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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Südamerika, von Merida und Santa Marta bis zu den
Hochebenen von Quito und Oberperu hat man bergmännisch
nach Gräbern, oder wie es die Kreolen mit einem verdor-
benen Worte der Inkasprache nennen, nach Huacas gesucht.
Ich war an der Küste von Peru, in Manciche, in der Huaca
von Toledo, aus der man Goldmassen erhoben hat, die im
16. Jahrhundert fünf Millionen Livres Turnois wert waren.1
Aber in den Höhlen, die seit den ältesten Zeiten den Einge-
borenen in Guyana als Grabstätten dienen, hat man nie
eine Spur von kostbaren Metallen entdeckt. Aus diesem Um-
stande geht hervor, daß auch zur Zeit, wo die Kariben und
andere Wandervölker gegen Südwest Streifzüge unternahmen,
das Gold nur in ganz unbedeutender Menge von den Ge-
birgen von Peru den Niederungen im Osten zufloß.

Ueberall, wo sich im Granit nicht die großen Höhlungen
finden, wie sie sich durch die Verwitterung des Gesteins oder
durch die Aufeinandertürmung der Blöcke bilden, bestatten
die Indianer den Leichnam in die Erde. Die Hängematte
(Chinchorro), eine Art Netz, worin der Verstorbene im Leben
geschlafen, dient ihm als Sarg. Man schnürt dieses Netz
fest um den Körper zusammen, gräbt ein Loch in der Hütte
selbst und legt den Toten darin nieder. Dies ist nach dem
Bericht des Missionärs Gili und nach dem, was ich aus
Pater Zeas Munde weiß, das gewöhnliche Verfahren. Ich
glaube nicht, daß es in ganz Guyana einen Grabhügel gibt,
nicht einmal in den Ebenen des Cassiquiare und Essequibo.
In den Savannen von Varinas dagegen, wie in Kanada
westlich von den Alleghanies,2 trifft man welche an. Es er-

1 Diese Berechnung gründet sich auf den Quint, der in den
Jahren 1576 und 1592 an das Schatzamt (Caxas reales) von
Truxillo bezahlt wurde. Die Register sind noch vorhanden. In
Persien, in Hochasien, in Aegypten, wo man auch Gräber aus sehr
verschiedenen Zeitaltern öffnet, hat man, soviel ich weiß, niemals
Schätze von Belang entdeckt.
2 Eine Art Mumien und Skelette in Körben wurden vor
kurzem in den Vereinigten Staaten in einer Höhle entdeckt. Sie
sollen einer Menschenart angehören, die mit der auf den Sandwich-
inseln Aehnlichkeit hat. Die Beschreibung dieser Gräber erinnert
einigermaßen an das, was ich in den Gräbern von Ataruipe beob-
achtet. -- Die Missionäre in den Vereinigten Staaten beklagen sich
über den Gestank, den die Nantikokes verbreiten, wenn sie mit den
Gebeinen ihrer Ahnen umherziehen.

Südamerika, von Merida und Santa Marta bis zu den
Hochebenen von Quito und Oberperu hat man bergmänniſch
nach Gräbern, oder wie es die Kreolen mit einem verdor-
benen Worte der Inkaſprache nennen, nach Huacas geſucht.
Ich war an der Küſte von Peru, in Manciche, in der Huaca
von Toledo, aus der man Goldmaſſen erhoben hat, die im
16. Jahrhundert fünf Millionen Livres Turnois wert waren.1
Aber in den Höhlen, die ſeit den älteſten Zeiten den Einge-
borenen in Guyana als Grabſtätten dienen, hat man nie
eine Spur von koſtbaren Metallen entdeckt. Aus dieſem Um-
ſtande geht hervor, daß auch zur Zeit, wo die Kariben und
andere Wandervölker gegen Südweſt Streifzüge unternahmen,
das Gold nur in ganz unbedeutender Menge von den Ge-
birgen von Peru den Niederungen im Oſten zufloß.

Ueberall, wo ſich im Granit nicht die großen Höhlungen
finden, wie ſie ſich durch die Verwitterung des Geſteins oder
durch die Aufeinandertürmung der Blöcke bilden, beſtatten
die Indianer den Leichnam in die Erde. Die Hängematte
(Chinchorro), eine Art Netz, worin der Verſtorbene im Leben
geſchlafen, dient ihm als Sarg. Man ſchnürt dieſes Netz
feſt um den Körper zuſammen, gräbt ein Loch in der Hütte
ſelbſt und legt den Toten darin nieder. Dies iſt nach dem
Bericht des Miſſionärs Gili und nach dem, was ich aus
Pater Zeas Munde weiß, das gewöhnliche Verfahren. Ich
glaube nicht, daß es in ganz Guyana einen Grabhügel gibt,
nicht einmal in den Ebenen des Caſſiquiare und Eſſequibo.
In den Savannen von Varinas dagegen, wie in Kanada
weſtlich von den Alleghanies,2 trifft man welche an. Es er-

1 Dieſe Berechnung gründet ſich auf den Quint, der in den
Jahren 1576 und 1592 an das Schatzamt (Caxas reales) von
Truxillo bezahlt wurde. Die Regiſter ſind noch vorhanden. In
Perſien, in Hochaſien, in Aegypten, wo man auch Gräber aus ſehr
verſchiedenen Zeitaltern öffnet, hat man, ſoviel ich weiß, niemals
Schätze von Belang entdeckt.
2 Eine Art Mumien und Skelette in Körben wurden vor
kurzem in den Vereinigten Staaten in einer Höhle entdeckt. Sie
ſollen einer Menſchenart angehören, die mit der auf den Sandwich-
inſeln Aehnlichkeit hat. Die Beſchreibung dieſer Gräber erinnert
einigermaßen an das, was ich in den Gräbern von Ataruipe beob-
achtet. — Die Miſſionäre in den Vereinigten Staaten beklagen ſich
über den Geſtank, den die Nantikokes verbreiten, wenn ſie mit den
Gebeinen ihrer Ahnen umherziehen.
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[116/0124] Südamerika, von Merida und Santa Marta bis zu den Hochebenen von Quito und Oberperu hat man bergmänniſch nach Gräbern, oder wie es die Kreolen mit einem verdor- benen Worte der Inkaſprache nennen, nach Huacas geſucht. Ich war an der Küſte von Peru, in Manciche, in der Huaca von Toledo, aus der man Goldmaſſen erhoben hat, die im 16. Jahrhundert fünf Millionen Livres Turnois wert waren. 1 Aber in den Höhlen, die ſeit den älteſten Zeiten den Einge- borenen in Guyana als Grabſtätten dienen, hat man nie eine Spur von koſtbaren Metallen entdeckt. Aus dieſem Um- ſtande geht hervor, daß auch zur Zeit, wo die Kariben und andere Wandervölker gegen Südweſt Streifzüge unternahmen, das Gold nur in ganz unbedeutender Menge von den Ge- birgen von Peru den Niederungen im Oſten zufloß. Ueberall, wo ſich im Granit nicht die großen Höhlungen finden, wie ſie ſich durch die Verwitterung des Geſteins oder durch die Aufeinandertürmung der Blöcke bilden, beſtatten die Indianer den Leichnam in die Erde. Die Hängematte (Chinchorro), eine Art Netz, worin der Verſtorbene im Leben geſchlafen, dient ihm als Sarg. Man ſchnürt dieſes Netz feſt um den Körper zuſammen, gräbt ein Loch in der Hütte ſelbſt und legt den Toten darin nieder. Dies iſt nach dem Bericht des Miſſionärs Gili und nach dem, was ich aus Pater Zeas Munde weiß, das gewöhnliche Verfahren. Ich glaube nicht, daß es in ganz Guyana einen Grabhügel gibt, nicht einmal in den Ebenen des Caſſiquiare und Eſſequibo. In den Savannen von Varinas dagegen, wie in Kanada weſtlich von den Alleghanies, 2 trifft man welche an. Es er- 1 Dieſe Berechnung gründet ſich auf den Quint, der in den Jahren 1576 und 1592 an das Schatzamt (Caxas reales) von Truxillo bezahlt wurde. Die Regiſter ſind noch vorhanden. In Perſien, in Hochaſien, in Aegypten, wo man auch Gräber aus ſehr verſchiedenen Zeitaltern öffnet, hat man, ſoviel ich weiß, niemals Schätze von Belang entdeckt. 2 Eine Art Mumien und Skelette in Körben wurden vor kurzem in den Vereinigten Staaten in einer Höhle entdeckt. Sie ſollen einer Menſchenart angehören, die mit der auf den Sandwich- inſeln Aehnlichkeit hat. Die Beſchreibung dieſer Gräber erinnert einigermaßen an das, was ich in den Gräbern von Ataruipe beob- achtet. — Die Miſſionäre in den Vereinigten Staaten beklagen ſich über den Geſtank, den die Nantikokes verbreiten, wenn ſie mit den Gebeinen ihrer Ahnen umherziehen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/124>, abgerufen am 25.11.2024.