Juan, die wie die am Bergantin aus dem Kalkstein kommen, haben auch nur eine geringe Temperatur (31,3°), während im selben Landstrich die Schwefelwasser von Mariara und Las Trincheras (bei Porto Cabello), die unmittelbar aus dem granitischen Gneis kommen, 58,9° und 90,4° heiß sind. Es ist als ob die Wärme, welche die Quellen im Erdinneren an- genommen, abnähme, je weiter sie aus dem Urgebirge in die aufgelagerten sekundären Formationen gelangen.
Unser Ausflug zu den Aguas calientes am Bergantin endete mit einem leidigen Unfall. Unser Gastfreund hatte uns seine schönsten Reitpferde gegeben. Man hatte uns zu- gleich gewarnt, nicht durch den kleinen Fluß Narigual zu reiten. Wir gingen daher über eine Art Brücke oder viel- mehr aneinander gelegte Baumstämme, und ließen unsere Pferde am Zügel hinüberschwimmen. Da verschwand das meinige auf einmal; es schlug noch eine Weile unter dem Wasser um sich, aber trotz alles Suchens konnten wir nicht ausfindig machen, was den Unfall veranlaßt haben mochte. Unsere Führer vermuteten, das Tier werde von den Kaimanen, die hier sehr häufig sind, an den Beinen gepackt worden sein. Meine Verlegenheit war sehr groß; denn bei dem Zartgefühl und dem großen Wohlstand unseres Gastfreundes konnte ich kaum daran denken, ihm einen solchen Verlust ersetzen zu wollen. Lavie ging unsere Betroffenheit näher als der Ver- lust seines Pferdes, und er suchte uns zu beruhigen, indem er, wohl mit Uebertreibung, versicherte, wie leicht man sich in den benachbarten Savannen schöne Pferde verschaffen könne.
Die Krokodile sind im Rio Neveri groß und zahlreich, besonders der Mündung zu; im ganzen aber sind sie nicht so bösartig als die im Orinoko. In der Gemütsart dieser Tiere beobachtet man in Amerika dieselben Kontraste wie in Aegypten und Nubien, wie man deutlich sieht, wenn man die Berichte des unglücklichen Burckhard und die Belzonis auf- merksam vergleicht. Nach dem Kulturzustand der verschiedenen Länder, nach der mehr oder weniger dichten Bevölkerung in der Nähe der Flüsse ändern sich auch die Sitten dieser großen Saurier, die auf trockenem Lande schüchtern sind und vor dem Menschen sogar im Wasser fliehen, wenn sie reichliche Nahrung haben und der Angriff mit einiger Gefahr verbun- den ist. In Nueva Barcelona sieht man die Indianer das Holz auf sonderbare Weise zu Markt bringen. Große Scheite von Zygophyllum und Cäsalpinia werden in den Fluß
Juan, die wie die am Bergantin aus dem Kalkſtein kommen, haben auch nur eine geringe Temperatur (31,3°), während im ſelben Landſtrich die Schwefelwaſſer von Mariara und Las Trincheras (bei Porto Cabello), die unmittelbar aus dem granitiſchen Gneis kommen, 58,9° und 90,4° heiß ſind. Es iſt als ob die Wärme, welche die Quellen im Erdinneren an- genommen, abnähme, je weiter ſie aus dem Urgebirge in die aufgelagerten ſekundären Formationen gelangen.
Unſer Ausflug zu den Aguas calientes am Bergantin endete mit einem leidigen Unfall. Unſer Gaſtfreund hatte uns ſeine ſchönſten Reitpferde gegeben. Man hatte uns zu- gleich gewarnt, nicht durch den kleinen Fluß Narigual zu reiten. Wir gingen daher über eine Art Brücke oder viel- mehr aneinander gelegte Baumſtämme, und ließen unſere Pferde am Zügel hinüberſchwimmen. Da verſchwand das meinige auf einmal; es ſchlug noch eine Weile unter dem Waſſer um ſich, aber trotz alles Suchens konnten wir nicht ausfindig machen, was den Unfall veranlaßt haben mochte. Unſere Führer vermuteten, das Tier werde von den Kaimanen, die hier ſehr häufig ſind, an den Beinen gepackt worden ſein. Meine Verlegenheit war ſehr groß; denn bei dem Zartgefühl und dem großen Wohlſtand unſeres Gaſtfreundes konnte ich kaum daran denken, ihm einen ſolchen Verluſt erſetzen zu wollen. Lavie ging unſere Betroffenheit näher als der Ver- luſt ſeines Pferdes, und er ſuchte uns zu beruhigen, indem er, wohl mit Uebertreibung, verſicherte, wie leicht man ſich in den benachbarten Savannen ſchöne Pferde verſchaffen könne.
Die Krokodile ſind im Rio Neveri groß und zahlreich, beſonders der Mündung zu; im ganzen aber ſind ſie nicht ſo bösartig als die im Orinoko. In der Gemütsart dieſer Tiere beobachtet man in Amerika dieſelben Kontraſte wie in Aegypten und Nubien, wie man deutlich ſieht, wenn man die Berichte des unglücklichen Burckhard und die Belzonis auf- merkſam vergleicht. Nach dem Kulturzuſtand der verſchiedenen Länder, nach der mehr oder weniger dichten Bevölkerung in der Nähe der Flüſſe ändern ſich auch die Sitten dieſer großen Saurier, die auf trockenem Lande ſchüchtern ſind und vor dem Menſchen ſogar im Waſſer fliehen, wenn ſie reichliche Nahrung haben und der Angriff mit einiger Gefahr verbun- den iſt. In Nueva Barcelona ſieht man die Indianer das Holz auf ſonderbare Weiſe zu Markt bringen. Große Scheite von Zygophyllum und Cäſalpinia werden in den Fluß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0278"n="270"/>
Juan, die wie die am Bergantin aus dem Kalkſtein kommen,<lb/>
haben auch nur eine geringe Temperatur (31,3°), während<lb/>
im ſelben Landſtrich die Schwefelwaſſer von Mariara und<lb/>
Las Trincheras (bei Porto Cabello), die unmittelbar aus dem<lb/>
granitiſchen Gneis kommen, 58,9° und 90,4° heiß ſind. Es<lb/>
iſt als ob die Wärme, welche die Quellen im Erdinneren an-<lb/>
genommen, abnähme, je weiter ſie aus dem Urgebirge in die<lb/>
aufgelagerten ſekundären Formationen gelangen.</p><lb/><p>Unſer Ausflug zu den <hirendition="#aq">Aguas calientes</hi> am Bergantin<lb/>
endete mit einem leidigen Unfall. Unſer Gaſtfreund hatte<lb/>
uns ſeine ſchönſten Reitpferde gegeben. Man hatte uns zu-<lb/>
gleich gewarnt, nicht durch den kleinen Fluß Narigual zu<lb/>
reiten. Wir gingen daher über eine Art Brücke oder viel-<lb/>
mehr aneinander gelegte Baumſtämme, und ließen unſere<lb/>
Pferde am Zügel hinüberſchwimmen. Da verſchwand das<lb/>
meinige auf einmal; es ſchlug noch eine Weile unter dem<lb/>
Waſſer um ſich, aber trotz alles Suchens konnten wir nicht<lb/>
ausfindig machen, was den Unfall veranlaßt haben mochte.<lb/>
Unſere Führer vermuteten, das Tier werde von den Kaimanen,<lb/>
die hier ſehr häufig ſind, an den Beinen gepackt worden ſein.<lb/>
Meine Verlegenheit war ſehr groß; denn bei dem Zartgefühl<lb/>
und dem großen Wohlſtand unſeres Gaſtfreundes konnte ich<lb/>
kaum daran denken, ihm einen ſolchen Verluſt erſetzen zu<lb/>
wollen. Lavie ging unſere Betroffenheit näher als der Ver-<lb/>
luſt ſeines Pferdes, und er ſuchte uns zu beruhigen, indem<lb/>
er, wohl mit Uebertreibung, verſicherte, wie leicht man ſich<lb/>
in den benachbarten Savannen ſchöne Pferde verſchaffen könne.</p><lb/><p>Die Krokodile ſind im Rio Neveri groß und zahlreich,<lb/>
beſonders der Mündung zu; im ganzen aber ſind ſie nicht<lb/>ſo bösartig als die im Orinoko. In der Gemütsart dieſer<lb/>
Tiere beobachtet man in Amerika dieſelben Kontraſte wie in<lb/>
Aegypten und Nubien, wie man deutlich ſieht, wenn man die<lb/>
Berichte des unglücklichen Burckhard und die Belzonis auf-<lb/>
merkſam vergleicht. Nach dem Kulturzuſtand der verſchiedenen<lb/>
Länder, nach der mehr oder weniger dichten Bevölkerung in<lb/>
der Nähe der Flüſſe ändern ſich auch die Sitten dieſer großen<lb/>
Saurier, die auf trockenem Lande ſchüchtern ſind und vor<lb/>
dem Menſchen ſogar im Waſſer fliehen, wenn ſie reichliche<lb/>
Nahrung haben und der Angriff mit einiger Gefahr verbun-<lb/>
den iſt. In Nueva Barcelona ſieht man die Indianer das<lb/>
Holz auf ſonderbare Weiſe zu Markt bringen. Große Scheite<lb/>
von Zygophyllum und Cäſalpinia werden in den Fluß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[270/0278]
Juan, die wie die am Bergantin aus dem Kalkſtein kommen,
haben auch nur eine geringe Temperatur (31,3°), während
im ſelben Landſtrich die Schwefelwaſſer von Mariara und
Las Trincheras (bei Porto Cabello), die unmittelbar aus dem
granitiſchen Gneis kommen, 58,9° und 90,4° heiß ſind. Es
iſt als ob die Wärme, welche die Quellen im Erdinneren an-
genommen, abnähme, je weiter ſie aus dem Urgebirge in die
aufgelagerten ſekundären Formationen gelangen.
Unſer Ausflug zu den Aguas calientes am Bergantin
endete mit einem leidigen Unfall. Unſer Gaſtfreund hatte
uns ſeine ſchönſten Reitpferde gegeben. Man hatte uns zu-
gleich gewarnt, nicht durch den kleinen Fluß Narigual zu
reiten. Wir gingen daher über eine Art Brücke oder viel-
mehr aneinander gelegte Baumſtämme, und ließen unſere
Pferde am Zügel hinüberſchwimmen. Da verſchwand das
meinige auf einmal; es ſchlug noch eine Weile unter dem
Waſſer um ſich, aber trotz alles Suchens konnten wir nicht
ausfindig machen, was den Unfall veranlaßt haben mochte.
Unſere Führer vermuteten, das Tier werde von den Kaimanen,
die hier ſehr häufig ſind, an den Beinen gepackt worden ſein.
Meine Verlegenheit war ſehr groß; denn bei dem Zartgefühl
und dem großen Wohlſtand unſeres Gaſtfreundes konnte ich
kaum daran denken, ihm einen ſolchen Verluſt erſetzen zu
wollen. Lavie ging unſere Betroffenheit näher als der Ver-
luſt ſeines Pferdes, und er ſuchte uns zu beruhigen, indem
er, wohl mit Uebertreibung, verſicherte, wie leicht man ſich
in den benachbarten Savannen ſchöne Pferde verſchaffen könne.
Die Krokodile ſind im Rio Neveri groß und zahlreich,
beſonders der Mündung zu; im ganzen aber ſind ſie nicht
ſo bösartig als die im Orinoko. In der Gemütsart dieſer
Tiere beobachtet man in Amerika dieſelben Kontraſte wie in
Aegypten und Nubien, wie man deutlich ſieht, wenn man die
Berichte des unglücklichen Burckhard und die Belzonis auf-
merkſam vergleicht. Nach dem Kulturzuſtand der verſchiedenen
Länder, nach der mehr oder weniger dichten Bevölkerung in
der Nähe der Flüſſe ändern ſich auch die Sitten dieſer großen
Saurier, die auf trockenem Lande ſchüchtern ſind und vor
dem Menſchen ſogar im Waſſer fliehen, wenn ſie reichliche
Nahrung haben und der Angriff mit einiger Gefahr verbun-
den iſt. In Nueva Barcelona ſieht man die Indianer das
Holz auf ſonderbare Weiſe zu Markt bringen. Große Scheite
von Zygophyllum und Cäſalpinia werden in den Fluß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/278>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.