die Theorie der Linien von gleicher Intensität oder isodynamischen Linien von großer Bedeutung geworden. Die Zahl der Schwingungen ist in Javita und Quito dieselbe, und doch ist die magnetische Inklination am ersteren Ort 26° 40', am zweiten 14° 85'. Nimmt man die Kraft unter dem magnetischen Aequator (in Peru) gleich 1 an, so ergibt sich für Cumana 1,1779, für Carichana 1,1575, für Javita 1,0675, für San Carlos 1,0480. In diesem Verhältnisse nimmt die Kraft von Nord nach Süd auf acht Breiten- graden zwischen 661/2 und 69° westlicher Länge von Paris ab. Ich gebe absichtlich die Meridianunterschiede an; denn ein Mathematiker, der auf dem Gebiete des Erdmagnetis- mus große Erfahrung besitzt, Hansteen, hat meine isodyna- mischen Beobachtungen einer neuen Prüfung unter- worfen und gefunden, daß die Intensität der Kraft auf demselben magnetischen Parallel nach sehr konstanten Gesetzen wechselt und daß die scheinbaren Anomalieen der Erscheinung größtenteils verschwinden, wenn man diese Gesetze kennt. Im allgemeinen steht fest, was für mich aus der ganzen Reihe meiner Beobachtungen hervorgeht, daß die Intensität der Kraft vom magnetischen Aequator gegen den Pol zunimmt; aber diese Zunahme scheint unter verschiedenen Meridianen mit ungleicher Geschwindigkeit zu erfolgen. Wenn zwei Orte dieselbe Inklination haben, so ist die Intensität westwärts vom Meridian, der mitten durch Südamerika läuft, am stärk- sten, und sie nimmt unter demselben Parallel ostwärts, Europa zu, ab. In der südlichen Halbkugel scheint sie ihr Minimum an der Ostküste von Afrika zu erreichen; sie nimmt dann unter demselben magnetischen Parallel gegen Neuholland hin wieder zu. Ich fand die Intensität der Kraft in Mexiko beinahe so groß wie in Paris, aber der Unterschied in der Inklination beträgt mehr als 31°. Meine Nadel, die unter dem magne- tischen Aequator (in Peru) 211mal schwang, hätte unter demselben Aequator auf dem Meridian der Philippinen nur 202 oder 203mal geschwungen. Dieser auffallende Unter- schied ergibt sich aus der Zusammenstellung meiner Beobach- tungen der Intensität in Santa Cruz auf Tenerifa mit denen, die Rossel daselbst sieben Jahre früher gemacht.
Die magnetischen Beobachtungen am Rio Negro sind unter allen, die aus einem großen Festlande bekannt geworden, die nächsten am magnetischen Aequator. Sie dienten somit dazu, die Lage dieses Aequators zu bestimmen, über den ich
die Theorie der Linien von gleicher Intenſität oder iſodynamiſchen Linien von großer Bedeutung geworden. Die Zahl der Schwingungen iſt in Javita und Quito dieſelbe, und doch iſt die magnetiſche Inklination am erſteren Ort 26° 40′, am zweiten 14° 85′. Nimmt man die Kraft unter dem magnetiſchen Aequator (in Peru) gleich 1 an, ſo ergibt ſich für Cumana 1,1779, für Carichana 1,1575, für Javita 1,0675, für San Carlos 1,0480. In dieſem Verhältniſſe nimmt die Kraft von Nord nach Süd auf acht Breiten- graden zwiſchen 66½ und 69° weſtlicher Länge von Paris ab. Ich gebe abſichtlich die Meridianunterſchiede an; denn ein Mathematiker, der auf dem Gebiete des Erdmagnetis- mus große Erfahrung beſitzt, Hanſteen, hat meine iſodyna- miſchen Beobachtungen einer neuen Prüfung unter- worfen und gefunden, daß die Intenſität der Kraft auf demſelben magnetiſchen Parallel nach ſehr konſtanten Geſetzen wechſelt und daß die ſcheinbaren Anomalieen der Erſcheinung größtenteils verſchwinden, wenn man dieſe Geſetze kennt. Im allgemeinen ſteht feſt, was für mich aus der ganzen Reihe meiner Beobachtungen hervorgeht, daß die Intenſität der Kraft vom magnetiſchen Aequator gegen den Pol zunimmt; aber dieſe Zunahme ſcheint unter verſchiedenen Meridianen mit ungleicher Geſchwindigkeit zu erfolgen. Wenn zwei Orte dieſelbe Inklination haben, ſo iſt die Intenſität weſtwärts vom Meridian, der mitten durch Südamerika läuft, am ſtärk- ſten, und ſie nimmt unter demſelben Parallel oſtwärts, Europa zu, ab. In der ſüdlichen Halbkugel ſcheint ſie ihr Minimum an der Oſtküſte von Afrika zu erreichen; ſie nimmt dann unter demſelben magnetiſchen Parallel gegen Neuholland hin wieder zu. Ich fand die Intenſität der Kraft in Mexiko beinahe ſo groß wie in Paris, aber der Unterſchied in der Inklination beträgt mehr als 31°. Meine Nadel, die unter dem magne- tiſchen Aequator (in Peru) 211mal ſchwang, hätte unter demſelben Aequator auf dem Meridian der Philippinen nur 202 oder 203mal geſchwungen. Dieſer auffallende Unter- ſchied ergibt ſich aus der Zuſammenſtellung meiner Beobach- tungen der Intenſität in Santa Cruz auf Tenerifa mit denen, die Roſſel daſelbſt ſieben Jahre früher gemacht.
Die magnetiſchen Beobachtungen am Rio Negro ſind unter allen, die aus einem großen Feſtlande bekannt geworden, die nächſten am magnetiſchen Aequator. Sie dienten ſomit dazu, die Lage dieſes Aequators zu beſtimmen, über den ich
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die Theorie der Linien von gleicher Intenſität oder
iſodynamiſchen Linien von großer Bedeutung geworden.
Die Zahl der Schwingungen iſt in Javita und Quito dieſelbe,
und doch iſt die magnetiſche Inklination am erſteren Ort
26° 40′, am zweiten 14° 85′. Nimmt man die Kraft unter
dem magnetiſchen Aequator (in Peru) gleich 1 an, ſo ergibt
ſich für Cumana 1,1779, für Carichana 1,1575, für Javita
1,0675, für San Carlos 1,0480. In dieſem Verhältniſſe
nimmt die Kraft von Nord nach Süd auf acht Breiten-
graden zwiſchen 66½ und 69° weſtlicher Länge von Paris
ab. Ich gebe abſichtlich die Meridianunterſchiede an; denn
ein Mathematiker, der auf dem Gebiete des Erdmagnetis-
mus große Erfahrung beſitzt, Hanſteen, hat meine iſodyna-
miſchen Beobachtungen einer neuen Prüfung unter-
worfen und gefunden, daß die Intenſität der Kraft auf
demſelben magnetiſchen Parallel nach ſehr konſtanten Geſetzen
wechſelt und daß die ſcheinbaren Anomalieen der Erſcheinung
größtenteils verſchwinden, wenn man dieſe Geſetze kennt. Im
allgemeinen ſteht feſt, was für mich aus der ganzen Reihe
meiner Beobachtungen hervorgeht, daß die Intenſität der
Kraft vom magnetiſchen Aequator gegen den Pol zunimmt;
aber dieſe Zunahme ſcheint unter verſchiedenen Meridianen
mit ungleicher Geſchwindigkeit zu erfolgen. Wenn zwei Orte
dieſelbe Inklination haben, ſo iſt die Intenſität weſtwärts
vom Meridian, der mitten durch Südamerika läuft, am ſtärk-
ſten, und ſie nimmt unter demſelben Parallel oſtwärts, Europa
zu, ab. In der ſüdlichen Halbkugel ſcheint ſie ihr Minimum
an der Oſtküſte von Afrika zu erreichen; ſie nimmt dann unter
demſelben magnetiſchen Parallel gegen Neuholland hin wieder
zu. Ich fand die Intenſität der Kraft in Mexiko beinahe
ſo groß wie in Paris, aber der Unterſchied in der Inklination
beträgt mehr als 31°. Meine Nadel, die unter dem magne-
tiſchen Aequator (in Peru) 211mal ſchwang, hätte unter
demſelben Aequator auf dem Meridian der Philippinen nur
202 oder 203mal geſchwungen. Dieſer auffallende Unter-
ſchied ergibt ſich aus der Zuſammenſtellung meiner Beobach-
tungen der Intenſität in Santa Cruz auf Tenerifa mit denen,
die Roſſel daſelbſt ſieben Jahre früher gemacht.
Die magnetiſchen Beobachtungen am Rio Negro ſind
unter allen, die aus einem großen Feſtlande bekannt geworden,
die nächſten am magnetiſchen Aequator. Sie dienten ſomit
dazu, die Lage dieſes Aequators zu beſtimmen, über den ich
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/301>, abgerufen am 16.07.2024.
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