cumana Sapotillen (Achras), in
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[[54]/0062]
fünfundzwanzigſtes Kapitel.
Der obere Orinoko von Esmeralda bis zum Einfluß des Gua-
viare. — Zweite Fahrt durch die Katarakte von Atures und May-
pures. — Der untere Orinoko zwiſchen der Mündung des Apure
und Angoſtura, der Hauptſtadt von Spaniſch-Guyana.
Noch habe ich von der einſamſten, abgelegenſten chriſt-
lichen Niederlaſſung am oberen Orinoko zu ſprechen. Gegen-
über dem Punkte, wo die Gabelteilung erfolgt, auf dem
rechten Ufer des Fluſſes erhebt ſich amphitheatraliſch der
Granitbergſtock des Duida. Dieſer Berg, den die Miſſionäre
einen Vulkan nennen, iſt gegen 2600 m hoch. Er nimmt
ſich, da er nach Süd und Weſt ſteil abfällt, äußerſt großartig
aus. Sein Gipfel iſt kahl und ſteinig; aber überall, wo auf
den weniger ſteilen Abhängen Dammerde haftet, hängen an
den Seiten des Duida gewaltige Wälder wie in der Luft.
An ſeinem Fuße liegt die Miſſion Esmeralda, ein Dörfchen
mit 80 Einwohnern, auf einer herrlichen, von Bächen mit
ſchwarzem, aber klarem Waſſer durchzogenen Ebene, einem
wahren Wieſengrund, auf dem in Gruppen die Mauritia-
palme, der amerikaniſche Sagobaum, ſteht. Dem Berge zu,
der nach meiner Meſſung 14,2 km vom Miſſionskreuz liegt,
wird die ſumpfige Wieſe zur Savanne, die um die untere
Region der Kordillere herläuft. Hier trifft man ungemein
große Ananas von köſtlichem Geruch. Dieſe Bromeliaart
wächſt immer einzeln zwiſchen den Gräſern, wie bei uns
Colchicum autumnale, während der Karatas, eine andere
Art derſelben Gattung, ein geſelliges Gewächs iſt gleich un-
ſeren Heiden und Heidelbeeren. Die Ananas von Esmeralda
ſind in ganz Guyana berühmt. In Amerika wie in Europa
gibt es für die verſchiedenen Früchte gewiſſe Landſtriche, wo
ſie zur größten Vollkommenheit gedeihen. Man muß auf der
Inſel Margarita oder in Cumana Sapotillen (Achras), in
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. [54]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/62>, abgerufen am 03.03.2025.
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