steige; Pons, der bei seinem Aufenthalte in Caracas im all- gemeinen sehr genaue Notizen gesammelt hat, bleibt bei 25,3 m stehen. Der Wasserstand wechselt natürlich nach der Breite des Bettes und der Zahl der Nebenflüsse, die in den Haupt- stamm des Stromes hereinkommen. Der Nil steigt in Ober- ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord- seite des Deltas um 1,3 m. Bei Angostura scheint der Strom im Durchschnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu steigen. Es liegt hier mitten im Flusse eine Insel, wo man den Wasserstand so bequem beobachten könnte wie am Nilmesser (Megyas) an der Spitze der Insel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge- lehrter, der sich in neuester Zeit am Orinoko aufgehalten hat, Zea, wird meine Beobachtungen über einen so wichtigen Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre steige der Orinoko um 1 m höher als sonst; auf diesen Cyklus ist man aber keineswegs durch genaue Messungen gekommen. Aus den Zeugnissen des Altertums geht hervor, daß die Niveau- schwankungen des Nil nach Höhe und Dauer seit Jahr- tausenden sich gleich geblieben sind. Es ist dies ein sehr beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und Wärmezustand im weiten Nilbecken sich verändert. Wird diese Stetigkeit der physikalischen Erscheinungen, dieses Gleichgewicht der Elemente sich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt ist? Ich denke, man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Gesamt- kraft des Menschen vermag, kann auf die allgemeinen Ursachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen Einfluß äußern.
Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von dieser Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo- meter beträgt.1 Man könnte sich wundern, daß bei einem solchen kaum merklichen Falle die Strömung so stark ist; ich erinnere aber bei dieser Gelegenheit daran, daß nach Messun- gen, die von Hastings angeordnet worden, der Ganges auf einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet) auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt- lere Geschwindigkeit dieses Stromes in der trockenen Jahres-
1 Der Apure für sich hat einen Fall von 18,8 cm auf den Kilometer.
ſteige; Pons, der bei ſeinem Aufenthalte in Caracas im all- gemeinen ſehr genaue Notizen geſammelt hat, bleibt bei 25,3 m ſtehen. Der Waſſerſtand wechſelt natürlich nach der Breite des Bettes und der Zahl der Nebenflüſſe, die in den Haupt- ſtamm des Stromes hereinkommen. Der Nil ſteigt in Ober- ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord- ſeite des Deltas um 1,3 m. Bei Angoſtura ſcheint der Strom im Durchſchnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu ſteigen. Es liegt hier mitten im Fluſſe eine Inſel, wo man den Waſſerſtand ſo bequem beobachten könnte wie am Nilmeſſer (Megyas) an der Spitze der Inſel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge- lehrter, der ſich in neueſter Zeit am Orinoko aufgehalten hat, Zea, wird meine Beobachtungen über einen ſo wichtigen Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre ſteige der Orinoko um 1 m höher als ſonſt; auf dieſen Cyklus iſt man aber keineswegs durch genaue Meſſungen gekommen. Aus den Zeugniſſen des Altertums geht hervor, daß die Niveau- ſchwankungen des Nil nach Höhe und Dauer ſeit Jahr- tauſenden ſich gleich geblieben ſind. Es iſt dies ein ſehr beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und Wärmezuſtand im weiten Nilbecken ſich verändert. Wird dieſe Stetigkeit der phyſikaliſchen Erſcheinungen, dieſes Gleichgewicht der Elemente ſich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt iſt? Ich denke, man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Geſamt- kraft des Menſchen vermag, kann auf die allgemeinen Urſachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen Einfluß äußern.
Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von dieſer Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo- meter beträgt.1 Man könnte ſich wundern, daß bei einem ſolchen kaum merklichen Falle die Strömung ſo ſtark iſt; ich erinnere aber bei dieſer Gelegenheit daran, daß nach Meſſun- gen, die von Haſtings angeordnet worden, der Ganges auf einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet) auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt- lere Geſchwindigkeit dieſes Stromes in der trockenen Jahres-
1 Der Apure für ſich hat einen Fall von 18,8 cm auf den Kilometer.
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ſteige; Pons, der bei ſeinem Aufenthalte in Caracas im all-
gemeinen ſehr genaue Notizen geſammelt hat, bleibt bei 25,3 m
ſtehen. Der Waſſerſtand wechſelt natürlich nach der Breite
des Bettes und der Zahl der Nebenflüſſe, die in den Haupt-
ſtamm des Stromes hereinkommen. Der Nil ſteigt in Ober-
ägypten um 9,7 bis 11,3 m, bei Kairo um 8,1, an der Nord-
ſeite des Deltas um 1,3 m. Bei Angoſtura ſcheint der Strom
im Durchſchnitt nicht über 7,8 bis 8 m zu ſteigen. Es liegt
hier mitten im Fluſſe eine Inſel, wo man den Waſſerſtand
ſo bequem beobachten könnte wie am Nilmeſſer (Megyas)
an der Spitze der Inſel Rudah. Ein ausgezeichneter Ge-
lehrter, der ſich in neueſter Zeit am Orinoko aufgehalten hat,
Zea, wird meine Beobachtungen über einen ſo wichtigen
Punkt ergänzen. Das Volk glaubt, alle 25 Jahre ſteige der
Orinoko um 1 m höher als ſonſt; auf dieſen Cyklus iſt man
aber keineswegs durch genaue Meſſungen gekommen. Aus
den Zeugniſſen des Altertums geht hervor, daß die Niveau-
ſchwankungen des Nil nach Höhe und Dauer ſeit Jahr-
tauſenden ſich gleich geblieben ſind. Es iſt dies ein ſehr
beachtenswerter Beweis, daß der mittlere Feuchtigkeits- und
Wärmezuſtand im weiten Nilbecken ſich verändert. Wird dieſe
Stetigkeit der phyſikaliſchen Erſcheinungen, dieſes Gleichgewicht
der Elemente ſich auch in der Neuen Welt erhalten, wenn
einmal die Kultur ein paar hundert Jahre alt iſt? Ich denke,
man kann die Frage bejahen, denn alles, was die Geſamt-
kraft des Menſchen vermag, kann auf die allgemeinen
Urſachen, von denen das Klima Guyanas abhängt, keinen
Einfluß äußern.
Nach der Barometerhöhe von San Fernando de Apure
finde ich, daß der Fall des Apure und unteren Orinoko von
dieſer Stadt bis zur Boca de Navios 49 mm auf den Kilo-
meter beträgt. 1 Man könnte ſich wundern, daß bei einem
ſolchen kaum merklichen Falle die Strömung ſo ſtark iſt; ich
erinnere aber bei dieſer Gelegenheit daran, daß nach Meſſun-
gen, die von Haſtings angeordnet worden, der Ganges auf
einer Strecke von 111 km (die Krümmungen eingerechnet)
auch nur 2,2 cm auf den Kilometer fällt und daß die mitt-
lere Geſchwindigkeit dieſes Stromes in der trockenen Jahres-
1 Der Apure für ſich hat einen Fall von 18,8 cm auf den
Kilometer.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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