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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Um hier alles zusammenzufassen, was die Regierung
dieses Landes über einen so lange bestrittenen Punkt aufzu-
klären imstande ist, mache ich einige allgemeinere geologische
Bemerkungen. -- Die Gebirge Brasiliens liefern, trotz der
zahlreichen Spuren von Erzlagern zwischen Sanct Paul und
Villarica, bis jetzt nur Waschgold. Von den 78000 Mark
Gold,1 welche zu Anfang des 19. Jahrhunderts jährlich aus
Amerika in den europäischen Handel geflossen sind, kommen
mehr als sechs Siebenteile nicht aus der hohen Kordillere der
Anden, sondern aus dem aufgeschwemmten Lande östlich und
westlich von den Kordilleren. Diese Striche haben geringe
Meereshöhe, wie die bei La Sonora (in Mexiko), bei Choco
und Barbacoas (in Neugranada), oder das Alluvium liegt
auf Hochebenen, wie im Inneren Brasiliens. 2 Ist es nun
nicht wahrscheinlich, daß andere goldhaltige Anschwemmungen
der nördlichen Halbkugel zu, bis an die Ufer des oberen
Orinoko und des Rio Negro, streichen, deren Becken ja mit dem
des Amazonenstromes zusammenfällt? Als vom Dorado de
Canelas, von dem der Omagua und am Iquiari die Rede
war, bemerkte ich, daß alle Flüsse, welche von West her
kommen, reichlich Gold führen, und zwar sehr weit von den
Kordilleren weg. Von Loxa bis Popayan bestehen die Kor-
dilleren abwechselnd aus Trachyt und aus Urgebirge. Die
Ebenen bei Zamora, Logronno und Macas (Sevilla del Oro),
der große Rio Napo mit seinen Nebenflüssen (dem Ansupi
und dem Coca in der Provinz Quixos), der Caqueta von
Mocoa bis zum Einflusse des Fragua, endlich alles Land
zwischen Jaen de Bracamoros und dem Guaviare behaupten
noch immer ihren alten Ruf großen Metallreichtums. Weiter
gegen Ost, zwischen den Quellen des Guainia (Rio Negro),
des Uaupes, Iquiari und Jurubesh finden wir ein anderes
unstreitig goldhaltiges Gebiet. Hierher setzen Acunda und
Pater Fritz ihre Laguna del oro, und manches, was ich in
San Carlos aus dem Munde der portugiesischen Amerikaner
vernommen, macht vollkommen erklärlich, was La Condamine
von den Goldblechen erzählt, die bei den Eingeborenen ge-
funden worden. Gehen wir vom Iquiari auf das linke Ufer
des Rio Negro, so betreten wir ein völlig unbekanntes Land

1 Im Werte von 65878000 Frank.
2 Villarica liegt 1270 m hoch, aber das große Plateau der
Capitania Minas Geraes nur 584.

Um hier alles zuſammenzufaſſen, was die Regierung
dieſes Landes über einen ſo lange beſtrittenen Punkt aufzu-
klären imſtande iſt, mache ich einige allgemeinere geologiſche
Bemerkungen. — Die Gebirge Braſiliens liefern, trotz der
zahlreichen Spuren von Erzlagern zwiſchen Sanct Paul und
Villarica, bis jetzt nur Waſchgold. Von den 78000 Mark
Gold,1 welche zu Anfang des 19. Jahrhunderts jährlich aus
Amerika in den europäiſchen Handel gefloſſen ſind, kommen
mehr als ſechs Siebenteile nicht aus der hohen Kordillere der
Anden, ſondern aus dem aufgeſchwemmten Lande öſtlich und
weſtlich von den Kordilleren. Dieſe Striche haben geringe
Meereshöhe, wie die bei La Sonora (in Mexiko), bei Choco
und Barbacoas (in Neugranada), oder das Alluvium liegt
auf Hochebenen, wie im Inneren Braſiliens. 2 Iſt es nun
nicht wahrſcheinlich, daß andere goldhaltige Anſchwemmungen
der nördlichen Halbkugel zu, bis an die Ufer des oberen
Orinoko und des Rio Negro, ſtreichen, deren Becken ja mit dem
des Amazonenſtromes zuſammenfällt? Als vom Dorado de
Canelas, von dem der Omagua und am Iquiari die Rede
war, bemerkte ich, daß alle Flüſſe, welche von Weſt her
kommen, reichlich Gold führen, und zwar ſehr weit von den
Kordilleren weg. Von Loxa bis Popayan beſtehen die Kor-
dilleren abwechſelnd aus Trachyt und aus Urgebirge. Die
Ebenen bei Zamora, Logroño und Macas (Sevilla del Oro),
der große Rio Napo mit ſeinen Nebenflüſſen (dem Anſupi
und dem Coca in der Provinz Quixos), der Caqueta von
Mocoa bis zum Einfluſſe des Fragua, endlich alles Land
zwiſchen Jaen de Bracamoros und dem Guaviare behaupten
noch immer ihren alten Ruf großen Metallreichtums. Weiter
gegen Oſt, zwiſchen den Quellen des Guainia (Rio Negro),
des Uaupes, Iquiari und Jurubeſh finden wir ein anderes
unſtreitig goldhaltiges Gebiet. Hierher ſetzen Acuña und
Pater Fritz ihre Laguna del oro, und manches, was ich in
San Carlos aus dem Munde der portugieſiſchen Amerikaner
vernommen, macht vollkommen erklärlich, was La Condamine
von den Goldblechen erzählt, die bei den Eingeborenen ge-
funden worden. Gehen wir vom Iquiari auf das linke Ufer
des Rio Negro, ſo betreten wir ein völlig unbekanntes Land

1 Im Werte von 65878000 Frank.
2 Villarica liegt 1270 m hoch, aber das große Plateau der
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[224/0232] Um hier alles zuſammenzufaſſen, was die Regierung dieſes Landes über einen ſo lange beſtrittenen Punkt aufzu- klären imſtande iſt, mache ich einige allgemeinere geologiſche Bemerkungen. — Die Gebirge Braſiliens liefern, trotz der zahlreichen Spuren von Erzlagern zwiſchen Sanct Paul und Villarica, bis jetzt nur Waſchgold. Von den 78000 Mark Gold, 1 welche zu Anfang des 19. Jahrhunderts jährlich aus Amerika in den europäiſchen Handel gefloſſen ſind, kommen mehr als ſechs Siebenteile nicht aus der hohen Kordillere der Anden, ſondern aus dem aufgeſchwemmten Lande öſtlich und weſtlich von den Kordilleren. Dieſe Striche haben geringe Meereshöhe, wie die bei La Sonora (in Mexiko), bei Choco und Barbacoas (in Neugranada), oder das Alluvium liegt auf Hochebenen, wie im Inneren Braſiliens. 2 Iſt es nun nicht wahrſcheinlich, daß andere goldhaltige Anſchwemmungen der nördlichen Halbkugel zu, bis an die Ufer des oberen Orinoko und des Rio Negro, ſtreichen, deren Becken ja mit dem des Amazonenſtromes zuſammenfällt? Als vom Dorado de Canelas, von dem der Omagua und am Iquiari die Rede war, bemerkte ich, daß alle Flüſſe, welche von Weſt her kommen, reichlich Gold führen, und zwar ſehr weit von den Kordilleren weg. Von Loxa bis Popayan beſtehen die Kor- dilleren abwechſelnd aus Trachyt und aus Urgebirge. Die Ebenen bei Zamora, Logroño und Macas (Sevilla del Oro), der große Rio Napo mit ſeinen Nebenflüſſen (dem Anſupi und dem Coca in der Provinz Quixos), der Caqueta von Mocoa bis zum Einfluſſe des Fragua, endlich alles Land zwiſchen Jaen de Bracamoros und dem Guaviare behaupten noch immer ihren alten Ruf großen Metallreichtums. Weiter gegen Oſt, zwiſchen den Quellen des Guainia (Rio Negro), des Uaupes, Iquiari und Jurubeſh finden wir ein anderes unſtreitig goldhaltiges Gebiet. Hierher ſetzen Acuña und Pater Fritz ihre Laguna del oro, und manches, was ich in San Carlos aus dem Munde der portugieſiſchen Amerikaner vernommen, macht vollkommen erklärlich, was La Condamine von den Goldblechen erzählt, die bei den Eingeborenen ge- funden worden. Gehen wir vom Iquiari auf das linke Ufer des Rio Negro, ſo betreten wir ein völlig unbekanntes Land 1 Im Werte von 65878000 Frank. 2 Villarica liegt 1270 m hoch, aber das große Plateau der Capitania Minas Geraes nur 584.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/232>, abgerufen am 24.11.2024.