Sandstein, der hie und da Stücke fossilen Holzes (aus der Familie der Monokotyledonen) enthält, kommt in den Step- pen von Calabozo überall zu Tage. Weiter gegen Osten sind Kalkstein und Gips demselben aufgelagert und machen ihn der geologischen Forschung unzugänglich. Weiter gegen Nor- den, der Mission San Josef de Curataquiche zu, fand Bon- pland schöne gebänderte Stücke Jaspis oder "ägyptische Kiesel". Wir sahen dieselben nicht in der Gebirgsart eingeschlossen und wissen daher nicht, ob sie einem ganz neuen Konglomerat angehören oder dem Kalkstein, den wir am Morro von Nueva Barcelona angetroffen, und der kein Uebergangsgestein ist, obgleich er Schichten von Kieselschiefer enthält.
Man kann die Steppen oder Grasfluren von Südamerika nicht durchziehen, ohne in Gedanken bei der Aussicht zu ver- weilen, daß man sie eines Tages zu dem benützen wird, zu dem sie sich besser eignen als irgend ein Landstrich des Erd- balls, zur Messung der Grade eines Erdbogens in der Rich- tung eines Meridians oder einer auf dem Meridian senk- rechten Linie. Diese Operation wäre für die genaue Kenntnis der Gestalt der Erde von großer Wichtigkeit. Die Llanos von Venezuela liegen 13° ostwärts von den Punkten, wo einerseits die französischen Akademiker mittels Dreiecken, die sich auf die Gipfel der Kordilleren stützten, andererseits Mason und Dixon, ohne trigonometrische Mittel (auf den Ebenen von Pennsylvanien), ihre Messungen ausgeführt haben; sie liegen fast unter demselben Parallel (und dieser Umstand ist von großem Belang) wie die indische Hochebene zwischen Junne und Madura, wo Oberst Lambton so ausgezeichnet operierte. So viele Bedenken auch noch hinsichtlich der Ge- nauigkeit der Instrumente, der Beobachtungsfehler und der Einflüsse örtlicher Anziehungen bestehen mögen, beim jetzigen Zustand unserer Kenntnisse ist nicht wohl in Abrede zu ziehen, daß die Erde ungleichförmig abgeplattet ist. Ist einmal zwischen den freien Regierungen von La Plata und Venezuela ein innigeres Verhältnis hergestellt, so wird man sich ohne Zweifel diesen Vorteil und den allgemeinen Frieden zu Nutze machen und nördlich und südlich vom Aequator, in den Lla- nos und in den Pampas die Messungen vornehmen, die wir hier in Vorschlag bringen. Die Llanos von Pao und Cala- bozo sind fast unter demselben Meridian gelegen wie die Pampas südlich von Cordova, und der Breitenunterschied dieser Niederungen, die so vollkommen eben sind, als hätte
Sandſtein, der hie und da Stücke foſſilen Holzes (aus der Familie der Monokotyledonen) enthält, kommt in den Step- pen von Calabozo überall zu Tage. Weiter gegen Oſten ſind Kalkſtein und Gips demſelben aufgelagert und machen ihn der geologiſchen Forſchung unzugänglich. Weiter gegen Nor- den, der Miſſion San Joſef de Curataquiche zu, fand Bon- pland ſchöne gebänderte Stücke Jaſpis oder „ägyptiſche Kieſel“. Wir ſahen dieſelben nicht in der Gebirgsart eingeſchloſſen und wiſſen daher nicht, ob ſie einem ganz neuen Konglomerat angehören oder dem Kalkſtein, den wir am Morro von Nueva Barcelona angetroffen, und der kein Uebergangsgeſtein iſt, obgleich er Schichten von Kieſelſchiefer enthält.
Man kann die Steppen oder Grasfluren von Südamerika nicht durchziehen, ohne in Gedanken bei der Ausſicht zu ver- weilen, daß man ſie eines Tages zu dem benützen wird, zu dem ſie ſich beſſer eignen als irgend ein Landſtrich des Erd- balls, zur Meſſung der Grade eines Erdbogens in der Rich- tung eines Meridians oder einer auf dem Meridian ſenk- rechten Linie. Dieſe Operation wäre für die genaue Kenntnis der Geſtalt der Erde von großer Wichtigkeit. Die Llanos von Venezuela liegen 13° oſtwärts von den Punkten, wo einerſeits die franzöſiſchen Akademiker mittels Dreiecken, die ſich auf die Gipfel der Kordilleren ſtützten, andererſeits Maſon und Dixon, ohne trigonometriſche Mittel (auf den Ebenen von Pennſylvanien), ihre Meſſungen ausgeführt haben; ſie liegen faſt unter demſelben Parallel (und dieſer Umſtand iſt von großem Belang) wie die indiſche Hochebene zwiſchen Junne und Madura, wo Oberſt Lambton ſo ausgezeichnet operierte. So viele Bedenken auch noch hinſichtlich der Ge- nauigkeit der Inſtrumente, der Beobachtungsfehler und der Einflüſſe örtlicher Anziehungen beſtehen mögen, beim jetzigen Zuſtand unſerer Kenntniſſe iſt nicht wohl in Abrede zu ziehen, daß die Erde ungleichförmig abgeplattet iſt. Iſt einmal zwiſchen den freien Regierungen von La Plata und Venezuela ein innigeres Verhältnis hergeſtellt, ſo wird man ſich ohne Zweifel dieſen Vorteil und den allgemeinen Frieden zu Nutze machen und nördlich und ſüdlich vom Aequator, in den Lla- nos und in den Pampas die Meſſungen vornehmen, die wir hier in Vorſchlag bringen. Die Llanos von Pao und Cala- bozo ſind faſt unter demſelben Meridian gelegen wie die Pampas ſüdlich von Cordova, und der Breitenunterſchied dieſer Niederungen, die ſo vollkommen eben ſind, als hätte
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[252/0260]
Sandſtein, der hie und da Stücke foſſilen Holzes (aus der
Familie der Monokotyledonen) enthält, kommt in den Step-
pen von Calabozo überall zu Tage. Weiter gegen Oſten ſind
Kalkſtein und Gips demſelben aufgelagert und machen ihn
der geologiſchen Forſchung unzugänglich. Weiter gegen Nor-
den, der Miſſion San Joſef de Curataquiche zu, fand Bon-
pland ſchöne gebänderte Stücke Jaſpis oder „ägyptiſche Kieſel“.
Wir ſahen dieſelben nicht in der Gebirgsart eingeſchloſſen
und wiſſen daher nicht, ob ſie einem ganz neuen Konglomerat
angehören oder dem Kalkſtein, den wir am Morro von Nueva
Barcelona angetroffen, und der kein Uebergangsgeſtein iſt,
obgleich er Schichten von Kieſelſchiefer enthält.
Man kann die Steppen oder Grasfluren von Südamerika
nicht durchziehen, ohne in Gedanken bei der Ausſicht zu ver-
weilen, daß man ſie eines Tages zu dem benützen wird, zu
dem ſie ſich beſſer eignen als irgend ein Landſtrich des Erd-
balls, zur Meſſung der Grade eines Erdbogens in der Rich-
tung eines Meridians oder einer auf dem Meridian ſenk-
rechten Linie. Dieſe Operation wäre für die genaue Kenntnis
der Geſtalt der Erde von großer Wichtigkeit. Die Llanos
von Venezuela liegen 13° oſtwärts von den Punkten, wo
einerſeits die franzöſiſchen Akademiker mittels Dreiecken, die
ſich auf die Gipfel der Kordilleren ſtützten, andererſeits Maſon
und Dixon, ohne trigonometriſche Mittel (auf den Ebenen
von Pennſylvanien), ihre Meſſungen ausgeführt haben; ſie
liegen faſt unter demſelben Parallel (und dieſer Umſtand iſt
von großem Belang) wie die indiſche Hochebene zwiſchen
Junne und Madura, wo Oberſt Lambton ſo ausgezeichnet
operierte. So viele Bedenken auch noch hinſichtlich der Ge-
nauigkeit der Inſtrumente, der Beobachtungsfehler und der
Einflüſſe örtlicher Anziehungen beſtehen mögen, beim jetzigen
Zuſtand unſerer Kenntniſſe iſt nicht wohl in Abrede zu ziehen,
daß die Erde ungleichförmig abgeplattet iſt. Iſt einmal
zwiſchen den freien Regierungen von La Plata und Venezuela
ein innigeres Verhältnis hergeſtellt, ſo wird man ſich ohne
Zweifel dieſen Vorteil und den allgemeinen Frieden zu Nutze
machen und nördlich und ſüdlich vom Aequator, in den Lla-
nos und in den Pampas die Meſſungen vornehmen, die wir
hier in Vorſchlag bringen. Die Llanos von Pao und Cala-
bozo ſind faſt unter demſelben Meridian gelegen wie die
Pampas ſüdlich von Cordova, und der Breitenunterſchied
dieſer Niederungen, die ſo vollkommen eben ſind, als hätte
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/260>, abgerufen am 16.02.2025.
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