Unter allen vegetabilischen Erzeugnissen dieses Landes ist durch die Betriebsamkeit der katalonischen Kapuziner der Baum, von dem die Cortex Angosturae kommt, fälsch- lich "China von Carony" genannt, am berühmtesten geworden. Wir haben ihn zuerst als eine neue, von der Cinchona ganz verschiedene Gattung der Familie der Meliaceen bekannt ge- macht. Früher meinte man, dieses wirksame Arzneimittel aus Südamerika komme von der Brucea ferruginea, die in Abessinien wächst, von der Magnolia glauca und Magnolia Plumieri. Während der schweren Krankheit meines Reise- gefährten schickte Ravago einen vertrauten Mann in die Mis- sionen am Carony und ließ uns durch die Kapuziner in Upata blühende Zweige des Baumes verschaffen, den wir wünschten beschreiben zu können. Wir bekamen sehr schöne Exemplare, deren 40 cm lange Blätter einen sehr angenehmen aroma- tischen Geruch verbreiteten. Wir sahen bald, daß der Cu- spare (dies ist der indianische Name der Cascarilla oder der Corteza del Angostura) eine neue Gattung bildet; und bei Uebersendung von Orinokopflanzen an Wildenow ersuchte ich diesen, die Gattung nach Bonpland zu benennen. Der jetzt unter dem Namen Bonplandia trifoliata bekannte Baum wächst 21 bis 27 km vom östlichen Ufer des Carony am Fuße der Hügel, welche die Missionen Copapui, Upata und Alta Gracia einschließen. Die Kariben gebrauchen einen Aufguß der Rinde des Cuspare als ein stärkendes Mittel. Bonpland hat denselben Baum westwärts von Cumana im Meerbusen Santa Fe entdeckt, und dort kann er für Neu- andalusien ein Ausfuhrartikel werden.
Die katalonischen Mönche bereiten einen Extrakt aus der Cortex Angosturae, das sie in die Klöster ihrer Provinz versenden und das im nördlichen Europa bekannter zu sein verdiente. Hoffentlich wird die gegen Fieber und Ruhr so wirksame Rinde der Bonplandia auch ferner angewendet, ob- gleich man unter dem Namen "Falsche Angostura" eine andere Rinde eingeführt hat, die mit jener häufig verwechselt wird. Diese "Falsche Angostura" oder "Angostura pseudoferrugi- nosa" kommt, wie man behauptet, von der Brucea anti- dyssenterica; sie wirkt sehr stark auf die Nerven, bringt heftige Anfälle von Starrkrampf hervor und enthält nach Pelletiers und Caventous Versuchen ein eigentümliches Alkali, das mit dem Morphium und dem Strychnin Aehnlichkeit hat. Der Baum, von dem die echte Cortex Angosturae kommt,
Unter allen vegetabiliſchen Erzeugniſſen dieſes Landes iſt durch die Betriebſamkeit der kataloniſchen Kapuziner der Baum, von dem die Cortex Angosturae kommt, fälſch- lich „China von Carony“ genannt, am berühmteſten geworden. Wir haben ihn zuerſt als eine neue, von der Cinchona ganz verſchiedene Gattung der Familie der Meliaceen bekannt ge- macht. Früher meinte man, dieſes wirkſame Arzneimittel aus Südamerika komme von der Brucea ferruginea, die in Abeſſinien wächſt, von der Magnolia glauca und Magnolia Plumieri. Während der ſchweren Krankheit meines Reiſe- gefährten ſchickte Ravago einen vertrauten Mann in die Miſ- ſionen am Carony und ließ uns durch die Kapuziner in Upata blühende Zweige des Baumes verſchaffen, den wir wünſchten beſchreiben zu können. Wir bekamen ſehr ſchöne Exemplare, deren 40 cm lange Blätter einen ſehr angenehmen aroma- tiſchen Geruch verbreiteten. Wir ſahen bald, daß der Cu- ſpare (dies iſt der indianiſche Name der Cascarilla oder der Corteza del Angostura) eine neue Gattung bildet; und bei Ueberſendung von Orinokopflanzen an Wildenow erſuchte ich dieſen, die Gattung nach Bonpland zu benennen. Der jetzt unter dem Namen Bonplandia trifoliata bekannte Baum wächſt 21 bis 27 km vom öſtlichen Ufer des Carony am Fuße der Hügel, welche die Miſſionen Copapui, Upata und Alta Gracia einſchließen. Die Kariben gebrauchen einen Aufguß der Rinde des Cuſpare als ein ſtärkendes Mittel. Bonpland hat denſelben Baum weſtwärts von Cumana im Meerbuſen Santa Fé entdeckt, und dort kann er für Neu- andaluſien ein Ausfuhrartikel werden.
Die kataloniſchen Mönche bereiten einen Extrakt aus der Cortex Angosturae, das ſie in die Klöſter ihrer Provinz verſenden und das im nördlichen Europa bekannter zu ſein verdiente. Hoffentlich wird die gegen Fieber und Ruhr ſo wirkſame Rinde der Bonplandia auch ferner angewendet, ob- gleich man unter dem Namen „Falſche Angoſtura“ eine andere Rinde eingeführt hat, die mit jener häufig verwechſelt wird. Dieſe „Falſche Angoſtura“ oder „Angostura pseudoferrugi- nosa“ kommt, wie man behauptet, von der Brucea anti- dyssenterica; ſie wirkt ſehr ſtark auf die Nerven, bringt heftige Anfälle von Starrkrampf hervor und enthält nach Pelletiers und Caventous Verſuchen ein eigentümliches Alkali, das mit dem Morphium und dem Strychnin Aehnlichkeit hat. Der Baum, von dem die echte Cortex Angosturae kommt,
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Unter allen vegetabiliſchen Erzeugniſſen dieſes Landes
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lich „China von Carony“ genannt, am berühmteſten geworden.
Wir haben ihn zuerſt als eine neue, von der Cinchona ganz
verſchiedene Gattung der Familie der Meliaceen bekannt ge-
macht. Früher meinte man, dieſes wirkſame Arzneimittel
aus Südamerika komme von der Brucea ferruginea, die in
Abeſſinien wächſt, von der Magnolia glauca und Magnolia
Plumieri. Während der ſchweren Krankheit meines Reiſe-
gefährten ſchickte Ravago einen vertrauten Mann in die Miſ-
ſionen am Carony und ließ uns durch die Kapuziner in Upata
blühende Zweige des Baumes verſchaffen, den wir wünſchten
beſchreiben zu können. Wir bekamen ſehr ſchöne Exemplare,
deren 40 cm lange Blätter einen ſehr angenehmen aroma-
tiſchen Geruch verbreiteten. Wir ſahen bald, daß der Cu-
ſpare (dies iſt der indianiſche Name der Cascarilla oder der
Corteza del Angostura) eine neue Gattung bildet; und bei
Ueberſendung von Orinokopflanzen an Wildenow erſuchte ich
dieſen, die Gattung nach Bonpland zu benennen. Der jetzt
unter dem Namen Bonplandia trifoliata bekannte
Baum wächſt 21 bis 27 km vom öſtlichen Ufer des Carony
am Fuße der Hügel, welche die Miſſionen Copapui, Upata
und Alta Gracia einſchließen. Die Kariben gebrauchen einen
Aufguß der Rinde des Cuſpare als ein ſtärkendes Mittel.
Bonpland hat denſelben Baum weſtwärts von Cumana im
Meerbuſen Santa Fé entdeckt, und dort kann er für Neu-
andaluſien ein Ausfuhrartikel werden.
Die kataloniſchen Mönche bereiten einen Extrakt aus der
Cortex Angosturae, das ſie in die Klöſter ihrer Provinz
verſenden und das im nördlichen Europa bekannter zu ſein
verdiente. Hoffentlich wird die gegen Fieber und Ruhr ſo
wirkſame Rinde der Bonplandia auch ferner angewendet, ob-
gleich man unter dem Namen „Falſche Angoſtura“ eine andere
Rinde eingeführt hat, die mit jener häufig verwechſelt wird.
Dieſe „Falſche Angoſtura“ oder „Angostura pseudoferrugi-
nosa“ kommt, wie man behauptet, von der Brucea anti-
dyssenterica; ſie wirkt ſehr ſtark auf die Nerven, bringt
heftige Anfälle von Starrkrampf hervor und enthält nach
Pelletiers und Caventous Verſuchen ein eigentümliches Alkali,
das mit dem Morphium und dem Strychnin Aehnlichkeit hat.
Der Baum, von dem die echte Cortex Angosturae kommt,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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