Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.die Llanos betritt, werden sie traurig und niedergeschlagen. Den Saimiri oder Titi vom Orinoko, den Atelen, 1 Simia lugens.
die Llanos betritt, werden ſie traurig und niedergeſchlagen. Den Saïmiri oder Titi vom Orinoko, den Atelen, 1 Simia lugens.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0084" n="76"/> die Llanos betritt, werden ſie traurig und niedergeſchlagen.<lb/> Der unbedeutenden Zunahme der Temperatur kann man dieſe<lb/> Veränderung nicht zuſchreiben, ſie ſcheint vielmehr vom ſtär-<lb/> keren Licht, von der gringeren Feuchtigkeit und von irgend<lb/> welcher chemiſchen Beſchaffenheit der Luft an der Küſte her-<lb/> zurühren.</p><lb/> <p>Den Sa<hi rendition="#aq">ï</hi>miri oder Titi vom Orinoko, den Atelen,<lb/> Saju und anderen ſchon lange in Europa bekannten Vier-<lb/> händern ſteht in ſcharfem Abſtich, nach Habitus und Lebens-<lb/> weiſe, der <hi rendition="#g">Macavahu</hi> <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Simia lugens.</hi></note> gegenüber, den die Miſſionäre <hi rendition="#aq">Viudita</hi><lb/> oder <hi rendition="#g">Witwe in Trauer</hi> nennen. Das kleine Tier hat feines,<lb/> glänzendes, ſchön ſchwarzes Haar. Das Geſicht hat eine weiß-<lb/> liche, ins Blaue ſpielende Larve, in der Augen, Naſe und<lb/> Mund ſtehen. Die Ohren haben einen umgebogenen Rand,<lb/> ſind klein, wohlgebildet und faſt ganz nackt. Vorn am Halſe<lb/> hat die <hi rendition="#g">Witwe</hi> einen weißen, zollbreiten Strich, der ein<lb/> halbes Halsband bildet. Die Hinterfüße oder vielmehr Hände<lb/> ſind ſchwarz wie der übrige Körper, aber die Vorderhände<lb/> ſind außen weiß und innen glänzend ſchwarz. Dieſe weißen<lb/> Abzeichen deuten nun die Miſſionäre als Schleier, Halstuch<lb/> und Handſchuhe einer <hi rendition="#g">Witwe in Trauer</hi>. Die Gemütsart<lb/> dieſes kleinen Affen, der ſich nur beim Freſſen auf den Hinter-<lb/> beinen aufrichtet, verrät ſich durch ſeine Haltung nur ſchwer.<lb/> Er ſieht ſanft und ſchüchtern aus; häufig berührt er das<lb/> Freſſen nicht, das man ihm bietet, ſelbſt wenn er ſtarken<lb/> Hunger hat. Er iſt nicht gern in Geſellſchaft anderer Affen;<lb/> wenn er den kleinſten Sa<hi rendition="#aq">ï</hi>miri anſichtig wird, läuft er davon.<lb/> Sein Auge verrät große Lebhaftigkeit. Wir ſahen ihn ſtunden-<lb/> lang regungslos daſitzen, ohne daß er ſchlief, und auf alles,<lb/> was um ihn vorging, achten. Aber dieſe Schüchternheit und<lb/> Sanftmut ſind nur ſcheinbar. Iſt die Viudita allein, ſich<lb/> ſelbſt überlaſſen, ſo wird ſie wütend, ſobald ſie einen Vogel<lb/> ſieht. Sie klettert und läuft dann mit erſtaunlicher Behendig-<lb/> keit; ſie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die Katze, und<lb/> erwürgt, was ſie erhaſchen kann. Dieſer ſehr ſeltene und ſehr<lb/> zärtliche Affe lebt auf dem rechten Ufer des Orinoko in den<lb/> Granitgebirgen hinter der Miſſion Santa Barbara, ferner<lb/> am Guaviare bei San Fernando de Atabapo. Die Viudita<lb/> hat die ganze Reiſe auf dem Caſſiquiare und Rio Negro<lb/> mitgemacht und iſt zweimal mit uns über die Katarakte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0084]
die Llanos betritt, werden ſie traurig und niedergeſchlagen.
Der unbedeutenden Zunahme der Temperatur kann man dieſe
Veränderung nicht zuſchreiben, ſie ſcheint vielmehr vom ſtär-
keren Licht, von der gringeren Feuchtigkeit und von irgend
welcher chemiſchen Beſchaffenheit der Luft an der Küſte her-
zurühren.
Den Saïmiri oder Titi vom Orinoko, den Atelen,
Saju und anderen ſchon lange in Europa bekannten Vier-
händern ſteht in ſcharfem Abſtich, nach Habitus und Lebens-
weiſe, der Macavahu 1 gegenüber, den die Miſſionäre Viudita
oder Witwe in Trauer nennen. Das kleine Tier hat feines,
glänzendes, ſchön ſchwarzes Haar. Das Geſicht hat eine weiß-
liche, ins Blaue ſpielende Larve, in der Augen, Naſe und
Mund ſtehen. Die Ohren haben einen umgebogenen Rand,
ſind klein, wohlgebildet und faſt ganz nackt. Vorn am Halſe
hat die Witwe einen weißen, zollbreiten Strich, der ein
halbes Halsband bildet. Die Hinterfüße oder vielmehr Hände
ſind ſchwarz wie der übrige Körper, aber die Vorderhände
ſind außen weiß und innen glänzend ſchwarz. Dieſe weißen
Abzeichen deuten nun die Miſſionäre als Schleier, Halstuch
und Handſchuhe einer Witwe in Trauer. Die Gemütsart
dieſes kleinen Affen, der ſich nur beim Freſſen auf den Hinter-
beinen aufrichtet, verrät ſich durch ſeine Haltung nur ſchwer.
Er ſieht ſanft und ſchüchtern aus; häufig berührt er das
Freſſen nicht, das man ihm bietet, ſelbſt wenn er ſtarken
Hunger hat. Er iſt nicht gern in Geſellſchaft anderer Affen;
wenn er den kleinſten Saïmiri anſichtig wird, läuft er davon.
Sein Auge verrät große Lebhaftigkeit. Wir ſahen ihn ſtunden-
lang regungslos daſitzen, ohne daß er ſchlief, und auf alles,
was um ihn vorging, achten. Aber dieſe Schüchternheit und
Sanftmut ſind nur ſcheinbar. Iſt die Viudita allein, ſich
ſelbſt überlaſſen, ſo wird ſie wütend, ſobald ſie einen Vogel
ſieht. Sie klettert und läuft dann mit erſtaunlicher Behendig-
keit; ſie macht einen Satz auf ihre Beute, wie die Katze, und
erwürgt, was ſie erhaſchen kann. Dieſer ſehr ſeltene und ſehr
zärtliche Affe lebt auf dem rechten Ufer des Orinoko in den
Granitgebirgen hinter der Miſſion Santa Barbara, ferner
am Guaviare bei San Fernando de Atabapo. Die Viudita
hat die ganze Reiſe auf dem Caſſiquiare und Rio Negro
mitgemacht und iſt zweimal mit uns über die Katarakte
1 Simia lugens.
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