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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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anzustrengen, wenn man sein Leben lang über die Hitze und
die Stiche der Moskiten zu klagen hat?

Die Oelhändler haben 70 bis 80 Prozent Gewinn; denn
die Indianer verkaufen den Krug oder die Botija für einen
harten Piaster an sie, und die Transportkosten machen für den
Krug nur zwei Fünftel Piaster. Die Indianer, welche die
Cosecha de huevos mitmachen, bringen auch ganze Massen
an der Sonne getrockneter oder leicht gesottener Eier nach
Hause. Unsere Ruderer hatten immer welche in Körben oder
kleinen Säcken von Baumwollenzeug. Der Geschmack kam uns
nicht unangenehm vor, wenn sie gut erhalten sind. Man
zeigte uns große, von Jaguaren geleerte Schildkrötenpanzer.
Die Tiger gehen den Arrau auf die Uferstriche nach, wo sie
legen wollen. Sie überfallen sie auf dem Sande, und um
sie gemächlich verzehren zu können, kehren sie sie um, so daß
der Brustschild nach oben sieht. Aus dieser Lage können die
Schildkröten sich nicht aufrichten, und da der Tiger ihrer
weit mehr umwendet, als er in der Nacht verzehren kann,
so machen sich die Indianer häufig seine List und seine bos-
hafte Habsucht zu nutze.

Wenn man bedenkt, wie schwer der reisende Naturforscher
den Körper der Schildkröte herausbringt, wenn er Rücken-
und Brustschild nicht trennen will, so kann man die Gewandt-
heit des Tigers nicht genug bewundern, der mit seiner Tatze
den Doppelschild des Arrau leert, als wären die Ansätze der
Muskeln mit einem chirurgischen Instrumente losgetrennt.
Der Tiger verfolgt die Schildkröte sogar ins Wasser, wenn
dieses nicht sehr tief ist. Er gräbt auch die Eier aus und
ist nächst dem Krokodil, den Reihern und dem Gallinazogeier
der furchtbarste Feind der frisch ausgeschlüpften Schildkröten.
Im verflossenen Jahre wurde die Insel Pararuma während
der Eierernte von so vielen Krokodilen heimgesucht, daß die
Indianer in einer einzigen Nacht ihrer 18, 4 bis 5 m lange,
mit hakenförmigen Eisen und Seekuhfleisch daran, fingen.
Außer den eben erwähnten Waldtieren thun auch die wilden
Indianer der Oelbereitung bedeutenden Eintrag. Sobald die
ersten kleinen Regenschauer, von ihnen "Schildkrötenregen"
genannt, sich einstellen, ziehen sie an die Ufer des Orinoko
und töten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, die mit
emporgerecktem Kopf und ausgestreckten Tatzen sich sonnen.

Die jungen Schildkröten (tortuguillos) zerbrechen die
Eischale bei Tage, man sieht sie aber nie anders als bei Nacht

anzuſtrengen, wenn man ſein Leben lang über die Hitze und
die Stiche der Moskiten zu klagen hat?

Die Oelhändler haben 70 bis 80 Prozent Gewinn; denn
die Indianer verkaufen den Krug oder die Botija für einen
harten Piaſter an ſie, und die Transportkoſten machen für den
Krug nur zwei Fünftel Piaſter. Die Indianer, welche die
Cosecha de huevos mitmachen, bringen auch ganze Maſſen
an der Sonne getrockneter oder leicht geſottener Eier nach
Hauſe. Unſere Ruderer hatten immer welche in Körben oder
kleinen Säcken von Baumwollenzeug. Der Geſchmack kam uns
nicht unangenehm vor, wenn ſie gut erhalten ſind. Man
zeigte uns große, von Jaguaren geleerte Schildkrötenpanzer.
Die Tiger gehen den Arrau auf die Uferſtriche nach, wo ſie
legen wollen. Sie überfallen ſie auf dem Sande, und um
ſie gemächlich verzehren zu können, kehren ſie ſie um, ſo daß
der Bruſtſchild nach oben ſieht. Aus dieſer Lage können die
Schildkröten ſich nicht aufrichten, und da der Tiger ihrer
weit mehr umwendet, als er in der Nacht verzehren kann,
ſo machen ſich die Indianer häufig ſeine Liſt und ſeine bos-
hafte Habſucht zu nutze.

Wenn man bedenkt, wie ſchwer der reiſende Naturforſcher
den Körper der Schildkröte herausbringt, wenn er Rücken-
und Bruſtſchild nicht trennen will, ſo kann man die Gewandt-
heit des Tigers nicht genug bewundern, der mit ſeiner Tatze
den Doppelſchild des Arrau leert, als wären die Anſätze der
Muskeln mit einem chirurgiſchen Inſtrumente losgetrennt.
Der Tiger verfolgt die Schildkröte ſogar ins Waſſer, wenn
dieſes nicht ſehr tief iſt. Er gräbt auch die Eier aus und
iſt nächſt dem Krokodil, den Reihern und dem Gallinazogeier
der furchtbarſte Feind der friſch ausgeſchlüpften Schildkröten.
Im verfloſſenen Jahre wurde die Inſel Pararuma während
der Eierernte von ſo vielen Krokodilen heimgeſucht, daß die
Indianer in einer einzigen Nacht ihrer 18, 4 bis 5 m lange,
mit hakenförmigen Eiſen und Seekuhfleiſch daran, fingen.
Außer den eben erwähnten Waldtieren thun auch die wilden
Indianer der Oelbereitung bedeutenden Eintrag. Sobald die
erſten kleinen Regenſchauer, von ihnen „Schildkrötenregen“
genannt, ſich einſtellen, ziehen ſie an die Ufer des Orinoko
und töten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, die mit
emporgerecktem Kopf und ausgeſtreckten Tatzen ſich ſonnen.

Die jungen Schildkröten (tortuguillos) zerbrechen die
Eiſchale bei Tage, man ſieht ſie aber nie anders als bei Nacht

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[56/0064] anzuſtrengen, wenn man ſein Leben lang über die Hitze und die Stiche der Moskiten zu klagen hat? Die Oelhändler haben 70 bis 80 Prozent Gewinn; denn die Indianer verkaufen den Krug oder die Botija für einen harten Piaſter an ſie, und die Transportkoſten machen für den Krug nur zwei Fünftel Piaſter. Die Indianer, welche die Cosecha de huevos mitmachen, bringen auch ganze Maſſen an der Sonne getrockneter oder leicht geſottener Eier nach Hauſe. Unſere Ruderer hatten immer welche in Körben oder kleinen Säcken von Baumwollenzeug. Der Geſchmack kam uns nicht unangenehm vor, wenn ſie gut erhalten ſind. Man zeigte uns große, von Jaguaren geleerte Schildkrötenpanzer. Die Tiger gehen den Arrau auf die Uferſtriche nach, wo ſie legen wollen. Sie überfallen ſie auf dem Sande, und um ſie gemächlich verzehren zu können, kehren ſie ſie um, ſo daß der Bruſtſchild nach oben ſieht. Aus dieſer Lage können die Schildkröten ſich nicht aufrichten, und da der Tiger ihrer weit mehr umwendet, als er in der Nacht verzehren kann, ſo machen ſich die Indianer häufig ſeine Liſt und ſeine bos- hafte Habſucht zu nutze. Wenn man bedenkt, wie ſchwer der reiſende Naturforſcher den Körper der Schildkröte herausbringt, wenn er Rücken- und Bruſtſchild nicht trennen will, ſo kann man die Gewandt- heit des Tigers nicht genug bewundern, der mit ſeiner Tatze den Doppelſchild des Arrau leert, als wären die Anſätze der Muskeln mit einem chirurgiſchen Inſtrumente losgetrennt. Der Tiger verfolgt die Schildkröte ſogar ins Waſſer, wenn dieſes nicht ſehr tief iſt. Er gräbt auch die Eier aus und iſt nächſt dem Krokodil, den Reihern und dem Gallinazogeier der furchtbarſte Feind der friſch ausgeſchlüpften Schildkröten. Im verfloſſenen Jahre wurde die Inſel Pararuma während der Eierernte von ſo vielen Krokodilen heimgeſucht, daß die Indianer in einer einzigen Nacht ihrer 18, 4 bis 5 m lange, mit hakenförmigen Eiſen und Seekuhfleiſch daran, fingen. Außer den eben erwähnten Waldtieren thun auch die wilden Indianer der Oelbereitung bedeutenden Eintrag. Sobald die erſten kleinen Regenſchauer, von ihnen „Schildkrötenregen“ genannt, ſich einſtellen, ziehen ſie an die Ufer des Orinoko und töten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, die mit emporgerecktem Kopf und ausgeſtreckten Tatzen ſich ſonnen. Die jungen Schildkröten (tortuguillos) zerbrechen die Eiſchale bei Tage, man ſieht ſie aber nie anders als bei Nacht

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/64>, abgerufen am 25.11.2024.