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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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aus dem Boden schlüpfen. Die Indianer behaupten, das
junge Tier scheue die Sonnenhitze. Sie wollten uns auch
zeigen, wie der Tortuguillo, wenn man ihn in einem Sack
weit weg vom Ufer trägt und so an den Boden setzt, daß er
dem Flusse den Rücken kehrt, alsbald den kürzesten Weg zum
Wasser einschlägt. Ich gestehe, daß dieses Experiment, von
dem schon Pater Gumilla spricht, nicht immer gleich gut ge-
lingt; meist aber schienen mir die kleinen Tiere sehr weit
vom Ufer, selbst auf einer Insel, mit äußerst feinem Gefühl
zu spüren, von woher die feuchteste Luft weht. Bedenkt man,
wie weit sich die Eierschicht fast ohne Unterbrechung am Ufer
hin erstreckt, und wie viele Tausende kleiner Schildkröten gleich
nach dem Ausschlüpfen dem Wasser zugehen, so läßt sich nicht
wohl annehmen, daß so viele Schildkröten, die am selben Orte
ihre Nester gegraben, ihre Jungen herausfinden und sie, wie
die Krokodile thun, in die Lachen am Orinoko führen können.
So viel ist aber gewiß, daß das Tier seine ersten Lebensjahre
in den seichtesten Lachen zubringt und erst, wenn es erwachsen
ist, in das große Flußbett geht. Wie finden nun die Tortu-
guillos diese Lachen? Werden sie von weiblichen Schildkröten
hingeführt, die sich ihrer annehmen, wie sie ihnen aufstoßen?
Die Krokodile, deren weit nicht so viele sind, legen ihre Eier
in abgesonderte Löcher, und wir werden bald sehen, daß in
dieser Eidechsenfamilie das Weibchen gegen das Ende der
Brutzeit wieder hinkommt, den Jungen ruft, die darauf ant-
worten, und ihnen meist aus dem Boden hilft. Die Arrau-
schildkröte erkennt sicher, so gut wie das Krokodil, den Ort
wieder, wo sie ihr Nest gemacht; da sie aber nicht wagt,
wieder zum Ufer zu kommen, wo die Indianer ihr Lager auf-
geschlagen haben, wie könnte sie ihre Jungen von fremden
Tortuguillos unterscheiden? Andererseits wollen die Otomaken
beim Hochwasser weibliche Schildkröten gesehen haben, die eine
ganze Menge junger Schildkröten hinter sich hatten. Dies
waren vielleicht Arrau, die allein an einem einsamen Ufer
gelegt hatten, zu dem sie wieder kommen konnten. Männ-
liche Tiere sind unter den Schildkröten sehr selten; unter
mehreren Hunderten trifft man kaum eines. Der Grund
dieser Erscheinung kann hier nicht derselbe sein wie bei den
Krokodilen, die in der Brunst einander blutige Gefechte liefern.

Unser Steuermann war in die Playa de Huevos ein-
gelaufen, um einige Mundvorräte zu kaufen, die bei uns auf
die Neige gingen. Wir fanden daselbst frisches Fleisch, Reis

aus dem Boden ſchlüpfen. Die Indianer behaupten, das
junge Tier ſcheue die Sonnenhitze. Sie wollten uns auch
zeigen, wie der Tortuguillo, wenn man ihn in einem Sack
weit weg vom Ufer trägt und ſo an den Boden ſetzt, daß er
dem Fluſſe den Rücken kehrt, alsbald den kürzeſten Weg zum
Waſſer einſchlägt. Ich geſtehe, daß dieſes Experiment, von
dem ſchon Pater Gumilla ſpricht, nicht immer gleich gut ge-
lingt; meiſt aber ſchienen mir die kleinen Tiere ſehr weit
vom Ufer, ſelbſt auf einer Inſel, mit äußerſt feinem Gefühl
zu ſpüren, von woher die feuchteſte Luft weht. Bedenkt man,
wie weit ſich die Eierſchicht faſt ohne Unterbrechung am Ufer
hin erſtreckt, und wie viele Tauſende kleiner Schildkröten gleich
nach dem Ausſchlüpfen dem Waſſer zugehen, ſo läßt ſich nicht
wohl annehmen, daß ſo viele Schildkröten, die am ſelben Orte
ihre Neſter gegraben, ihre Jungen herausfinden und ſie, wie
die Krokodile thun, in die Lachen am Orinoko führen können.
So viel iſt aber gewiß, daß das Tier ſeine erſten Lebensjahre
in den ſeichteſten Lachen zubringt und erſt, wenn es erwachſen
iſt, in das große Flußbett geht. Wie finden nun die Tortu-
guillos dieſe Lachen? Werden ſie von weiblichen Schildkröten
hingeführt, die ſich ihrer annehmen, wie ſie ihnen aufſtoßen?
Die Krokodile, deren weit nicht ſo viele ſind, legen ihre Eier
in abgeſonderte Löcher, und wir werden bald ſehen, daß in
dieſer Eidechſenfamilie das Weibchen gegen das Ende der
Brutzeit wieder hinkommt, den Jungen ruft, die darauf ant-
worten, und ihnen meiſt aus dem Boden hilft. Die Arrau-
ſchildkröte erkennt ſicher, ſo gut wie das Krokodil, den Ort
wieder, wo ſie ihr Neſt gemacht; da ſie aber nicht wagt,
wieder zum Ufer zu kommen, wo die Indianer ihr Lager auf-
geſchlagen haben, wie könnte ſie ihre Jungen von fremden
Tortuguillos unterſcheiden? Andererſeits wollen die Otomaken
beim Hochwaſſer weibliche Schildkröten geſehen haben, die eine
ganze Menge junger Schildkröten hinter ſich hatten. Dies
waren vielleicht Arrau, die allein an einem einſamen Ufer
gelegt hatten, zu dem ſie wieder kommen konnten. Männ-
liche Tiere ſind unter den Schildkröten ſehr ſelten; unter
mehreren Hunderten trifft man kaum eines. Der Grund
dieſer Erſcheinung kann hier nicht derſelbe ſein wie bei den
Krokodilen, die in der Brunſt einander blutige Gefechte liefern.

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gelaufen, um einige Mundvorräte zu kaufen, die bei uns auf
die Neige gingen. Wir fanden daſelbſt friſches Fleiſch, Reis

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[57/0065] aus dem Boden ſchlüpfen. Die Indianer behaupten, das junge Tier ſcheue die Sonnenhitze. Sie wollten uns auch zeigen, wie der Tortuguillo, wenn man ihn in einem Sack weit weg vom Ufer trägt und ſo an den Boden ſetzt, daß er dem Fluſſe den Rücken kehrt, alsbald den kürzeſten Weg zum Waſſer einſchlägt. Ich geſtehe, daß dieſes Experiment, von dem ſchon Pater Gumilla ſpricht, nicht immer gleich gut ge- lingt; meiſt aber ſchienen mir die kleinen Tiere ſehr weit vom Ufer, ſelbſt auf einer Inſel, mit äußerſt feinem Gefühl zu ſpüren, von woher die feuchteſte Luft weht. Bedenkt man, wie weit ſich die Eierſchicht faſt ohne Unterbrechung am Ufer hin erſtreckt, und wie viele Tauſende kleiner Schildkröten gleich nach dem Ausſchlüpfen dem Waſſer zugehen, ſo läßt ſich nicht wohl annehmen, daß ſo viele Schildkröten, die am ſelben Orte ihre Neſter gegraben, ihre Jungen herausfinden und ſie, wie die Krokodile thun, in die Lachen am Orinoko führen können. So viel iſt aber gewiß, daß das Tier ſeine erſten Lebensjahre in den ſeichteſten Lachen zubringt und erſt, wenn es erwachſen iſt, in das große Flußbett geht. Wie finden nun die Tortu- guillos dieſe Lachen? Werden ſie von weiblichen Schildkröten hingeführt, die ſich ihrer annehmen, wie ſie ihnen aufſtoßen? Die Krokodile, deren weit nicht ſo viele ſind, legen ihre Eier in abgeſonderte Löcher, und wir werden bald ſehen, daß in dieſer Eidechſenfamilie das Weibchen gegen das Ende der Brutzeit wieder hinkommt, den Jungen ruft, die darauf ant- worten, und ihnen meiſt aus dem Boden hilft. Die Arrau- ſchildkröte erkennt ſicher, ſo gut wie das Krokodil, den Ort wieder, wo ſie ihr Neſt gemacht; da ſie aber nicht wagt, wieder zum Ufer zu kommen, wo die Indianer ihr Lager auf- geſchlagen haben, wie könnte ſie ihre Jungen von fremden Tortuguillos unterſcheiden? Andererſeits wollen die Otomaken beim Hochwaſſer weibliche Schildkröten geſehen haben, die eine ganze Menge junger Schildkröten hinter ſich hatten. Dies waren vielleicht Arrau, die allein an einem einſamen Ufer gelegt hatten, zu dem ſie wieder kommen konnten. Männ- liche Tiere ſind unter den Schildkröten ſehr ſelten; unter mehreren Hunderten trifft man kaum eines. Der Grund dieſer Erſcheinung kann hier nicht derſelbe ſein wie bei den Krokodilen, die in der Brunſt einander blutige Gefechte liefern. Unſer Steuermann war in die Playa de Huevos ein- gelaufen, um einige Mundvorräte zu kaufen, die bei uns auf die Neige gingen. Wir fanden daſelbſt friſches Fleiſch, Reis

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/65>, abgerufen am 22.11.2024.