Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Krokodil des Apure und Orinoko auf dem Lande nicht an- Beim Joval wird der Charakter der Landschaft groß- Im Weiterfahren flußabwärts sahen wir die große Herde 1 Eine Mimosenart.
Krokodil des Apure und Orinoko auf dem Lande nicht an- Beim Joval wird der Charakter der Landſchaft groß- Im Weiterfahren flußabwärts ſahen wir die große Herde 1 Eine Mimoſenart.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0031" n="23"/> Krokodil des Apure und Orinoko auf dem Lande nicht an-<lb/> greift, der Gegenſtand, den es packen will, müßte ihm denn<lb/> im Augenblicke, wo es ſich ins Waſſer wirft, in den Weg<lb/> kommen.</p><lb/> <p>Beim <hi rendition="#g">Joval</hi> wird der Charakter der Landſchaft groß-<lb/> artig wild. Hier ſahen wir den größten Tiger, der uns je<lb/> vorgekommen. Selbſt die Indianer erſtaunten über ſeine un-<lb/> geheure Länge; er war größer als alle indiſchen Tiger, die<lb/> ich in Europa in Menagerien geſehen. Das Tier lag im<lb/> Schatten eines großen Zamang. <note place="foot" n="1">Eine Mimoſenart.</note> Es hatte eben einen Chi-<lb/> guire erlegt, aber ſeine Beute noch nicht angebrochen; nur<lb/> eine ſeiner Tatzen lag darauf. Die Zamuros, eine Geierart,<lb/> die wir oben mit dem Percnopterus in Unterägypten ver-<lb/> glichen haben, hatten ſich in Scharen verſammelt, um die Reſte<lb/> vom Mahle des Jaguars zu verzehren. Sie ergötzten uns<lb/> nicht wenig durch den ſeltſamen Verein von Frechheit und<lb/> Scheu. Sie wagten ſich bis auf 60 <hi rendition="#aq">cm</hi> vom Jaguar vor,<lb/> aber bei der leiſeſten Bewegung desſelben wichen ſie zurück.<lb/> Um die Sitten dieſer Tiere noch mehr in der Nähe zu be-<lb/> obachten, beſtiegen wir das kleine Kanoe, das unſere Piroge<lb/> mit ſich führte. Sehr ſelten greift der Tiger Kähne an, indem<lb/> er danach ſchwimmt, und dies kommt nur vor, wenn durch<lb/> langen Hunger ſeine Wut gereizt iſt. Beim Geräuſch unſerer<lb/> Ruder erhob ſich das Tier langſam, um ſich hinter den Sauſo-<lb/> büſchen am Ufer zu verbergen. Den Augenblick, wo er abzog,<lb/> wollten ſich die Geier zu Nutze machen, um den Chiguire zu<lb/> verzehren; aber der Tiger machte, trotz der Nähe unſeres<lb/> Kanoe, einen Satz unter ſie und ſchleppte zornerfüllt, wie<lb/> man an ſeinem Gange und am Schlagen ſeines Schwanzes<lb/> ſah, ſeine Beute in den Wald. Die Indianer bedauerten,<lb/> daß ſie ihre Lanzen nicht bei ſich hatten, um landen und den<lb/> Tiger angreifen zu können. Sie ſind an dieſe Waffe gewöhnt<lb/> und thaten wohl, ſich nicht auf unſere Gewehre zu verlaſſen,<lb/> die in einer ſo ungemein feuchten Luft häufig verſagten.</p><lb/> <p>Im Weiterfahren flußabwärts ſahen wir die große Herde<lb/> der Chiguire, die der Tiger verjagt und aus der er ſich ein<lb/> Stück geholt hatte. Die Tiere ſahen uns ganz ruhig landen.<lb/> Manche ſaßen da und ſchienen uns zu betrachten, wobei ſie,<lb/> wie die Kaninchen, die Oberlippe bewegten. Vor den Menſchen<lb/> ſchienen ſie ſich nicht zu fürchten, aber beim Anblicke unſeres<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0031]
Krokodil des Apure und Orinoko auf dem Lande nicht an-
greift, der Gegenſtand, den es packen will, müßte ihm denn
im Augenblicke, wo es ſich ins Waſſer wirft, in den Weg
kommen.
Beim Joval wird der Charakter der Landſchaft groß-
artig wild. Hier ſahen wir den größten Tiger, der uns je
vorgekommen. Selbſt die Indianer erſtaunten über ſeine un-
geheure Länge; er war größer als alle indiſchen Tiger, die
ich in Europa in Menagerien geſehen. Das Tier lag im
Schatten eines großen Zamang. 1 Es hatte eben einen Chi-
guire erlegt, aber ſeine Beute noch nicht angebrochen; nur
eine ſeiner Tatzen lag darauf. Die Zamuros, eine Geierart,
die wir oben mit dem Percnopterus in Unterägypten ver-
glichen haben, hatten ſich in Scharen verſammelt, um die Reſte
vom Mahle des Jaguars zu verzehren. Sie ergötzten uns
nicht wenig durch den ſeltſamen Verein von Frechheit und
Scheu. Sie wagten ſich bis auf 60 cm vom Jaguar vor,
aber bei der leiſeſten Bewegung desſelben wichen ſie zurück.
Um die Sitten dieſer Tiere noch mehr in der Nähe zu be-
obachten, beſtiegen wir das kleine Kanoe, das unſere Piroge
mit ſich führte. Sehr ſelten greift der Tiger Kähne an, indem
er danach ſchwimmt, und dies kommt nur vor, wenn durch
langen Hunger ſeine Wut gereizt iſt. Beim Geräuſch unſerer
Ruder erhob ſich das Tier langſam, um ſich hinter den Sauſo-
büſchen am Ufer zu verbergen. Den Augenblick, wo er abzog,
wollten ſich die Geier zu Nutze machen, um den Chiguire zu
verzehren; aber der Tiger machte, trotz der Nähe unſeres
Kanoe, einen Satz unter ſie und ſchleppte zornerfüllt, wie
man an ſeinem Gange und am Schlagen ſeines Schwanzes
ſah, ſeine Beute in den Wald. Die Indianer bedauerten,
daß ſie ihre Lanzen nicht bei ſich hatten, um landen und den
Tiger angreifen zu können. Sie ſind an dieſe Waffe gewöhnt
und thaten wohl, ſich nicht auf unſere Gewehre zu verlaſſen,
die in einer ſo ungemein feuchten Luft häufig verſagten.
Im Weiterfahren flußabwärts ſahen wir die große Herde
der Chiguire, die der Tiger verjagt und aus der er ſich ein
Stück geholt hatte. Die Tiere ſahen uns ganz ruhig landen.
Manche ſaßen da und ſchienen uns zu betrachten, wobei ſie,
wie die Kaninchen, die Oberlippe bewegten. Vor den Menſchen
ſchienen ſie ſich nicht zu fürchten, aber beim Anblicke unſeres
1 Eine Mimoſenart.
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