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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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unserer Reise in Europa unbekannt war, sich technisch nützlich
verwenden ließe. Am Orinoko wird diese Farbe am besten
von den Völkerschaften der Salivas, Guipunaves, Caveres
und Piraroas bereitet. Die meisten Völker am Orinoko
können mit dem Infundieren und Macerieren gut umgehen.
So treiben die Maypures ihren Tauschhandel mit kleinen
Broten von Pucuma, einem Pflanzenmehl, das wie der
Indigo getrocknet wird und eine sehr dauerhafte gelbe Farbe
liefert. Die Chemie des Wilden beschränkt sich auf die Be-
reitung von Farbstoffen und von Giften und auf das Aus-
süßen der stärkemehlhaltigen Wurzeln der Arumarten und der
Euphorbien.

Die meisten Missionäre am oberen und unteren Orinoko
gestatten den Indianern in ihren Missionen, sich die Haut zu
bemalen. Leider gibt es manche, die auf die Nacktheit der
Eingeborenen spekulieren. Da die Mönche nicht Leinwand
und Kleider an sie verkaufen können, so handeln sie mit roter
Farbe, die bei den Eingeborenen so sehr gesucht ist. Oft sah
ich in ihren Hütten, die vornehm Conventos heißen, Nieder-
lagen von Chica. Der Kuchen, die Turtu, wird bis zu vier
Franken verkauft. Um einen Begriff zu geben, welchen Luxus
die nackten Indianer mit ihrem Putze treiben, bemerke ich
hier, daß ein hochgewachsener Mann durch zweiwöchentliche
Arbeit kaum genug verdient, um sich durch Tausch so viel
Chica zu verschaffen, daß er sich rot bemalen kann. Wie man
daher in gemäßigten Ländern von einem armen Menschen sagt,
er habe nicht die Mittel, sich zu kleiden, so hört man die In-
dianer am Orinoko sagen: "Der Mensch ist so elend, daß er
sich den Leib nicht einmal halb malen kann." Der kleine
Handel mit Chica wird besonders mit den Stämmen am
unteren Orinoko getrieben, in deren Land die Pflanze, die
den kostbaren Stoff liefert, nicht wächst. Die Kariben und
Otomaken färben sich bloß Gesicht und Haare mit Chica, aber
den Salivas steht die Farbe in solcher Menge zu Gebote, daß
sie den ganzen Körper damit überziehen können. Wenn die
Missionäre nach Angostura auf ihre Rechnung kleine Sen-
dungen von Kakao, Tabak und Chiquichiqui 1 vom Rio
Negro machen, so packen sie immer auch Chicakuchen, als
einen sehr gesuchten Artikel, bei. Manche Leute europäischer

1 Stricke aus den Blattstielen einer Palme mit gefiederten
Blättern, von der unten die Rede sein wird.

unſerer Reiſe in Europa unbekannt war, ſich techniſch nützlich
verwenden ließe. Am Orinoko wird dieſe Farbe am beſten
von den Völkerſchaften der Salivas, Guipunaves, Caveres
und Piraroas bereitet. Die meiſten Völker am Orinoko
können mit dem Infundieren und Macerieren gut umgehen.
So treiben die Maypures ihren Tauſchhandel mit kleinen
Broten von Pucuma, einem Pflanzenmehl, das wie der
Indigo getrocknet wird und eine ſehr dauerhafte gelbe Farbe
liefert. Die Chemie des Wilden beſchränkt ſich auf die Be-
reitung von Farbſtoffen und von Giften und auf das Aus-
ſüßen der ſtärkemehlhaltigen Wurzeln der Arumarten und der
Euphorbien.

Die meiſten Miſſionäre am oberen und unteren Orinoko
geſtatten den Indianern in ihren Miſſionen, ſich die Haut zu
bemalen. Leider gibt es manche, die auf die Nacktheit der
Eingeborenen ſpekulieren. Da die Mönche nicht Leinwand
und Kleider an ſie verkaufen können, ſo handeln ſie mit roter
Farbe, die bei den Eingeborenen ſo ſehr geſucht iſt. Oft ſah
ich in ihren Hütten, die vornehm Conventos heißen, Nieder-
lagen von Chica. Der Kuchen, die Turtu, wird bis zu vier
Franken verkauft. Um einen Begriff zu geben, welchen Luxus
die nackten Indianer mit ihrem Putze treiben, bemerke ich
hier, daß ein hochgewachſener Mann durch zweiwöchentliche
Arbeit kaum genug verdient, um ſich durch Tauſch ſo viel
Chica zu verſchaffen, daß er ſich rot bemalen kann. Wie man
daher in gemäßigten Ländern von einem armen Menſchen ſagt,
er habe nicht die Mittel, ſich zu kleiden, ſo hört man die In-
dianer am Orinoko ſagen: „Der Menſch iſt ſo elend, daß er
ſich den Leib nicht einmal halb malen kann.“ Der kleine
Handel mit Chica wird beſonders mit den Stämmen am
unteren Orinoko getrieben, in deren Land die Pflanze, die
den koſtbaren Stoff liefert, nicht wächſt. Die Kariben und
Otomaken färben ſich bloß Geſicht und Haare mit Chica, aber
den Salivas ſteht die Farbe in ſolcher Menge zu Gebote, daß
ſie den ganzen Körper damit überziehen können. Wenn die
Miſſionäre nach Angoſtura auf ihre Rechnung kleine Sen-
dungen von Kakao, Tabak und Chiquichiqui 1 vom Rio
Negro machen, ſo packen ſie immer auch Chicakuchen, als
einen ſehr geſuchten Artikel, bei. Manche Leute europäiſcher

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[68/0076] unſerer Reiſe in Europa unbekannt war, ſich techniſch nützlich verwenden ließe. Am Orinoko wird dieſe Farbe am beſten von den Völkerſchaften der Salivas, Guipunaves, Caveres und Piraroas bereitet. Die meiſten Völker am Orinoko können mit dem Infundieren und Macerieren gut umgehen. So treiben die Maypures ihren Tauſchhandel mit kleinen Broten von Pucuma, einem Pflanzenmehl, das wie der Indigo getrocknet wird und eine ſehr dauerhafte gelbe Farbe liefert. Die Chemie des Wilden beſchränkt ſich auf die Be- reitung von Farbſtoffen und von Giften und auf das Aus- ſüßen der ſtärkemehlhaltigen Wurzeln der Arumarten und der Euphorbien. Die meiſten Miſſionäre am oberen und unteren Orinoko geſtatten den Indianern in ihren Miſſionen, ſich die Haut zu bemalen. Leider gibt es manche, die auf die Nacktheit der Eingeborenen ſpekulieren. Da die Mönche nicht Leinwand und Kleider an ſie verkaufen können, ſo handeln ſie mit roter Farbe, die bei den Eingeborenen ſo ſehr geſucht iſt. Oft ſah ich in ihren Hütten, die vornehm Conventos heißen, Nieder- lagen von Chica. Der Kuchen, die Turtu, wird bis zu vier Franken verkauft. Um einen Begriff zu geben, welchen Luxus die nackten Indianer mit ihrem Putze treiben, bemerke ich hier, daß ein hochgewachſener Mann durch zweiwöchentliche Arbeit kaum genug verdient, um ſich durch Tauſch ſo viel Chica zu verſchaffen, daß er ſich rot bemalen kann. Wie man daher in gemäßigten Ländern von einem armen Menſchen ſagt, er habe nicht die Mittel, ſich zu kleiden, ſo hört man die In- dianer am Orinoko ſagen: „Der Menſch iſt ſo elend, daß er ſich den Leib nicht einmal halb malen kann.“ Der kleine Handel mit Chica wird beſonders mit den Stämmen am unteren Orinoko getrieben, in deren Land die Pflanze, die den koſtbaren Stoff liefert, nicht wächſt. Die Kariben und Otomaken färben ſich bloß Geſicht und Haare mit Chica, aber den Salivas ſteht die Farbe in ſolcher Menge zu Gebote, daß ſie den ganzen Körper damit überziehen können. Wenn die Miſſionäre nach Angoſtura auf ihre Rechnung kleine Sen- dungen von Kakao, Tabak und Chiquichiqui 1 vom Rio Negro machen, ſo packen ſie immer auch Chicakuchen, als einen ſehr geſuchten Artikel, bei. Manche Leute europäiſcher 1 Stricke aus den Blattſtielen einer Palme mit gefiederten Blättern, von der unten die Rede ſein wird.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/76>, abgerufen am 24.11.2024.