und stärkemehlhaltigen Stoff zugleich zu genießen; vielleicht ist es eine unklare Beschreibung einer solchen Zubereitung, wenn Pater Gumilla im ersten Bande seines Werkes behaup- tet, "die Guamos und Otomacos nähren sich nur deshalb von Erde, weil dieselbe mit Substancia del maiz und Kai- manfett getränkt sei." Ich habe schon oben erwähnt, daß weder der gegenwärtige Missionär in Uriana, noch Fray Juan Gonzales, der lange in diesen Ländern gelebt, von dieser Ver- mengung tierischen und vegetabilischen Stoffes mit der Poya etwas wissen. Vielleicht hat Pater Gumilla die Zubereitung der Erde, welche die Eingeborenen essen, mit einem anderen Brauche derselben verwechselt (von dem sich Bonpland an Ort und Stelle überzeugte), nämlich die Bohnen einer Mimosen- art in den Boden zu graben, dieselben sich zersetzen zu lassen, und ein weißes, schmackhaftes, aber schwer verdauliches Brot daraus zu bereiten. Die Poyakugeln, die wir dem Winter- vorrate der Indianer entnommen, enthielten, ich wiederhole es, keine Spur von tierischem Fette oder von Stärkemehl. Gumilla ist einer der leichtgläubigsten Reisenden, die wir kennen, und so sieht man sich fast versucht, an Umstände zu glauben, die er meint leugnen zu müssen. Zum Glücke nimmt der Jesuit im zweiten Bande seines Werkes großenteils wieder zurück, was er im ersten behauptet: er zweifelt jetzt nicht daran, "daß das Brot der Otomacos und Guamos wenigstens (a lo menos) zur Hälfte Thon enthält; er versichert, Kinder und Erwachsene essen, ohne Schaden für die Gesundheit, nicht nur dieses Brot, sondern auch große Massen reinen Thon (muchos terrones de pura greda)". Er sagt weiter, wer davon den Magen beschwert fühle, führe ein paar Tage mit Krokodilfett ab, und dieses Fett bringe ihnen die Eßlust wieder, so daß sie von neuem bloße Erde essen können. Ich bezweifle, daß die Manteca de Caiman ein Abführmittel ist, da sie aber sehr flüssig ist, so mag sie die Erde, die nicht mit dem Kote weggeschafft worden ist, einhüllen helfen. So viel ist gewiß, daß die Guamos wenn nicht das Fett, so doch das Fleisch des Krokodils, das uns weiß und ohne Bisam- geruch schien, sehr gern essen. In Sennaar ist dasselbe, nach Burckhardt, gleichfalls gesucht und wird auf dem Markte verkauft.
Ich kann hier Fragen nicht unberührt lassen, die in mehreren Abhandlungen, zu denen meine Reise auf dem Ori- noko Anlaß gegeben, besprochen worden sind. Leschenault wirft
und ſtärkemehlhaltigen Stoff zugleich zu genießen; vielleicht iſt es eine unklare Beſchreibung einer ſolchen Zubereitung, wenn Pater Gumilla im erſten Bande ſeines Werkes behaup- tet, „die Guamos und Otomacos nähren ſich nur deshalb von Erde, weil dieſelbe mit Substancia del maiz und Kai- manfett getränkt ſei.“ Ich habe ſchon oben erwähnt, daß weder der gegenwärtige Miſſionär in Uriana, noch Fray Juan Gonzales, der lange in dieſen Ländern gelebt, von dieſer Ver- mengung tieriſchen und vegetabiliſchen Stoffes mit der Poya etwas wiſſen. Vielleicht hat Pater Gumilla die Zubereitung der Erde, welche die Eingeborenen eſſen, mit einem anderen Brauche derſelben verwechſelt (von dem ſich Bonpland an Ort und Stelle überzeugte), nämlich die Bohnen einer Mimoſen- art in den Boden zu graben, dieſelben ſich zerſetzen zu laſſen, und ein weißes, ſchmackhaftes, aber ſchwer verdauliches Brot daraus zu bereiten. Die Poyakugeln, die wir dem Winter- vorrate der Indianer entnommen, enthielten, ich wiederhole es, keine Spur von tieriſchem Fette oder von Stärkemehl. Gumilla iſt einer der leichtgläubigſten Reiſenden, die wir kennen, und ſo ſieht man ſich faſt verſucht, an Umſtände zu glauben, die er meint leugnen zu müſſen. Zum Glücke nimmt der Jeſuit im zweiten Bande ſeines Werkes großenteils wieder zurück, was er im erſten behauptet: er zweifelt jetzt nicht daran, „daß das Brot der Otomacos und Guamos wenigſtens (a lo menos) zur Hälfte Thon enthält; er verſichert, Kinder und Erwachſene eſſen, ohne Schaden für die Geſundheit, nicht nur dieſes Brot, ſondern auch große Maſſen reinen Thon (muchos terrones de pura greda)“. Er ſagt weiter, wer davon den Magen beſchwert fühle, führe ein paar Tage mit Krokodilfett ab, und dieſes Fett bringe ihnen die Eßluſt wieder, ſo daß ſie von neuem bloße Erde eſſen können. Ich bezweifle, daß die Manteca de Caiman ein Abführmittel iſt, da ſie aber ſehr flüſſig iſt, ſo mag ſie die Erde, die nicht mit dem Kote weggeſchafft worden iſt, einhüllen helfen. So viel iſt gewiß, daß die Guamos wenn nicht das Fett, ſo doch das Fleiſch des Krokodils, das uns weiß und ohne Biſam- geruch ſchien, ſehr gern eſſen. In Sennaar iſt dasſelbe, nach Burckhardt, gleichfalls geſucht und wird auf dem Markte verkauft.
Ich kann hier Fragen nicht unberührt laſſen, die in mehreren Abhandlungen, zu denen meine Reiſe auf dem Ori- noko Anlaß gegeben, beſprochen worden ſind. Leſchenault wirft
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und ſtärkemehlhaltigen Stoff zugleich zu genießen; vielleicht
iſt es eine unklare Beſchreibung einer ſolchen Zubereitung,
wenn Pater Gumilla im erſten Bande ſeines Werkes behaup-
tet, „die Guamos und Otomacos nähren ſich nur deshalb von
Erde, weil dieſelbe mit Substancia del maiz und Kai-
manfett getränkt ſei.“ Ich habe ſchon oben erwähnt, daß
weder der gegenwärtige Miſſionär in Uriana, noch Fray Juan
Gonzales, der lange in dieſen Ländern gelebt, von dieſer Ver-
mengung tieriſchen und vegetabiliſchen Stoffes mit der Poya
etwas wiſſen. Vielleicht hat Pater Gumilla die Zubereitung
der Erde, welche die Eingeborenen eſſen, mit einem anderen
Brauche derſelben verwechſelt (von dem ſich Bonpland an Ort
und Stelle überzeugte), nämlich die Bohnen einer Mimoſen-
art in den Boden zu graben, dieſelben ſich zerſetzen zu laſſen,
und ein weißes, ſchmackhaftes, aber ſchwer verdauliches Brot
daraus zu bereiten. Die Poyakugeln, die wir dem Winter-
vorrate der Indianer entnommen, enthielten, ich wiederhole
es, keine Spur von tieriſchem Fette oder von Stärkemehl.
Gumilla iſt einer der leichtgläubigſten Reiſenden, die wir
kennen, und ſo ſieht man ſich faſt verſucht, an Umſtände zu
glauben, die er meint leugnen zu müſſen. Zum Glücke nimmt
der Jeſuit im zweiten Bande ſeines Werkes großenteils wieder
zurück, was er im erſten behauptet: er zweifelt jetzt nicht
daran, „daß das Brot der Otomacos und Guamos wenigſtens
(a lo menos) zur Hälfte Thon enthält; er verſichert, Kinder
und Erwachſene eſſen, ohne Schaden für die Geſundheit, nicht
nur dieſes Brot, ſondern auch große Maſſen reinen Thon
(muchos terrones de pura greda)“. Er ſagt weiter, wer
davon den Magen beſchwert fühle, führe ein paar Tage mit
Krokodilfett ab, und dieſes Fett bringe ihnen die Eßluſt
wieder, ſo daß ſie von neuem bloße Erde eſſen können. Ich
bezweifle, daß die Manteca de Caiman ein Abführmittel iſt,
da ſie aber ſehr flüſſig iſt, ſo mag ſie die Erde, die nicht mit
dem Kote weggeſchafft worden iſt, einhüllen helfen. So viel
iſt gewiß, daß die Guamos wenn nicht das Fett, ſo doch das
Fleiſch des Krokodils, das uns weiß und ohne Biſam-
geruch ſchien, ſehr gern eſſen. In Sennaar iſt dasſelbe, nach
Burckhardt, gleichfalls geſucht und wird auf dem Markte
verkauft.
Ich kann hier Fragen nicht unberührt laſſen, die in
mehreren Abhandlungen, zu denen meine Reiſe auf dem Ori-
noko Anlaß gegeben, beſprochen worden ſind. Leſchenault wirft
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/140>, abgerufen am 16.02.2025.
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