Rio de la Plata, 1 der durch den Uruguay, Parana und Pa- raguay gebildet wird, nötigt das angreifende Heer, wenn es ostwärts vordringen will, über die Steppen (Pampas) bis Cordova oder Mendoza zu ziehen; aber nördlich vom Aequa- tor, in Spanisch-Guyana bietet der Lauf des Orinoko 2 und seiner beiden großen Nebenflüsse Apure und Meta in der Richtung eines Parallelkreises eine Wasserstraße, auf der sich Munition und Lebensmittel leicht fortbringen lassen. Wer Herr von Angostura ist, dringt nach Gefallen nordwärts in die Steppen von Cumana, Barcelona und Caracas, nordwest- wärts in die Provinz Varinas, westwärts in die Provinzen am Casanare bis an den Fuß der Gebirge von Pamplona, Tunja und Santa Fe de Bogota vor. Zwischen der Provinz Spanisch-Guyana und dem reichen, stark bevölkerten, gut an- gebauten Uferstriche liegen nur die Niederungen am Orinoko, Apure und Meta. Die festen Plätze (Cumana, La Guayra und Porto Cabello) schützen diese Länder kaum vor einer Landung an der Nordküste. An diesen Angaben über die Bodenbildung und die gegenwärtige Verteilung der festen Punkte mag es genügen. Man ersieht daraus wohl hinläng- lich, daß zur politischen Sicherung der vereinigten Provinzen Caracas und Neugranada eine Deckung der Orinokomündungen unumgänglich ist, und daß Spanisch-Guyana, obgleich kaum urbar gemacht und so dünn bevölkert, im Kampfe zwischen den Kolonieen und dem Mutterlande eine große Bedeutung erlangt. Diese militärische Bedeutung des Landes erkannte der berühmte Ralegh schon vor 200 Jahren. Im Berichte über seine erste Expedition kommt er öfters darauf zurück, wie leicht es der Königin Elisabeth wäre, "auf dem Orinoko und den zahllosen Flüssen, die sich in denselben ergießen", einen großen Teil der spanischen Kolonieen zu erobern. Wir haben oben angeführt, daß Girolamo Benzoni im Jahre 1545 die Revolutionen auf San Domingo, "das in kurzem Eigentum der Schwarzen werden müsse", vorhersagte. Hier finden wir in einem Werke, das 1596 erschien, einen Feldzugsplan, der sich durch Ereignisse der jüngsten Zeit als ganz richtig er- wiesen hat.
In den ersten Jahren nach der Gründung stand die Stadt Angostura in keinem unmittelbaren Verkehr mit dem
1 Von Süden nach Norden auf 22 Breitengrade.
2 Von Westen nach Osten auf 13 Längengrade.
Rio de la Plata, 1 der durch den Uruguay, Parana und Pa- raguay gebildet wird, nötigt das angreifende Heer, wenn es oſtwärts vordringen will, über die Steppen (Pampas) bis Cordova oder Mendoza zu ziehen; aber nördlich vom Aequa- tor, in Spaniſch-Guyana bietet der Lauf des Orinoko 2 und ſeiner beiden großen Nebenflüſſe Apure und Meta in der Richtung eines Parallelkreiſes eine Waſſerſtraße, auf der ſich Munition und Lebensmittel leicht fortbringen laſſen. Wer Herr von Angoſtura iſt, dringt nach Gefallen nordwärts in die Steppen von Cumana, Barcelona und Caracas, nordweſt- wärts in die Provinz Varinas, weſtwärts in die Provinzen am Caſanare bis an den Fuß der Gebirge von Pamplona, Tunja und Santa Fé de Bogota vor. Zwiſchen der Provinz Spaniſch-Guyana und dem reichen, ſtark bevölkerten, gut an- gebauten Uferſtriche liegen nur die Niederungen am Orinoko, Apure und Meta. Die feſten Plätze (Cumana, La Guayra und Porto Cabello) ſchützen dieſe Länder kaum vor einer Landung an der Nordküſte. An dieſen Angaben über die Bodenbildung und die gegenwärtige Verteilung der feſten Punkte mag es genügen. Man erſieht daraus wohl hinläng- lich, daß zur politiſchen Sicherung der vereinigten Provinzen Caracas und Neugranada eine Deckung der Orinokomündungen unumgänglich iſt, und daß Spaniſch-Guyana, obgleich kaum urbar gemacht und ſo dünn bevölkert, im Kampfe zwiſchen den Kolonieen und dem Mutterlande eine große Bedeutung erlangt. Dieſe militäriſche Bedeutung des Landes erkannte der berühmte Ralegh ſchon vor 200 Jahren. Im Berichte über ſeine erſte Expedition kommt er öfters darauf zurück, wie leicht es der Königin Eliſabeth wäre, „auf dem Orinoko und den zahlloſen Flüſſen, die ſich in denſelben ergießen“, einen großen Teil der ſpaniſchen Kolonieen zu erobern. Wir haben oben angeführt, daß Girolamo Benzoni im Jahre 1545 die Revolutionen auf San Domingo, „das in kurzem Eigentum der Schwarzen werden müſſe“, vorherſagte. Hier finden wir in einem Werke, das 1596 erſchien, einen Feldzugsplan, der ſich durch Ereigniſſe der jüngſten Zeit als ganz richtig er- wieſen hat.
In den erſten Jahren nach der Gründung ſtand die Stadt Angoſtura in keinem unmittelbaren Verkehr mit dem
1 Von Süden nach Norden auf 22 Breitengrade.
2 Von Weſten nach Oſten auf 13 Längengrade.
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Rio de la Plata, 1 der durch den Uruguay, Parana und Pa-
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oſtwärts vordringen will, über die Steppen (Pampas) bis
Cordova oder Mendoza zu ziehen; aber nördlich vom Aequa-
tor, in Spaniſch-Guyana bietet der Lauf des Orinoko 2 und
ſeiner beiden großen Nebenflüſſe Apure und Meta in der
Richtung eines Parallelkreiſes eine Waſſerſtraße, auf der ſich
Munition und Lebensmittel leicht fortbringen laſſen. Wer
Herr von Angoſtura iſt, dringt nach Gefallen nordwärts in
die Steppen von Cumana, Barcelona und Caracas, nordweſt-
wärts in die Provinz Varinas, weſtwärts in die Provinzen
am Caſanare bis an den Fuß der Gebirge von Pamplona,
Tunja und Santa Fé de Bogota vor. Zwiſchen der Provinz
Spaniſch-Guyana und dem reichen, ſtark bevölkerten, gut an-
gebauten Uferſtriche liegen nur die Niederungen am Orinoko,
Apure und Meta. Die feſten Plätze (Cumana, La Guayra
und Porto Cabello) ſchützen dieſe Länder kaum vor einer
Landung an der Nordküſte. An dieſen Angaben über die
Bodenbildung und die gegenwärtige Verteilung der feſten
Punkte mag es genügen. Man erſieht daraus wohl hinläng-
lich, daß zur politiſchen Sicherung der vereinigten Provinzen
Caracas und Neugranada eine Deckung der Orinokomündungen
unumgänglich iſt, und daß Spaniſch-Guyana, obgleich kaum
urbar gemacht und ſo dünn bevölkert, im Kampfe zwiſchen
den Kolonieen und dem Mutterlande eine große Bedeutung
erlangt. Dieſe militäriſche Bedeutung des Landes erkannte
der berühmte Ralegh ſchon vor 200 Jahren. Im Berichte
über ſeine erſte Expedition kommt er öfters darauf zurück, wie
leicht es der Königin Eliſabeth wäre, „auf dem Orinoko und
den zahlloſen Flüſſen, die ſich in denſelben ergießen“, einen
großen Teil der ſpaniſchen Kolonieen zu erobern. Wir haben
oben angeführt, daß Girolamo Benzoni im Jahre 1545 die
Revolutionen auf San Domingo, „das in kurzem Eigentum
der Schwarzen werden müſſe“, vorherſagte. Hier finden wir
in einem Werke, das 1596 erſchien, einen Feldzugsplan, der
ſich durch Ereigniſſe der jüngſten Zeit als ganz richtig er-
wieſen hat.
In den erſten Jahren nach der Gründung ſtand die
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1 Von Süden nach Norden auf 22 Breitengrade.
2 Von Weſten nach Oſten auf 13 Längengrade.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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