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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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dunkelfarbig, olivenbraun bleibt. Die Indianer bei den Rau-
dales versicherten mich alle, niemals ein goldfarbiges Weibchen
gesehen zu haben.

Unter den Affen, welche die Indianer in Paramara zu
Markte gebracht, sahen wir mehrere Spielarten des Sai, 1
der der kleinen Gruppe der Winselaffen angehört, die in den
spanischen Kolonieen Matchi heißen, ferner Marimondas 2
oder Atelen mit rotem Bauche, Titi und Viuditas. Die
beiden letzteren Arten interessierten uns besonders, und wir
kauften sie, um sie nach Europa zu schicken. 3 Buffons Uistiti 4
ist Azzaras Titi, der Titi 5 von Cartagena und Darien
ist Büffons Pinche, und der Titi 6 vom Orinoko ist der
Saimiri der französischen Zoologen, und diese Tiere dürfen
nicht verwechselt werden. In den verschiedenen spanischen
Kolonieen heißen Titi Affen, die drei verschiedenen Unter-
gattungen angehören und in der Zahl der Backenzähne von-
einander abweichen. Nach dem eben Angeführten ist die Be-
merkung fast überflüssig, wie wünschenswert es wäre, daß
man in wissenschaftlichen Werken sich der landesüblichen Namen
enthielte, die durch unsere Orthographie entstellt werden, die
in jeder Provinz wieder anders lauten, und so die klägliche
Verwirrung in der zoologischen Nomenklatur vermehren.

Der Titi vom Orinoko (Simia sciurea), bis jetzt
schlecht abgebildet, indessen in unseren Sammlungen sehr be-
kannt, heißt bei den Maypuresindianern Bititeni. Er kommt
südlich von den Katarakten sehr häufig vor. Er hat ein weißes
Gesicht und über Mund und Nasenspitze weg einen kleinen
blauschwarzen Fleck. Die am zierlichsten gebauten und am
schönsten gefärbten (der Pelz ist goldgelb) kommen von den
Ufern des Cassiquiare. Die man am Guaviare fängt, sind
groß und schwer zu zähmen. Kein anderer Affe sieht im
Gesichte einem Kinde so ähnlich wie der Titi; es ist derselbe
Ausdruck von Unschuld, dasselbe schalkhafte Lächeln, derselbe

1 Simia capucina.
2 Simia Belzebuth.
3 Einen schönen Saimiri oder Titi vom Orinoko kauft man
in Paramara für 8 bis 9 Piaster; der Missionär bezahlt dem In-
dianer, der den Affen gefangen und gezähmt, 11/2 Piaster.
4 Simia Jacobus.
5 Simia Oedipus.
6 Simia sciurea.

dunkelfarbig, olivenbraun bleibt. Die Indianer bei den Rau-
dales verſicherten mich alle, niemals ein goldfarbiges Weibchen
geſehen zu haben.

Unter den Affen, welche die Indianer in Paramara zu
Markte gebracht, ſahen wir mehrere Spielarten des Saï, 1
der der kleinen Gruppe der Winſelaffen angehört, die in den
ſpaniſchen Kolonieen Matchi heißen, ferner Marimondas 2
oder Atelen mit rotem Bauche, Titi und Viuditas. Die
beiden letzteren Arten intereſſierten uns beſonders, und wir
kauften ſie, um ſie nach Europa zu ſchicken. 3 Buffons Uiſtiti 4
iſt Azzaras Titi, der Titi 5 von Cartagena und Darien
iſt Büffons Pinche, und der Titi 6 vom Orinoko iſt der
Saïmiri der franzöſiſchen Zoologen, und dieſe Tiere dürfen
nicht verwechſelt werden. In den verſchiedenen ſpaniſchen
Kolonieen heißen Titi Affen, die drei verſchiedenen Unter-
gattungen angehören und in der Zahl der Backenzähne von-
einander abweichen. Nach dem eben Angeführten iſt die Be-
merkung faſt überflüſſig, wie wünſchenswert es wäre, daß
man in wiſſenſchaftlichen Werken ſich der landesüblichen Namen
enthielte, die durch unſere Orthographie entſtellt werden, die
in jeder Provinz wieder anders lauten, und ſo die klägliche
Verwirrung in der zoologiſchen Nomenklatur vermehren.

Der Titi vom Orinoko (Simia sciurea), bis jetzt
ſchlecht abgebildet, indeſſen in unſeren Sammlungen ſehr be-
kannt, heißt bei den Maypuresindianern Bititeni. Er kommt
ſüdlich von den Katarakten ſehr häufig vor. Er hat ein weißes
Geſicht und über Mund und Naſenſpitze weg einen kleinen
blauſchwarzen Fleck. Die am zierlichſten gebauten und am
ſchönſten gefärbten (der Pelz iſt goldgelb) kommen von den
Ufern des Caſſiquiare. Die man am Guaviare fängt, ſind
groß und ſchwer zu zähmen. Kein anderer Affe ſieht im
Geſichte einem Kinde ſo ähnlich wie der Titi; es iſt derſelbe
Ausdruck von Unſchuld, dasſelbe ſchalkhafte Lächeln, derſelbe

1 Simia capucina.
2 Simia Belzebuth.
3 Einen ſchönen Saïmiri oder Titi vom Orinoko kauft man
in Paramara für 8 bis 9 Piaſter; der Miſſionär bezahlt dem In-
dianer, der den Affen gefangen und gezähmt, 1½ Piaſter.
4 Simia Jacobus.
5 Simia Oedipus.
6 Simia sciurea.
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[74/0082] dunkelfarbig, olivenbraun bleibt. Die Indianer bei den Rau- dales verſicherten mich alle, niemals ein goldfarbiges Weibchen geſehen zu haben. Unter den Affen, welche die Indianer in Paramara zu Markte gebracht, ſahen wir mehrere Spielarten des Saï, 1 der der kleinen Gruppe der Winſelaffen angehört, die in den ſpaniſchen Kolonieen Matchi heißen, ferner Marimondas 2 oder Atelen mit rotem Bauche, Titi und Viuditas. Die beiden letzteren Arten intereſſierten uns beſonders, und wir kauften ſie, um ſie nach Europa zu ſchicken. 3 Buffons Uiſtiti 4 iſt Azzaras Titi, der Titi 5 von Cartagena und Darien iſt Büffons Pinche, und der Titi 6 vom Orinoko iſt der Saïmiri der franzöſiſchen Zoologen, und dieſe Tiere dürfen nicht verwechſelt werden. In den verſchiedenen ſpaniſchen Kolonieen heißen Titi Affen, die drei verſchiedenen Unter- gattungen angehören und in der Zahl der Backenzähne von- einander abweichen. Nach dem eben Angeführten iſt die Be- merkung faſt überflüſſig, wie wünſchenswert es wäre, daß man in wiſſenſchaftlichen Werken ſich der landesüblichen Namen enthielte, die durch unſere Orthographie entſtellt werden, die in jeder Provinz wieder anders lauten, und ſo die klägliche Verwirrung in der zoologiſchen Nomenklatur vermehren. Der Titi vom Orinoko (Simia sciurea), bis jetzt ſchlecht abgebildet, indeſſen in unſeren Sammlungen ſehr be- kannt, heißt bei den Maypuresindianern Bititeni. Er kommt ſüdlich von den Katarakten ſehr häufig vor. Er hat ein weißes Geſicht und über Mund und Naſenſpitze weg einen kleinen blauſchwarzen Fleck. Die am zierlichſten gebauten und am ſchönſten gefärbten (der Pelz iſt goldgelb) kommen von den Ufern des Caſſiquiare. Die man am Guaviare fängt, ſind groß und ſchwer zu zähmen. Kein anderer Affe ſieht im Geſichte einem Kinde ſo ähnlich wie der Titi; es iſt derſelbe Ausdruck von Unſchuld, dasſelbe ſchalkhafte Lächeln, derſelbe 1 Simia capucina. 2 Simia Belzebuth. 3 Einen ſchönen Saïmiri oder Titi vom Orinoko kauft man in Paramara für 8 bis 9 Piaſter; der Miſſionär bezahlt dem In- dianer, der den Affen gefangen und gezähmt, 1½ Piaſter. 4 Simia Jacobus. 5 Simia Oedipus. 6 Simia sciurea.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/82>, abgerufen am 24.11.2024.