Verhältnisse eine Verzögerung herbeiführen, die große Er- scheinung des Steigens und Fallens der Flüsse in der heißen Zone sich überall gleich bleibt. Auf den beiden Tierkreisen, die man gewöhnlich den tatarischen und chaldäischen oder ägyptischen nennt (auf dem Tierkreise, der das Bild der Ratte, und auf dem, der die Bilder der Fische und des Wassermanns hat) beziehen sich besondere Konstellationen auf die periodischen Ueberschwemmungen der Flüsse. Wahre Cyklen, Zeiteinteilungen, wurden allmählich zu Teilungen des Raumes; da aber die physikalische Erscheinung der Ueber- schwemmungen eine so allgemeine ist, so konnte der Tierkreis, der durch die Griechen auf uns gekommen und der durch das Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen ein geschichtliches Denk- mal von hohem Alter wird, weit von Theben und dem hei- ligen Nilthale entstanden sein. Auf den Tierkreisen der Neuen Welt, z. B. auf dem mexikanischen, kommen auch Zeichen für Regen und Ueberschwemmung vor, die dem Chu (der Ratte) des chinesischen und tibetanischen Cyklus der Tse und den Fischen und dem Wassermann des zwölfteiligen Tierkreises entsprechen. Diese zwei mexikanischen Zeichen sind das Wasser(atl) und der Cipactli, das Seeungeheuer mit einem Horne. Dieses Tier ist zugleich die Fischgazelle der Hindu, der Steinbock unseres Tierkreises, der Deu- kalion der Griechen und der Noah (Coxcox) der Azteken. So finden wir denn die allgemeinen Ergebnisse der verglei- chenden Hydrographie schon auf den astrologischen Denk- mälern, in den Zeiteinteilungen und den religiösen Ueber- lieferungen von Völkern, die geographisch und dem Grade ihrer Geistesbildung nach am weitesten auseinander liegen.
Da die Aequatorialregen auf den Niederungen eintreten, wenn die Sonne durch das Zenith den Ortes geht, das heißt, wenn ihre Deklination der Zone zwischen dem Aequator und einem der Wendekreise gleichnamig wird, so fällt das Wasser im Amazonenstrom, während es im Orinoko merklich steigt. In einer sehr scharfsinnigen Erörterung über den Ursprung des Rio Kongo hat man die Physiker bereits auf die Modi- fikationen aufmerksam gemacht, welche das periodische Steigen im Laufe eines Flusses erleiden muß, bei dem Quellen und Mündung nicht auf derselben Seite der Aequinoktiallinie liegen. Bei den hydraulischen Systemen des Orinoko und des Amazonenstromes verwickeln sich die Umstände in noch auffallenderer Weise. Sie sind durch den Rio Negro und den
Verhältniſſe eine Verzögerung herbeiführen, die große Er- ſcheinung des Steigens und Fallens der Flüſſe in der heißen Zone ſich überall gleich bleibt. Auf den beiden Tierkreiſen, die man gewöhnlich den tatariſchen und chaldäiſchen oder ägyptiſchen nennt (auf dem Tierkreiſe, der das Bild der Ratte, und auf dem, der die Bilder der Fiſche und des Waſſermanns hat) beziehen ſich beſondere Konſtellationen auf die periodiſchen Ueberſchwemmungen der Flüſſe. Wahre Cyklen, Zeiteinteilungen, wurden allmählich zu Teilungen des Raumes; da aber die phyſikaliſche Erſcheinung der Ueber- ſchwemmungen eine ſo allgemeine iſt, ſo konnte der Tierkreis, der durch die Griechen auf uns gekommen und der durch das Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen ein geſchichtliches Denk- mal von hohem Alter wird, weit von Theben und dem hei- ligen Nilthale entſtanden ſein. Auf den Tierkreiſen der Neuen Welt, z. B. auf dem mexikaniſchen, kommen auch Zeichen für Regen und Ueberſchwemmung vor, die dem Chu (der Ratte) des chineſiſchen und tibetaniſchen Cyklus der Tſe und den Fiſchen und dem Waſſermann des zwölfteiligen Tierkreiſes entſprechen. Dieſe zwei mexikaniſchen Zeichen ſind das Waſſer(atl) und der Cipactli, das Seeungeheuer mit einem Horne. Dieſes Tier iſt zugleich die Fiſchgazelle der Hindu, der Steinbock unſeres Tierkreiſes, der Deu- kalion der Griechen und der Noah (Coxcox) der Azteken. So finden wir denn die allgemeinen Ergebniſſe der verglei- chenden Hydrographie ſchon auf den aſtrologiſchen Denk- mälern, in den Zeiteinteilungen und den religiöſen Ueber- lieferungen von Völkern, die geographiſch und dem Grade ihrer Geiſtesbildung nach am weiteſten auseinander liegen.
Da die Aequatorialregen auf den Niederungen eintreten, wenn die Sonne durch das Zenith den Ortes geht, das heißt, wenn ihre Deklination der Zone zwiſchen dem Aequator und einem der Wendekreiſe gleichnamig wird, ſo fällt das Waſſer im Amazonenſtrom, während es im Orinoko merklich ſteigt. In einer ſehr ſcharfſinnigen Erörterung über den Urſprung des Rio Kongo hat man die Phyſiker bereits auf die Modi- fikationen aufmerkſam gemacht, welche das periodiſche Steigen im Laufe eines Fluſſes erleiden muß, bei dem Quellen und Mündung nicht auf derſelben Seite der Aequinoktiallinie liegen. Bei den hydrauliſchen Syſtemen des Orinoko und des Amazonenſtromes verwickeln ſich die Umſtände in noch auffallenderer Weiſe. Sie ſind durch den Rio Negro und den
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[174/0182]
Verhältniſſe eine Verzögerung herbeiführen, die große Er-
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Zone ſich überall gleich bleibt. Auf den beiden Tierkreiſen,
die man gewöhnlich den tatariſchen und chaldäiſchen
oder ägyptiſchen nennt (auf dem Tierkreiſe, der das Bild der
Ratte, und auf dem, der die Bilder der Fiſche und des
Waſſermanns hat) beziehen ſich beſondere Konſtellationen auf
die periodiſchen Ueberſchwemmungen der Flüſſe. Wahre
Cyklen, Zeiteinteilungen, wurden allmählich zu Teilungen des
Raumes; da aber die phyſikaliſche Erſcheinung der Ueber-
ſchwemmungen eine ſo allgemeine iſt, ſo konnte der Tierkreis,
der durch die Griechen auf uns gekommen und der durch das
Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen ein geſchichtliches Denk-
mal von hohem Alter wird, weit von Theben und dem hei-
ligen Nilthale entſtanden ſein. Auf den Tierkreiſen der Neuen
Welt, z. B. auf dem mexikaniſchen, kommen auch Zeichen für
Regen und Ueberſchwemmung vor, die dem Chu (der
Ratte) des chineſiſchen und tibetaniſchen Cyklus der Tſe und
den Fiſchen und dem Waſſermann des zwölfteiligen
Tierkreiſes entſprechen. Dieſe zwei mexikaniſchen Zeichen ſind
das Waſſer (atl) und der Cipactli, das Seeungeheuer
mit einem Horne. Dieſes Tier iſt zugleich die Fiſchgazelle
der Hindu, der Steinbock unſeres Tierkreiſes, der Deu-
kalion der Griechen und der Noah (Coxcox) der Azteken.
So finden wir denn die allgemeinen Ergebniſſe der verglei-
chenden Hydrographie ſchon auf den aſtrologiſchen Denk-
mälern, in den Zeiteinteilungen und den religiöſen Ueber-
lieferungen von Völkern, die geographiſch und dem Grade ihrer
Geiſtesbildung nach am weiteſten auseinander liegen.
Da die Aequatorialregen auf den Niederungen eintreten,
wenn die Sonne durch das Zenith den Ortes geht, das heißt,
wenn ihre Deklination der Zone zwiſchen dem Aequator und
einem der Wendekreiſe gleichnamig wird, ſo fällt das Waſſer
im Amazonenſtrom, während es im Orinoko merklich ſteigt.
In einer ſehr ſcharfſinnigen Erörterung über den Urſprung
des Rio Kongo hat man die Phyſiker bereits auf die Modi-
fikationen aufmerkſam gemacht, welche das periodiſche Steigen
im Laufe eines Fluſſes erleiden muß, bei dem Quellen und
Mündung nicht auf derſelben Seite der Aequinoktiallinie
liegen. Bei den hydrauliſchen Syſtemen des Orinoko und
des Amazonenſtromes verwickeln ſich die Umſtände in noch
auffallenderer Weiſe. Sie ſind durch den Rio Negro und den
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/182>, abgerufen am 16.02.2025.
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