Ich habe hiermit den Ursprung der Fabel vom See Cassipa erklärt, sowie den Einfluß, den sie auf die Vorstellung gehabt, als ob der Orinoko aus dem See Parime entspränge. Sehen wir jetzt, wie es sich mit dem letzteren Wasserbecken verhält, mit dem angeblichen Binnenmeere, das bei den Geographen des 16. Jahrhunderts Rupunuwini heißt. Unter 4 oder 4,5° der Breite (leider fehlt es in dieser Rich- tung, südlich von Santo Tome de Angostura, auf 8° weit ganz an astronomischen Beobachtungen) verbindet eine lange, schmale Kordillere, Pacaraimo, Quimiropaca und Ucucuamo genannt, die von Ost nach Südwest streicht, den Bergstock der Parime mit den Bergen von Holländisch- und Französisch- Guyana. Sie bildet die Wasserscheide zwischen dem Carony, Rupunury oder Rupunuwini und dem Rio Branco, und somit zwischen den Thälern des unteren Orinoko, des Essequibo und des Rio Negro. Nordwestlich von dieser Kordillere von Paca- raimo, über die nur wenige Europäer gekommen sind (im Jahre 1739 der deutsche Chirurg Nikolaus Hortsmann, im Jahre 1775 ein spanischer Offizier, Don Antonio Santos, im Jahre 1791 der portugiesische Oberst Barata, und im Jahre 1811 mehrere englische Kolonisten) kommen der Nocapra, der Paraguamusi und der Paragua herab, die in den Carony fallen; gegen Nordost kommt der Rupunuwini herunter, ein Nebenfluß des Essequibo; gegen Süd vereinigen sich der Tacutu und der Uraricuera zum vielberufenen Rio Parime oder Rio Branco.
Dieser Isthmus zwischen den Zweigen des Rio Essequibo und des Rio Branco (das heißt zwischen dem Rupunuwini einerseits, und dem Pirara, Mahu und Uraricuera oder Rio Parime andererseits) ist als der eigentliche klassische Boden des Dorado der Parime zu betrachten. Am Fuße der Berge von Pacaraimo treten die Flüsse häufig aus, und ober- halb Santa Rosa heißt das rechte Ufer des Urariapara, der sich in den Uraricuera ergießt, "el valle de la inundacion". Ferner findet man zwischen dem Rio Parime und dem Xurumu große Lachen; auf den in neuester Zeit in Brasilien gezeich- neten Karten, die über diesen Landstrich sehr genau sind, finden sich diese Wasserstücke angegeben. Weiter nach West kommt der Canno Pirara, der in den Mahu läuft, aus einem Binsensee. Das ist der von Nikolaus Hortsmann beschriebene See Amucu, derselbe, über den mir Portugiesen aus Barcelos, die am Rio Branco (Rio Parime oder Rio Paravigiana)
A. v. Humboldt, Reise. IV. 13
Ich habe hiermit den Urſprung der Fabel vom See Caſſipa erklärt, ſowie den Einfluß, den ſie auf die Vorſtellung gehabt, als ob der Orinoko aus dem See Parime entſpränge. Sehen wir jetzt, wie es ſich mit dem letzteren Waſſerbecken verhält, mit dem angeblichen Binnenmeere, das bei den Geographen des 16. Jahrhunderts Rupunuwini heißt. Unter 4 oder 4,5° der Breite (leider fehlt es in dieſer Rich- tung, ſüdlich von Santo Tome de Angoſtura, auf 8° weit ganz an aſtronomiſchen Beobachtungen) verbindet eine lange, ſchmale Kordillere, Pacaraimo, Quimiropaca und Ucucuamo genannt, die von Oſt nach Südweſt ſtreicht, den Bergſtock der Parime mit den Bergen von Holländiſch- und Franzöſiſch- Guyana. Sie bildet die Waſſerſcheide zwiſchen dem Carony, Rupunury oder Rupunuwini und dem Rio Branco, und ſomit zwiſchen den Thälern des unteren Orinoko, des Eſſequibo und des Rio Negro. Nordweſtlich von dieſer Kordillere von Paca- raimo, über die nur wenige Europäer gekommen ſind (im Jahre 1739 der deutſche Chirurg Nikolaus Hortsmann, im Jahre 1775 ein ſpaniſcher Offizier, Don Antonio Santos, im Jahre 1791 der portugieſiſche Oberſt Barata, und im Jahre 1811 mehrere engliſche Koloniſten) kommen der Nocapra, der Paraguamuſi und der Paragua herab, die in den Carony fallen; gegen Nordoſt kommt der Rupunuwini herunter, ein Nebenfluß des Eſſequibo; gegen Süd vereinigen ſich der Tacutu und der Uraricuera zum vielberufenen Rio Parime oder Rio Branco.
Dieſer Iſthmus zwiſchen den Zweigen des Rio Eſſequibo und des Rio Branco (das heißt zwiſchen dem Rupunuwini einerſeits, und dem Pirara, Mahu und Uraricuera oder Rio Parime andererſeits) iſt als der eigentliche klaſſiſche Boden des Dorado der Parime zu betrachten. Am Fuße der Berge von Pacaraimo treten die Flüſſe häufig aus, und ober- halb Santa Roſa heißt das rechte Ufer des Urariapara, der ſich in den Uraricuera ergießt, „el valle de la inundacion“. Ferner findet man zwiſchen dem Rio Parime und dem Xurumu große Lachen; auf den in neueſter Zeit in Braſilien gezeich- neten Karten, die über dieſen Landſtrich ſehr genau ſind, finden ſich dieſe Waſſerſtücke angegeben. Weiter nach Weſt kommt der Caño Pirara, der in den Mahu läuft, aus einem Binſenſee. Das iſt der von Nikolaus Hortsmann beſchriebene See Amucu, derſelbe, über den mir Portugieſen aus Barcelos, die am Rio Branco (Rio Parime oder Rio Paravigiana)
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 13
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[193/0201]
Ich habe hiermit den Urſprung der Fabel vom See
Caſſipa erklärt, ſowie den Einfluß, den ſie auf die Vorſtellung
gehabt, als ob der Orinoko aus dem See Parime entſpränge.
Sehen wir jetzt, wie es ſich mit dem letzteren Waſſerbecken
verhält, mit dem angeblichen Binnenmeere, das bei den
Geographen des 16. Jahrhunderts Rupunuwini heißt.
Unter 4 oder 4,5° der Breite (leider fehlt es in dieſer Rich-
tung, ſüdlich von Santo Tome de Angoſtura, auf 8° weit
ganz an aſtronomiſchen Beobachtungen) verbindet eine lange,
ſchmale Kordillere, Pacaraimo, Quimiropaca und Ucucuamo
genannt, die von Oſt nach Südweſt ſtreicht, den Bergſtock der
Parime mit den Bergen von Holländiſch- und Franzöſiſch-
Guyana. Sie bildet die Waſſerſcheide zwiſchen dem Carony,
Rupunury oder Rupunuwini und dem Rio Branco, und ſomit
zwiſchen den Thälern des unteren Orinoko, des Eſſequibo und
des Rio Negro. Nordweſtlich von dieſer Kordillere von Paca-
raimo, über die nur wenige Europäer gekommen ſind (im
Jahre 1739 der deutſche Chirurg Nikolaus Hortsmann, im
Jahre 1775 ein ſpaniſcher Offizier, Don Antonio Santos,
im Jahre 1791 der portugieſiſche Oberſt Barata, und im
Jahre 1811 mehrere engliſche Koloniſten) kommen der Nocapra,
der Paraguamuſi und der Paragua herab, die in den Carony
fallen; gegen Nordoſt kommt der Rupunuwini herunter, ein
Nebenfluß des Eſſequibo; gegen Süd vereinigen ſich der Tacutu
und der Uraricuera zum vielberufenen Rio Parime oder Rio
Branco.
Dieſer Iſthmus zwiſchen den Zweigen des Rio Eſſequibo
und des Rio Branco (das heißt zwiſchen dem Rupunuwini
einerſeits, und dem Pirara, Mahu und Uraricuera oder Rio
Parime andererſeits) iſt als der eigentliche klaſſiſche Boden
des Dorado der Parime zu betrachten. Am Fuße der
Berge von Pacaraimo treten die Flüſſe häufig aus, und ober-
halb Santa Roſa heißt das rechte Ufer des Urariapara, der
ſich in den Uraricuera ergießt, „el valle de la inundacion“.
Ferner findet man zwiſchen dem Rio Parime und dem Xurumu
große Lachen; auf den in neueſter Zeit in Braſilien gezeich-
neten Karten, die über dieſen Landſtrich ſehr genau ſind,
finden ſich dieſe Waſſerſtücke angegeben. Weiter nach Weſt
kommt der Caño Pirara, der in den Mahu läuft, aus einem
Binſenſee. Das iſt der von Nikolaus Hortsmann beſchriebene
See Amucu, derſelbe, über den mir Portugieſen aus Barcelos,
die am Rio Branco (Rio Parime oder Rio Paravigiana)
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 13
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/201>, abgerufen am 16.02.2025.
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