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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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sichtlich hervor; sie erhalten einiges Gewicht, wenn sie nicht
für sich allein dastehen, und Aehnlichkeiten im Sprachbau, in
der Zeitrechnung, im Glauben und den gottesdienstlichen Ge-
bräuchen dazu kommen.

Wir übernachteten auf der Insel Cucuruparu, auch Playa
de la Tortuga
genannt, weil die Indianer von Uruana dort
Schildkröteneier holen. Es ist dies einer der Punkte am
Orinoko, deren Breite am genauesten bestimmt ist. Das
Glück wollte, daß ich drei Durchgänge von Sternen durch
den Meridian beobachten konnte. Ostwärts von der Insel
ist die Mündung des Canno de la Tortuga, der von den Bergen
der Cerbatana herunterkommt, an denen beständig Gewitter-
wolken hängen. Am südlichen Ufer dieses Canno liegt die
fast ganz eingegangene Mission San Miguel de la Tortuga.
Die Indianer versicherten uns, in der Nähe dieser kleinen
Mission gebe es eine Menge Fischottern mit sehr feinem
Pelze, welche bei den Spaniern Perritos de agua, Wasser-
hunde heißen, und, was merkwürdiger ist, Eidechsen (Lagartos)
mit zwei Füßen. Dieser ganze Landstrich zwischen dem
Rio Cuchivero und der Stromenge am Baraguan sollte ein-
mal von einem guten Zoologen besucht werden. Der Lagarto
ohne Hinterbeine ist vielleicht eine Art Siren, abweichend
vom Siren lacertina in Carolina. Wäre es ein Saurier, ein
eigentlicher "Bimane" (Chirotes, Cuvier), so hätten die Ein-
geborenen das Tier nicht mit einer Eidechse verglichen. Außer
den Arrau-Schildkröten, von denen ich oben ausführlich ge-
sprochen, leben am Orinoko zwischen Uruana nnd Encara-
mada auch Landschildkröten, die sogenannten Morocoi in
zahlloser Menge. In der großen Sonnenhitze und Trocken-
heit stecken diese Tiere, ohne zu fressen, unter Steinen oder
in Löchern, die sie gegraben. Erst wenn sie nach den ersten
Regen spüren, daß die Erde feucht wird, kommen sie aus
ihrem Versteck hervor und fangen wieder an zu fressen. Die
Terekay oder Tajelus, Süßwasserschildkröten, haben
dieselbe Lebensweise. Ich habe schon oben vom Sommer-
schlaf
mancher Tiere unter den Tropen gesprochen. Die
Eingeborenen kennen die Löcher, in denen die Schildkröten
im ausgetrockneten Boden schlafen, und graben sie 40 bis
48 cm tief in Menge auf einmal aus. Nach Pater Gili,
der solches mit angesehen, ist dies nicht gefahrlos, weil sich
im Sommer häufig Schlangen mit den Terekay eingraben.

Von der Insel Cucuruparu hatten wir bis zur Haupt-

ſichtlich hervor; ſie erhalten einiges Gewicht, wenn ſie nicht
für ſich allein daſtehen, und Aehnlichkeiten im Sprachbau, in
der Zeitrechnung, im Glauben und den gottesdienſtlichen Ge-
bräuchen dazu kommen.

Wir übernachteten auf der Inſel Cucuruparu, auch Playa
de la Tortuga
genannt, weil die Indianer von Uruana dort
Schildkröteneier holen. Es iſt dies einer der Punkte am
Orinoko, deren Breite am genaueſten beſtimmt iſt. Das
Glück wollte, daß ich drei Durchgänge von Sternen durch
den Meridian beobachten konnte. Oſtwärts von der Inſel
iſt die Mündung des Caño de la Tortuga, der von den Bergen
der Cerbatana herunterkommt, an denen beſtändig Gewitter-
wolken hängen. Am ſüdlichen Ufer dieſes Caño liegt die
faſt ganz eingegangene Miſſion San Miguel de la Tortuga.
Die Indianer verſicherten uns, in der Nähe dieſer kleinen
Miſſion gebe es eine Menge Fiſchottern mit ſehr feinem
Pelze, welche bei den Spaniern Perritos de agua, Waſſer-
hunde heißen, und, was merkwürdiger iſt, Eidechſen (Lagartos)
mit zwei Füßen. Dieſer ganze Landſtrich zwiſchen dem
Rio Cuchivero und der Stromenge am Baraguan ſollte ein-
mal von einem guten Zoologen beſucht werden. Der Lagarto
ohne Hinterbeine iſt vielleicht eine Art Siren, abweichend
vom Siren lacertina in Carolina. Wäre es ein Saurier, ein
eigentlicher „Bimane“ (Chirotes, Cuvier), ſo hätten die Ein-
geborenen das Tier nicht mit einer Eidechſe verglichen. Außer
den Arrau-Schildkröten, von denen ich oben ausführlich ge-
ſprochen, leben am Orinoko zwiſchen Uruana nnd Encara-
mada auch Landſchildkröten, die ſogenannten Morocoi in
zahlloſer Menge. In der großen Sonnenhitze und Trocken-
heit ſtecken dieſe Tiere, ohne zu freſſen, unter Steinen oder
in Löchern, die ſie gegraben. Erſt wenn ſie nach den erſten
Regen ſpüren, daß die Erde feucht wird, kommen ſie aus
ihrem Verſteck hervor und fangen wieder an zu freſſen. Die
Terekay oder Tajelus, Süßwaſſerſchildkröten, haben
dieſelbe Lebensweiſe. Ich habe ſchon oben vom Sommer-
ſchlaf
mancher Tiere unter den Tropen geſprochen. Die
Eingeborenen kennen die Löcher, in denen die Schildkröten
im ausgetrockneten Boden ſchlafen, und graben ſie 40 bis
48 cm tief in Menge auf einmal aus. Nach Pater Gili,
der ſolches mit angeſehen, iſt dies nicht gefahrlos, weil ſich
im Sommer häufig Schlangen mit den Terekay eingraben.

Von der Inſel Cucuruparu hatten wir bis zur Haupt-

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[140/0148] ſichtlich hervor; ſie erhalten einiges Gewicht, wenn ſie nicht für ſich allein daſtehen, und Aehnlichkeiten im Sprachbau, in der Zeitrechnung, im Glauben und den gottesdienſtlichen Ge- bräuchen dazu kommen. Wir übernachteten auf der Inſel Cucuruparu, auch Playa de la Tortuga genannt, weil die Indianer von Uruana dort Schildkröteneier holen. Es iſt dies einer der Punkte am Orinoko, deren Breite am genaueſten beſtimmt iſt. Das Glück wollte, daß ich drei Durchgänge von Sternen durch den Meridian beobachten konnte. Oſtwärts von der Inſel iſt die Mündung des Caño de la Tortuga, der von den Bergen der Cerbatana herunterkommt, an denen beſtändig Gewitter- wolken hängen. Am ſüdlichen Ufer dieſes Caño liegt die faſt ganz eingegangene Miſſion San Miguel de la Tortuga. Die Indianer verſicherten uns, in der Nähe dieſer kleinen Miſſion gebe es eine Menge Fiſchottern mit ſehr feinem Pelze, welche bei den Spaniern Perritos de agua, Waſſer- hunde heißen, und, was merkwürdiger iſt, Eidechſen (Lagartos) mit zwei Füßen. Dieſer ganze Landſtrich zwiſchen dem Rio Cuchivero und der Stromenge am Baraguan ſollte ein- mal von einem guten Zoologen beſucht werden. Der Lagarto ohne Hinterbeine iſt vielleicht eine Art Siren, abweichend vom Siren lacertina in Carolina. Wäre es ein Saurier, ein eigentlicher „Bimane“ (Chirotes, Cuvier), ſo hätten die Ein- geborenen das Tier nicht mit einer Eidechſe verglichen. Außer den Arrau-Schildkröten, von denen ich oben ausführlich ge- ſprochen, leben am Orinoko zwiſchen Uruana nnd Encara- mada auch Landſchildkröten, die ſogenannten Morocoi in zahlloſer Menge. In der großen Sonnenhitze und Trocken- heit ſtecken dieſe Tiere, ohne zu freſſen, unter Steinen oder in Löchern, die ſie gegraben. Erſt wenn ſie nach den erſten Regen ſpüren, daß die Erde feucht wird, kommen ſie aus ihrem Verſteck hervor und fangen wieder an zu freſſen. Die Terekay oder Tajelus, Süßwaſſerſchildkröten, haben dieſelbe Lebensweiſe. Ich habe ſchon oben vom Sommer- ſchlaf mancher Tiere unter den Tropen geſprochen. Die Eingeborenen kennen die Löcher, in denen die Schildkröten im ausgetrockneten Boden ſchlafen, und graben ſie 40 bis 48 cm tief in Menge auf einmal aus. Nach Pater Gili, der ſolches mit angeſehen, iſt dies nicht gefahrlos, weil ſich im Sommer häufig Schlangen mit den Terekay eingraben. Von der Inſel Cucuruparu hatten wir bis zur Haupt-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/148>, abgerufen am 22.11.2024.