werden bei diesem Handel mit den Portugiesen jährlich kaum für 3000 Piaster Waren eingeführt.
Die Ufer des oberen Rio Negro werden mehr ertragen, wenn einmal mit Ausrodung der Wälder die übermäßige Feuchtigkeit der Luft und des Bodens abnimmt und die In- sekten, welche Wurzeln und Blätter der krautartigen Gewächse verzehren, sich vermindern. Beim gegenwärtigen Zustand des Ackerbaues kommt der Mais fast gar nicht fort; der Tabak, der auf den Küsten von Caracas von ausgezeichneter Güte und sehr gesucht ist, kann eigentlich nur auf alten Bau- stätten, bei zerfallenen Hütten, bei pueblo viejo, gebaut werden. Infolge der nomadischen Lebensweise der Eingeborenen fehlt es nun nicht an solchen Baustätten, wo der Boden um- gebrochen worden und der Luft ausgesetzt gewesen, ohne daß etwas darauf wuchs. Der Tabak, der in frisch ausgerodeten Wäldern gepflanzt wird, ist wässerig und ohne Arom. Bei den Dörfern Maroa, Davipe und Tomo ist der Indigo ver- wildert. Unter einer anderen Verwaltung, als wir sie im Lande getroffen, wird der Rio Negro eines Tages Indigo, Kaffee, Kakao, Mais und Reis im Ueberfluß erzeugen.
Da man von der Mündung des Rio Negro nach Gran- Para in 20 bis 25 Tagen fährt, so hätten wir den Amazonen- strom hinab bis zur Küste von Brasilien nicht viel mehr Zeit gebraucht, als um über den Cassiquiare und den Orinoko an die Nordküste von Caracas zurückzukehren. Wir hörten in San Carlos, der politischen Verhältnisse wegen sei im Augen- blick aus den spanischen Besitzungen schwer in die portugie- sischen zu kommen; aber erst nach unserer Rückkehr nach Europa sahen wir in vollem Umfang, welcher Gefahr wir uns ausgesetzt hätten, wenn wir bis Barcellos hinabgegangen wären. Man hatte in Brasilien, vielleicht aus den Zeitungen, deren wohlwollender, unüberlegter Eifer schon manchem Reisen- den Unheil gebracht hat, erfahren, ich werde in die Missionen am Rio Negro kommen und den natürlichen Kanal unter- suchen, der zwei große Stromsysteme verbindet. In diesen öden Wäldern hatte man Instrumente nie anders als in den Händen der Grenzkommission gesehen, und die Unterbeamten der portugiesischen Regierung hatten bis dahin so wenig als der gute Missionär, von dem in einem früheren Kapitel die Rede war, einen Begriff davon, wie ein vernünftiger Mensch eine lange, beschwerliche Reise unternehmen kann, "um Land zu vermessen, das nicht sein gehört". Es war der Befehl
werden bei dieſem Handel mit den Portugieſen jährlich kaum für 3000 Piaſter Waren eingeführt.
Die Ufer des oberen Rio Negro werden mehr ertragen, wenn einmal mit Ausrodung der Wälder die übermäßige Feuchtigkeit der Luft und des Bodens abnimmt und die In- ſekten, welche Wurzeln und Blätter der krautartigen Gewächſe verzehren, ſich vermindern. Beim gegenwärtigen Zuſtand des Ackerbaues kommt der Mais faſt gar nicht fort; der Tabak, der auf den Küſten von Caracas von ausgezeichneter Güte und ſehr geſucht iſt, kann eigentlich nur auf alten Bau- ſtätten, bei zerfallenen Hütten, bei pueblo viejo, gebaut werden. Infolge der nomadiſchen Lebensweiſe der Eingeborenen fehlt es nun nicht an ſolchen Bauſtätten, wo der Boden um- gebrochen worden und der Luft ausgeſetzt geweſen, ohne daß etwas darauf wuchs. Der Tabak, der in friſch ausgerodeten Wäldern gepflanzt wird, iſt wäſſerig und ohne Arom. Bei den Dörfern Maroa, Davipe und Tomo iſt der Indigo ver- wildert. Unter einer anderen Verwaltung, als wir ſie im Lande getroffen, wird der Rio Negro eines Tages Indigo, Kaffee, Kakao, Mais und Reis im Ueberfluß erzeugen.
Da man von der Mündung des Rio Negro nach Gran- Para in 20 bis 25 Tagen fährt, ſo hätten wir den Amazonen- ſtrom hinab bis zur Küſte von Braſilien nicht viel mehr Zeit gebraucht, als um über den Caſſiquiare und den Orinoko an die Nordküſte von Caracas zurückzukehren. Wir hörten in San Carlos, der politiſchen Verhältniſſe wegen ſei im Augen- blick aus den ſpaniſchen Beſitzungen ſchwer in die portugie- ſiſchen zu kommen; aber erſt nach unſerer Rückkehr nach Europa ſahen wir in vollem Umfang, welcher Gefahr wir uns ausgeſetzt hätten, wenn wir bis Barcellos hinabgegangen wären. Man hatte in Braſilien, vielleicht aus den Zeitungen, deren wohlwollender, unüberlegter Eifer ſchon manchem Reiſen- den Unheil gebracht hat, erfahren, ich werde in die Miſſionen am Rio Negro kommen und den natürlichen Kanal unter- ſuchen, der zwei große Stromſyſteme verbindet. In dieſen öden Wäldern hatte man Inſtrumente nie anders als in den Händen der Grenzkommiſſion geſehen, und die Unterbeamten der portugieſiſchen Regierung hatten bis dahin ſo wenig als der gute Miſſionär, von dem in einem früheren Kapitel die Rede war, einen Begriff davon, wie ein vernünftiger Menſch eine lange, beſchwerliche Reiſe unternehmen kann, „um Land zu vermeſſen, das nicht ſein gehört“. Es war der Befehl
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werden bei dieſem Handel mit den Portugieſen jährlich kaum
für 3000 Piaſter Waren eingeführt.
Die Ufer des oberen Rio Negro werden mehr ertragen,
wenn einmal mit Ausrodung der Wälder die übermäßige
Feuchtigkeit der Luft und des Bodens abnimmt und die In-
ſekten, welche Wurzeln und Blätter der krautartigen Gewächſe
verzehren, ſich vermindern. Beim gegenwärtigen Zuſtand des
Ackerbaues kommt der Mais faſt gar nicht fort; der Tabak,
der auf den Küſten von Caracas von ausgezeichneter Güte
und ſehr geſucht iſt, kann eigentlich nur auf alten Bau-
ſtätten, bei zerfallenen Hütten, bei pueblo viejo, gebaut
werden. Infolge der nomadiſchen Lebensweiſe der Eingeborenen
fehlt es nun nicht an ſolchen Bauſtätten, wo der Boden um-
gebrochen worden und der Luft ausgeſetzt geweſen, ohne daß
etwas darauf wuchs. Der Tabak, der in friſch ausgerodeten
Wäldern gepflanzt wird, iſt wäſſerig und ohne Arom. Bei
den Dörfern Maroa, Davipe und Tomo iſt der Indigo ver-
wildert. Unter einer anderen Verwaltung, als wir ſie im
Lande getroffen, wird der Rio Negro eines Tages Indigo,
Kaffee, Kakao, Mais und Reis im Ueberfluß erzeugen.
Da man von der Mündung des Rio Negro nach Gran-
Para in 20 bis 25 Tagen fährt, ſo hätten wir den Amazonen-
ſtrom hinab bis zur Küſte von Braſilien nicht viel mehr Zeit
gebraucht, als um über den Caſſiquiare und den Orinoko an
die Nordküſte von Caracas zurückzukehren. Wir hörten in
San Carlos, der politiſchen Verhältniſſe wegen ſei im Augen-
blick aus den ſpaniſchen Beſitzungen ſchwer in die portugie-
ſiſchen zu kommen; aber erſt nach unſerer Rückkehr nach
Europa ſahen wir in vollem Umfang, welcher Gefahr wir
uns ausgeſetzt hätten, wenn wir bis Barcellos hinabgegangen
wären. Man hatte in Braſilien, vielleicht aus den Zeitungen,
deren wohlwollender, unüberlegter Eifer ſchon manchem Reiſen-
den Unheil gebracht hat, erfahren, ich werde in die Miſſionen
am Rio Negro kommen und den natürlichen Kanal unter-
ſuchen, der zwei große Stromſyſteme verbindet. In dieſen
öden Wäldern hatte man Inſtrumente nie anders als in den
Händen der Grenzkommiſſion geſehen, und die Unterbeamten
der portugieſiſchen Regierung hatten bis dahin ſo wenig als
der gute Miſſionär, von dem in einem früheren Kapitel die
Rede war, einen Begriff davon, wie ein vernünftiger Menſch
eine lange, beſchwerliche Reiſe unternehmen kann, „um Land
zu vermeſſen, das nicht ſein gehört“. Es war der Befehl
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/288>, abgerufen am 16.02.2025.
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