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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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zog nicht in das Thal des Orinoko herunter; überhaupt haben
wir in diesem Thale nicht die starken elektrischen Entladungen
beobachtet, wie sie in der Regenzeit den Reisenden, wenn er
von Cartagena nach Honda den Magdalenenstrom hinauf-
fährt, fast jede Nacht ängstigen. Es scheint, daß in einem
flachen Lande die Gewitter regelmäßiger dem Bette eines
großen Flusses nachziehen als in einem ungleichförmig mit
Bergen besetzten Lande, wo viele Seitenthäler durcheinander-
laufen. Wir beobachteten zu wiederholten Malen die Tempe-
ratur des Orinoko an der Wasserfläche bei 30° Lufttemperatur;
wir fanden nur 26°, also 3° weniger als in den großen
Katarakten und 2° mehr als im Rio Negro. In der ge-
mäßigten Zone in Europa steigt die Temperatur der Donau
und der Elbe mitten im Sommer nicht über 17 bis 19°. Am
Orinoko konnte ich niemals einen Unterschied zwischen der
Wärme des Wassers bei Tag und bei Nacht bemerken, wenn
ich nicht den Thermometer da in den Fluß brachte, wo das
Wasser wenig Tiefe hat und sehr langsam über ein breites,
sandiges Gestade fließt, wie bei Uruana und bei den Mün-
dungen des Apure. Obgleich in den Wäldern von Guyana
unter einem meistens bedeckten Himmel die Strahlung des
Bodens bedeutend verlangsamt ist, so sinkt doch die Lufttem-
peratur bei Nacht nicht unbedeutend. Die obere Wasserschicht
ist dann wärmer als der umgebende Erdboden, und wenn
die Mischung zweier mit Feuchtigkeit fast gesättigter Luft-
massen über dem Wald und über dem Flusse keinen sicht-
baren Nebel erzeugt, so kann man dies nicht dem Umstande
zuschreiben, daß die Nacht nicht kühl genug sei. Während
meines Aufenthaltes am Orinoko und Rio Negro war das
Flußwasser oft um 2 bis 3° bei Nacht wärmer als die wind-
stille Luft.

Nach vierstündiger Fahrt flußabwärts kamen wir an die
Stelle der Gabelteilung. Wir schlugen unser Nachtlager am
Ufer des Cassiquiare am selben Flecke auf, wo wenige Tage
zuvor die Jaguare höchst wahrscheinlich uns unsere große
Dogge geraubt hatten. Alles Suchen der Indianer nach einer
Spur des Tieres war vergebens. Der Himmel blieb umzogen
und ich wartete vergeblich auf die Sterne; ich beobachtete
aber hier wieder, wie schon in Esmeralda, die Inklination
der Magnetnadel. Am Fuße des Cerro Duida hatte ich
28° 25' gefunden, fast 3° mehr als in Mandavaca. An der
Mündung des Cassiquiare erhielt ich 28° 75'; der Duida

zog nicht in das Thal des Orinoko herunter; überhaupt haben
wir in dieſem Thale nicht die ſtarken elektriſchen Entladungen
beobachtet, wie ſie in der Regenzeit den Reiſenden, wenn er
von Cartagena nach Honda den Magdalenenſtrom hinauf-
fährt, faſt jede Nacht ängſtigen. Es ſcheint, daß in einem
flachen Lande die Gewitter regelmäßiger dem Bette eines
großen Fluſſes nachziehen als in einem ungleichförmig mit
Bergen beſetzten Lande, wo viele Seitenthäler durcheinander-
laufen. Wir beobachteten zu wiederholten Malen die Tempe-
ratur des Orinoko an der Waſſerfläche bei 30° Lufttemperatur;
wir fanden nur 26°, alſo 3° weniger als in den großen
Katarakten und 2° mehr als im Rio Negro. In der ge-
mäßigten Zone in Europa ſteigt die Temperatur der Donau
und der Elbe mitten im Sommer nicht über 17 bis 19°. Am
Orinoko konnte ich niemals einen Unterſchied zwiſchen der
Wärme des Waſſers bei Tag und bei Nacht bemerken, wenn
ich nicht den Thermometer da in den Fluß brachte, wo das
Waſſer wenig Tiefe hat und ſehr langſam über ein breites,
ſandiges Geſtade fließt, wie bei Uruana und bei den Mün-
dungen des Apure. Obgleich in den Wäldern von Guyana
unter einem meiſtens bedeckten Himmel die Strahlung des
Bodens bedeutend verlangſamt iſt, ſo ſinkt doch die Lufttem-
peratur bei Nacht nicht unbedeutend. Die obere Waſſerſchicht
iſt dann wärmer als der umgebende Erdboden, und wenn
die Miſchung zweier mit Feuchtigkeit faſt geſättigter Luft-
maſſen über dem Wald und über dem Fluſſe keinen ſicht-
baren Nebel erzeugt, ſo kann man dies nicht dem Umſtande
zuſchreiben, daß die Nacht nicht kühl genug ſei. Während
meines Aufenthaltes am Orinoko und Rio Negro war das
Flußwaſſer oft um 2 bis 3° bei Nacht wärmer als die wind-
ſtille Luft.

Nach vierſtündiger Fahrt flußabwärts kamen wir an die
Stelle der Gabelteilung. Wir ſchlugen unſer Nachtlager am
Ufer des Caſſiquiare am ſelben Flecke auf, wo wenige Tage
zuvor die Jaguare höchſt wahrſcheinlich uns unſere große
Dogge geraubt hatten. Alles Suchen der Indianer nach einer
Spur des Tieres war vergebens. Der Himmel blieb umzogen
und ich wartete vergeblich auf die Sterne; ich beobachtete
aber hier wieder, wie ſchon in Esmeralda, die Inklination
der Magnetnadel. Am Fuße des Cerro Duida hatte ich
28° 25′ gefunden, faſt 3° mehr als in Mandavaca. An der
Mündung des Caſſiquiare erhielt ich 28° 75′; der Duida

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[96/0104] zog nicht in das Thal des Orinoko herunter; überhaupt haben wir in dieſem Thale nicht die ſtarken elektriſchen Entladungen beobachtet, wie ſie in der Regenzeit den Reiſenden, wenn er von Cartagena nach Honda den Magdalenenſtrom hinauf- fährt, faſt jede Nacht ängſtigen. Es ſcheint, daß in einem flachen Lande die Gewitter regelmäßiger dem Bette eines großen Fluſſes nachziehen als in einem ungleichförmig mit Bergen beſetzten Lande, wo viele Seitenthäler durcheinander- laufen. Wir beobachteten zu wiederholten Malen die Tempe- ratur des Orinoko an der Waſſerfläche bei 30° Lufttemperatur; wir fanden nur 26°, alſo 3° weniger als in den großen Katarakten und 2° mehr als im Rio Negro. In der ge- mäßigten Zone in Europa ſteigt die Temperatur der Donau und der Elbe mitten im Sommer nicht über 17 bis 19°. Am Orinoko konnte ich niemals einen Unterſchied zwiſchen der Wärme des Waſſers bei Tag und bei Nacht bemerken, wenn ich nicht den Thermometer da in den Fluß brachte, wo das Waſſer wenig Tiefe hat und ſehr langſam über ein breites, ſandiges Geſtade fließt, wie bei Uruana und bei den Mün- dungen des Apure. Obgleich in den Wäldern von Guyana unter einem meiſtens bedeckten Himmel die Strahlung des Bodens bedeutend verlangſamt iſt, ſo ſinkt doch die Lufttem- peratur bei Nacht nicht unbedeutend. Die obere Waſſerſchicht iſt dann wärmer als der umgebende Erdboden, und wenn die Miſchung zweier mit Feuchtigkeit faſt geſättigter Luft- maſſen über dem Wald und über dem Fluſſe keinen ſicht- baren Nebel erzeugt, ſo kann man dies nicht dem Umſtande zuſchreiben, daß die Nacht nicht kühl genug ſei. Während meines Aufenthaltes am Orinoko und Rio Negro war das Flußwaſſer oft um 2 bis 3° bei Nacht wärmer als die wind- ſtille Luft. Nach vierſtündiger Fahrt flußabwärts kamen wir an die Stelle der Gabelteilung. Wir ſchlugen unſer Nachtlager am Ufer des Caſſiquiare am ſelben Flecke auf, wo wenige Tage zuvor die Jaguare höchſt wahrſcheinlich uns unſere große Dogge geraubt hatten. Alles Suchen der Indianer nach einer Spur des Tieres war vergebens. Der Himmel blieb umzogen und ich wartete vergeblich auf die Sterne; ich beobachtete aber hier wieder, wie ſchon in Esmeralda, die Inklination der Magnetnadel. Am Fuße des Cerro Duida hatte ich 28° 25′ gefunden, faſt 3° mehr als in Mandavaca. An der Mündung des Caſſiquiare erhielt ich 28° 75′; der Duida

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/104>, abgerufen am 28.11.2024.