Kultus gegen Ost ausgebreitet, oder sind etwa die Ebenen bei San Juan die Wiege desselben? Nach der Sage war allerdings Bochica, der Gesetzgeber von Neugranada und Ober- priester von Iraca, von den Ebenen gegen Ost auf das Pla- teau von Bogota heraufgekommen. Da aber Bochica in einer Person Sohn und Sinnbild der Sonne ist, so kann seine Geschichte rein astrologische Allegorien enthalten. Auf seinem weiteren Zuge nach Süd ging Speier über die zwei Zweige des Guaviare, den Ariare und Guayavero, und gelangte ans Ufer des großen Rio Papamene oder Caqueta. Der Wider- stand, den er ein ganzes Jahr lang in der Provinz Los Cho- ques fand, machte dieser denkwürdigen Expedition ein Ende (1537). Nikolaus Federmann und Geronimo de Ortal ver- folgten von Macarapana und der Mündung des Rio Neveri aus Jorges de Espira Spuren. Ersterer suchte Gold im großen Magdalenenstrome, letzterer wollte einen Sonnen- tempel am Ufer des Meta entdecken. Da man die Landes- sprache nicht verstand, sah man am Fuße der Kordilleren überall einen Abglanz der großartigen Tempel von Iraca (Sogamozo), dem damaligen Mittelpunkt der Kultur in Cun- dinamarca.
Ich habe bis jetzt aus geographischem Gesichtspunkt die Reisen besprochen, welche auf dem Orinoko und gegen West und Süd an den Ostabhang der Anden unternommen wurden, bevor sich die Sage vom Dorado unter den Konquistadoren verbreitet hatte. Diese Sage stammt, wie wir oben angeführt, aus dem Königreich Quito, wo Luis Daca im Jahre 1535 einen Indianer aus Neugranada traf, der von seinem Fürsten (ohne Zweifel vom Zippa von Bogota oder vom Zaque von Tunja) abgesandt war, um von Atahualpa, dem Inka von Peru, Kriegshilfe zu erbitten. Dieser Abgesandte pries wie gewöhnlich die Schätze seiner Heimat; was aber den Spaniern, die mit Daca in der Stadt Tacunga (Llactaconga) waren, ganz besonders auffiel, das war die Geschichte von einem vornehmen Mann, "der, den Körper mit Goldstaub be- deckt, in einen See mitten im Gebirge ging". Dieser See könnte die Laguna die Tota, etwas ostwärts vom Sogamozo (Iraca) und Tunja (Hunca) sein, wo das geistliche und das weltliche Haupt des Reiches Cundinamarca oder Condirumarca ihren Sitz hatten; da sich aber keinerlei geschichtliche Erinne- rung an diesen See knüpft, so glaube ich vielmehr, daß mit dem, in welchen man den vergoldeten großen Herrn
Kultus gegen Oſt ausgebreitet, oder ſind etwa die Ebenen bei San Juan die Wiege desſelben? Nach der Sage war allerdings Bochica, der Geſetzgeber von Neugranada und Ober- prieſter von Iraca, von den Ebenen gegen Oſt auf das Pla- teau von Bogota heraufgekommen. Da aber Bochica in einer Perſon Sohn und Sinnbild der Sonne iſt, ſo kann ſeine Geſchichte rein aſtrologiſche Allegorien enthalten. Auf ſeinem weiteren Zuge nach Süd ging Speier über die zwei Zweige des Guaviare, den Ariare und Guayavero, und gelangte ans Ufer des großen Rio Papamene oder Caqueta. Der Wider- ſtand, den er ein ganzes Jahr lang in der Provinz Los Cho- ques fand, machte dieſer denkwürdigen Expedition ein Ende (1537). Nikolaus Federmann und Geronimo de Ortal ver- folgten von Macarapana und der Mündung des Rio Neveri aus Jorges de Eſpira Spuren. Erſterer ſuchte Gold im großen Magdalenenſtrome, letzterer wollte einen Sonnen- tempel am Ufer des Meta entdecken. Da man die Landes- ſprache nicht verſtand, ſah man am Fuße der Kordilleren überall einen Abglanz der großartigen Tempel von Iraca (Sogamozo), dem damaligen Mittelpunkt der Kultur in Cun- dinamarca.
Ich habe bis jetzt aus geographiſchem Geſichtspunkt die Reiſen beſprochen, welche auf dem Orinoko und gegen Weſt und Süd an den Oſtabhang der Anden unternommen wurden, bevor ſich die Sage vom Dorado unter den Konquiſtadoren verbreitet hatte. Dieſe Sage ſtammt, wie wir oben angeführt, aus dem Königreich Quito, wo Luis Daça im Jahre 1535 einen Indianer aus Neugranada traf, der von ſeinem Fürſten (ohne Zweifel vom Zippa von Bogota oder vom Zaque von Tunja) abgeſandt war, um von Atahualpa, dem Inka von Peru, Kriegshilfe zu erbitten. Dieſer Abgeſandte pries wie gewöhnlich die Schätze ſeiner Heimat; was aber den Spaniern, die mit Daça in der Stadt Tacunga (Llactaconga) waren, ganz beſonders auffiel, das war die Geſchichte von einem vornehmen Mann, „der, den Körper mit Goldſtaub be- deckt, in einen See mitten im Gebirge ging“. Dieſer See könnte die Laguna die Tota, etwas oſtwärts vom Sogamozo (Iraca) und Tunja (Hunca) ſein, wo das geiſtliche und das weltliche Haupt des Reiches Cundinamarca oder Condirumarca ihren Sitz hatten; da ſich aber keinerlei geſchichtliche Erinne- rung an dieſen See knüpft, ſo glaube ich vielmehr, daß mit dem, in welchen man den vergoldeten großen Herrn
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Kultus gegen Oſt ausgebreitet, oder ſind etwa die Ebenen
bei San Juan die Wiege desſelben? Nach der Sage war
allerdings Bochica, der Geſetzgeber von Neugranada und Ober-
prieſter von Iraca, von den Ebenen gegen Oſt auf das Pla-
teau von Bogota heraufgekommen. Da aber Bochica in einer
Perſon Sohn und Sinnbild der Sonne iſt, ſo kann ſeine
Geſchichte rein aſtrologiſche Allegorien enthalten. Auf ſeinem
weiteren Zuge nach Süd ging Speier über die zwei Zweige
des Guaviare, den Ariare und Guayavero, und gelangte ans
Ufer des großen Rio Papamene oder Caqueta. Der Wider-
ſtand, den er ein ganzes Jahr lang in der Provinz Los Cho-
ques fand, machte dieſer denkwürdigen Expedition ein Ende
(1537). Nikolaus Federmann und Geronimo de Ortal ver-
folgten von Macarapana und der Mündung des Rio Neveri
aus Jorges de Eſpira Spuren. Erſterer ſuchte Gold im
großen Magdalenenſtrome, letzterer wollte einen Sonnen-
tempel am Ufer des Meta entdecken. Da man die Landes-
ſprache nicht verſtand, ſah man am Fuße der Kordilleren
überall einen Abglanz der großartigen Tempel von Iraca
(Sogamozo), dem damaligen Mittelpunkt der Kultur in Cun-
dinamarca.
Ich habe bis jetzt aus geographiſchem Geſichtspunkt die
Reiſen beſprochen, welche auf dem Orinoko und gegen Weſt
und Süd an den Oſtabhang der Anden unternommen wurden,
bevor ſich die Sage vom Dorado unter den Konquiſtadoren
verbreitet hatte. Dieſe Sage ſtammt, wie wir oben angeführt,
aus dem Königreich Quito, wo Luis Daça im Jahre 1535
einen Indianer aus Neugranada traf, der von ſeinem Fürſten
(ohne Zweifel vom Zippa von Bogota oder vom Zaque
von Tunja) abgeſandt war, um von Atahualpa, dem Inka
von Peru, Kriegshilfe zu erbitten. Dieſer Abgeſandte pries
wie gewöhnlich die Schätze ſeiner Heimat; was aber den
Spaniern, die mit Daça in der Stadt Tacunga (Llactaconga)
waren, ganz beſonders auffiel, das war die Geſchichte von
einem vornehmen Mann, „der, den Körper mit Goldſtaub be-
deckt, in einen See mitten im Gebirge ging“. Dieſer See
könnte die Laguna die Tota, etwas oſtwärts vom Sogamozo
(Iraca) und Tunja (Hunca) ſein, wo das geiſtliche und das
weltliche Haupt des Reiches Cundinamarca oder Condirumarca
ihren Sitz hatten; da ſich aber keinerlei geſchichtliche Erinne-
rung an dieſen See knüpft, ſo glaube ich vielmehr, daß mit
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/210>, abgerufen am 26.06.2024.
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