Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.lichen Bruchteil des Menschengeschlechtes der Entwickelungs- Wir haben gesehen, daß die Mundart der karibischen Liest man die spanischen Schriftsteller des 16. Jahrhun- 1 Karte des Hondius von 1599, die der lateinischen Ausgabe
von Raleghs Reisebeschreibung beigegeben ist. In der holländischen Ausgabe heißen die Llanos von Caracas zwischen den Gebirgen von Merida und dem Rio Pao "Caribana". Man sieht hier wieder, was so oft in der Geschichte der Geographie vorkommt, daß eine Benennung allmählich von Westen nach Osten gerückt wurde. lichen Bruchteil des Menſchengeſchlechtes der Entwickelungs- Wir haben geſehen, daß die Mundart der karibiſchen Lieſt man die ſpaniſchen Schriftſteller des 16. Jahrhun- 1 Karte des Hondius von 1599, die der lateiniſchen Ausgabe
von Raleghs Reiſebeſchreibung beigegeben iſt. In der holländiſchen Ausgabe heißen die Llanos von Caracas zwiſchen den Gebirgen von Merida und dem Rio Pao „Caribana“. Man ſieht hier wieder, was ſo oft in der Geſchichte der Geographie vorkommt, daß eine Benennung allmählich von Weſten nach Oſten gerückt wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0246" n="238"/> lichen Bruchteil des Menſchengeſchlechtes der Entwickelungs-<lb/> gang in Geiſt und Sprache iſt.</p><lb/> <p>Wir haben geſehen, daß die Mundart der karibiſchen<lb/> Weiber auf den Antillen Reſte einer ausgeſtorbenen Sprache<lb/> enthält. Was war dies für eine Sprache? Wir wiſſen es<lb/> nicht. Einige Schriftſteller vermuten, es könnte die Sprache<lb/> der Ygneri oder der Ureinwohner der karibiſchen Inſeln ſein,<lb/> von denen ſich ſchwache Ueberreſte auf Guadeloupe erhalten<lb/> haben; andere fanden darin Aehnlichkeit mit der alten Sprache<lb/> von Cuba oder mit den Sprachen der Aruaken und Apa-<lb/> lachiten in Florida; allein alle dieſe Annahmen gründen ſich<lb/> auf eine höchſt mangelhafte Kenntnis der Mundarten, die<lb/> man zu vergleichen unternommen.</p><lb/> <p>Lieſt man die ſpaniſchen Schriftſteller des 16. Jahrhun-<lb/> derts mit Aufmerkſamkeit, ſo ſieht man, daß die karibiſchen<lb/> Völkerſchaften damals auf einer Strecke von 18 bis 19 Breiten-<lb/> graden, von den Jungfraueninſeln oſtwärts von Portorico<lb/> bis zu den Mündungen des Amazonenſtromes ausgebreitet<lb/> waren. Daß ihre Wohnſitze auch gegen Weſt, längs der Küſten-<lb/> kette von Santa Marta und Venezuela ſich erſtreckt, erſcheint<lb/> weniger gewiß. Indeſſen nennen Lopez de Gomara und die<lb/> älteſten Geſchichtſchreiber <hi rendition="#g">Caribana</hi> nicht, wie ſeitdem ge-<lb/> ſchehen, das Land zwiſchen den Quellen des Orinoko und<lb/> den Gebirgen von Franzöſiſch-Guyana, <note place="foot" n="1">Karte des Hondius von 1599, die der lateiniſchen Ausgabe<lb/> von Raleghs Reiſebeſchreibung beigegeben iſt. In der holländiſchen<lb/> Ausgabe heißen die Llanos von Caracas zwiſchen den Gebirgen von<lb/> Merida und dem Rio Pao „Caribana“. Man ſieht hier wieder,<lb/> was ſo oft in der Geſchichte der Geographie vorkommt, daß eine<lb/> Benennung allmählich von Weſten nach Oſten gerückt wurde.</note> ſondern die ſumpfigen<lb/> Niederungen zwiſchen den Mündungen des Rio Atrato und<lb/> des Rio Sinu. Ich war, als ich von der Havana nach Por-<lb/> tobelo wollte, ſelbſt auf dieſen Küſten und hörte dort, das<lb/> Vorgebirge, das den Meerbuſen von Darien oder Uraba gegen<lb/> Oſt begrenzt, heiße noch jetzt Punta Caribana. Früher war<lb/> ſo ziemlich die Anſicht herrſchend, die Kariben der antilliſchen<lb/> Inſeln ſtammen von den kriegeriſchen Völkern in Darien ab,<lb/> und haben ſogar den Namen von ihnen. <hi rendition="#aq">„Inde Uraban ab<lb/> orientali prehendit ora, quam appellant in digenae Caribana,<lb/> unde Caribes insulares originem habere nomenque retinere<lb/> dicuntur.“</hi> So drückt ſich Anghiera in den Oceanica aus.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0246]
lichen Bruchteil des Menſchengeſchlechtes der Entwickelungs-
gang in Geiſt und Sprache iſt.
Wir haben geſehen, daß die Mundart der karibiſchen
Weiber auf den Antillen Reſte einer ausgeſtorbenen Sprache
enthält. Was war dies für eine Sprache? Wir wiſſen es
nicht. Einige Schriftſteller vermuten, es könnte die Sprache
der Ygneri oder der Ureinwohner der karibiſchen Inſeln ſein,
von denen ſich ſchwache Ueberreſte auf Guadeloupe erhalten
haben; andere fanden darin Aehnlichkeit mit der alten Sprache
von Cuba oder mit den Sprachen der Aruaken und Apa-
lachiten in Florida; allein alle dieſe Annahmen gründen ſich
auf eine höchſt mangelhafte Kenntnis der Mundarten, die
man zu vergleichen unternommen.
Lieſt man die ſpaniſchen Schriftſteller des 16. Jahrhun-
derts mit Aufmerkſamkeit, ſo ſieht man, daß die karibiſchen
Völkerſchaften damals auf einer Strecke von 18 bis 19 Breiten-
graden, von den Jungfraueninſeln oſtwärts von Portorico
bis zu den Mündungen des Amazonenſtromes ausgebreitet
waren. Daß ihre Wohnſitze auch gegen Weſt, längs der Küſten-
kette von Santa Marta und Venezuela ſich erſtreckt, erſcheint
weniger gewiß. Indeſſen nennen Lopez de Gomara und die
älteſten Geſchichtſchreiber Caribana nicht, wie ſeitdem ge-
ſchehen, das Land zwiſchen den Quellen des Orinoko und
den Gebirgen von Franzöſiſch-Guyana, 1 ſondern die ſumpfigen
Niederungen zwiſchen den Mündungen des Rio Atrato und
des Rio Sinu. Ich war, als ich von der Havana nach Por-
tobelo wollte, ſelbſt auf dieſen Küſten und hörte dort, das
Vorgebirge, das den Meerbuſen von Darien oder Uraba gegen
Oſt begrenzt, heiße noch jetzt Punta Caribana. Früher war
ſo ziemlich die Anſicht herrſchend, die Kariben der antilliſchen
Inſeln ſtammen von den kriegeriſchen Völkern in Darien ab,
und haben ſogar den Namen von ihnen. „Inde Uraban ab
orientali prehendit ora, quam appellant in digenae Caribana,
unde Caribes insulares originem habere nomenque retinere
dicuntur.“ So drückt ſich Anghiera in den Oceanica aus.
1 Karte des Hondius von 1599, die der lateiniſchen Ausgabe
von Raleghs Reiſebeſchreibung beigegeben iſt. In der holländiſchen
Ausgabe heißen die Llanos von Caracas zwiſchen den Gebirgen von
Merida und dem Rio Pao „Caribana“. Man ſieht hier wieder,
was ſo oft in der Geſchichte der Geographie vorkommt, daß eine
Benennung allmählich von Weſten nach Oſten gerückt wurde.
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