schriftliche Verwahrung gegen ein solch ungerechtes und politisch unkluges Unternehmen ein. Sie behaupteten dabei (und der Satz ist sonderbar genug), "das Gewissen gestatte den Christen nicht, Eingeborene zu Sklaven zu machen, solche ausgenommen, die als Dolmetscher zu dienen hätten". Was man auch von diesem Satze halten mag, auf die hochherzige, mutvolle Ver- wahrung der beiden Geistlichen unterblieb der beabsichtigte Raubzug.
Im Jahre 1680 entwarf der Geograph Sanson nach Acundas Reisebericht eine Karte vom Orinoko und dem Ama- zonenstrome. Sie ist für den Amazonenstrom, was Gumillas Karte so lange für den unteren Orinoko gewesen. Im ganzen Striche nördlich vom Aequator ist sie rein hypothetisch, und der Caqueta, wie schon oben bemerkt, gabelt sich darauf unter einem rechten Winkel. Der eine Arm des Caqueta ist der Orinoko, der andere der Rio Negro. In dieser Weise glaubte Sanson auf der erwähnten Karte, und auf einer anderen von ganz Südamerika aus dem Jahre 1656, die unbestimm- ten Nachrichten, welche Acunda im Jahre 1639 über die Verzweigungen des Caqueta und über die Verbindungen zwischen Amazonenstrom und Orinoko erhalten, vereinigen zu können. Die irrige Vorstellung, der Rio Negro ent- springe aus dem Orinoko oder aus dem Caqueta, von dem der Orinoko nur ein Zweig wäre, hat sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten, wo der Cassiquiare entdeckt wurde.
Pater Fritz war mit einem anderen deutschen Jesuiten, dem Pater Richler, nach Quito gekommen; er entwarf im Jahre 1690 eine Karte des Amazonenstromes, die beste, die man vor La Condamines Reise besaß. Nach dieser Karte richtete sich der französische Akademiker auf seiner Flußfahrt, wie ich auf dem Orinoko nach den Karten von La Cruz und Caulin. Es ist auffallend, daß Pater Fritz bei seinem langen Aufenthalt am Amazonenstrom (der Kommandant eines por- tugiesischen Forts hielt ihn zwei Jahre gefangen) keine Kunde vom Cassiquiare erhalten haben soll. Die geschichtlichen Notizen, die er auf dem Rande seiner handschriftlichen Karte beigesetzt und die ich in neuester Zeit sorgfältig untersucht habe, sind sehr mangelhaft; auch sind ihrer nicht viele. Er läßt eine Bergkette zwischen den beiden Flußsystemen streichen und rückt nur einen der Zweige, die den Rio Negro bilden, nahe an einen Nebenfluß des Orinoko, der, der Lage nach, der Rio
ſchriftliche Verwahrung gegen ein ſolch ungerechtes und politiſch unkluges Unternehmen ein. Sie behaupteten dabei (und der Satz iſt ſonderbar genug), „das Gewiſſen geſtatte den Chriſten nicht, Eingeborene zu Sklaven zu machen, ſolche ausgenommen, die als Dolmetſcher zu dienen hätten“. Was man auch von dieſem Satze halten mag, auf die hochherzige, mutvolle Ver- wahrung der beiden Geiſtlichen unterblieb der beabſichtigte Raubzug.
Im Jahre 1680 entwarf der Geograph Sanſon nach Acuñas Reiſebericht eine Karte vom Orinoko und dem Ama- zonenſtrome. Sie iſt für den Amazonenſtrom, was Gumillas Karte ſo lange für den unteren Orinoko geweſen. Im ganzen Striche nördlich vom Aequator iſt ſie rein hypothetiſch, und der Caqueta, wie ſchon oben bemerkt, gabelt ſich darauf unter einem rechten Winkel. Der eine Arm des Caqueta iſt der Orinoko, der andere der Rio Negro. In dieſer Weiſe glaubte Sanſon auf der erwähnten Karte, und auf einer anderen von ganz Südamerika aus dem Jahre 1656, die unbeſtimm- ten Nachrichten, welche Acuña im Jahre 1639 über die Verzweigungen des Caqueta und über die Verbindungen zwiſchen Amazonenſtrom und Orinoko erhalten, vereinigen zu können. Die irrige Vorſtellung, der Rio Negro ent- ſpringe aus dem Orinoko oder aus dem Caqueta, von dem der Orinoko nur ein Zweig wäre, hat ſich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten, wo der Caſſiquiare entdeckt wurde.
Pater Fritz war mit einem anderen deutſchen Jeſuiten, dem Pater Richler, nach Quito gekommen; er entwarf im Jahre 1690 eine Karte des Amazonenſtromes, die beſte, die man vor La Condamines Reiſe beſaß. Nach dieſer Karte richtete ſich der franzöſiſche Akademiker auf ſeiner Flußfahrt, wie ich auf dem Orinoko nach den Karten von La Cruz und Caulin. Es iſt auffallend, daß Pater Fritz bei ſeinem langen Aufenthalt am Amazonenſtrom (der Kommandant eines por- tugieſiſchen Forts hielt ihn zwei Jahre gefangen) keine Kunde vom Caſſiquiare erhalten haben ſoll. Die geſchichtlichen Notizen, die er auf dem Rande ſeiner handſchriftlichen Karte beigeſetzt und die ich in neueſter Zeit ſorgfältig unterſucht habe, ſind ſehr mangelhaft; auch ſind ihrer nicht viele. Er läßt eine Bergkette zwiſchen den beiden Flußſyſtemen ſtreichen und rückt nur einen der Zweige, die den Rio Negro bilden, nahe an einen Nebenfluß des Orinoko, der, der Lage nach, der Rio
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ſchriftliche Verwahrung gegen ein ſolch ungerechtes und politiſch
unkluges Unternehmen ein. Sie behaupteten dabei (und der
Satz iſt ſonderbar genug), „das Gewiſſen geſtatte den Chriſten
nicht, Eingeborene zu Sklaven zu machen, ſolche ausgenommen,
die als Dolmetſcher zu dienen hätten“. Was man auch von
dieſem Satze halten mag, auf die hochherzige, mutvolle Ver-
wahrung der beiden Geiſtlichen unterblieb der beabſichtigte
Raubzug.
Im Jahre 1680 entwarf der Geograph Sanſon nach
Acuñas Reiſebericht eine Karte vom Orinoko und dem Ama-
zonenſtrome. Sie iſt für den Amazonenſtrom, was Gumillas
Karte ſo lange für den unteren Orinoko geweſen. Im ganzen
Striche nördlich vom Aequator iſt ſie rein hypothetiſch, und
der Caqueta, wie ſchon oben bemerkt, gabelt ſich darauf unter
einem rechten Winkel. Der eine Arm des Caqueta iſt der
Orinoko, der andere der Rio Negro. In dieſer Weiſe glaubte
Sanſon auf der erwähnten Karte, und auf einer anderen
von ganz Südamerika aus dem Jahre 1656, die unbeſtimm-
ten Nachrichten, welche Acuña im Jahre 1639 über die
Verzweigungen des Caqueta und über die Verbindungen
zwiſchen Amazonenſtrom und Orinoko erhalten, vereinigen
zu können. Die irrige Vorſtellung, der Rio Negro ent-
ſpringe aus dem Orinoko oder aus dem Caqueta, von dem
der Orinoko nur ein Zweig wäre, hat ſich bis in die Mitte
des 18. Jahrhunderts erhalten, wo der Caſſiquiare entdeckt
wurde.
Pater Fritz war mit einem anderen deutſchen Jeſuiten,
dem Pater Richler, nach Quito gekommen; er entwarf im
Jahre 1690 eine Karte des Amazonenſtromes, die beſte, die
man vor La Condamines Reiſe beſaß. Nach dieſer Karte
richtete ſich der franzöſiſche Akademiker auf ſeiner Flußfahrt,
wie ich auf dem Orinoko nach den Karten von La Cruz und
Caulin. Es iſt auffallend, daß Pater Fritz bei ſeinem langen
Aufenthalt am Amazonenſtrom (der Kommandant eines por-
tugieſiſchen Forts hielt ihn zwei Jahre gefangen) keine Kunde
vom Caſſiquiare erhalten haben ſoll. Die geſchichtlichen Notizen,
die er auf dem Rande ſeiner handſchriftlichen Karte beigeſetzt
und die ich in neueſter Zeit ſorgfältig unterſucht habe, ſind
ſehr mangelhaft; auch ſind ihrer nicht viele. Er läßt eine
Bergkette zwiſchen den beiden Flußſyſtemen ſtreichen und rückt
nur einen der Zweige, die den Rio Negro bilden, nahe an
einen Nebenfluß des Orinoko, der, der Lage nach, der Rio
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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