sie zwingen wollte, den vielberufenen "Teufelstanz" zu tanzen. Der Missionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien, womit die Piaches, die Priester, Aerzte und Zauberer zu- gleich sind, den bösen Geist Jolokiamo beschwören, in bur- leskem Stil darstellen zu lassen. Er hielt den "Teufelstanz" für ein treffliches Mittel, seinen Neubekehrten darzuthun, daß Jolokiamo keine Gewalt mehr über sie habe. Einige junge Indianer ließen sich durch die Versprechungen des Missionärs bewegen, die Teufel vorzustellen, und sie hatten sich bereits mit schwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle mit lang nachschleppenden Schwänzen umgenommen. Die Soldaten, die in den Missionen liegen, um die Ermahnungen der Ordensleute eindringlicher zu machen, stellte man um den Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Fest- lichkeit herbei, die aber hinsichtlich der Folgen des Tanzes und der Ohnmacht des bösen Geistes nicht so ganz beruhigt waren. Die Partei der Alten und Furchtsamen gewann die Oberhand; eine abergläubische Angst kam über sie, alle wollten al monte laufen, und der Missionär legte seinen Plan, den Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen, der sein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was ihn an menschliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich wollte aufführen lassen, ist um so auffallender, da in allen von Missionären geschriebenen Büchern davon die Rede ist, wie sie sich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine "Totentänze", keine "Tänze der heiligen Trompete", auch nicht der alte "Schlangentanz", der Queti, bei dem vorgestellt wird, wie diese listigen Tiere aus dem Wald kommen und mit den Menschen trinken, um sie zu hintergehen und ihnen die Weiber zu entführen.
Nach zweistündiger Fahrt kamen wir von der Mündung des Tomo zu der kleinen Mission San Miguel da Davipe, die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, sondern von einem Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden. Der Missionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun- den verweilten, nahm uns sehr gastfreundlich auf und setzte uns sogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen- brot lieber gewesen. Auf die Länge fällt es einem weit schwerer, das Brot zu entbehren als geistige Getränke. Durch die Portu- giesen am Amazonenstrom kommt hie und da etwas Madera-
A. v. Humboldt, Reise. III. 18
ſie zwingen wollte, den vielberufenen „Teufelstanz“ zu tanzen. Der Miſſionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien, womit die Piaches, die Prieſter, Aerzte und Zauberer zu- gleich ſind, den böſen Geiſt Jolokiamo beſchwören, in bur- leskem Stil darſtellen zu laſſen. Er hielt den „Teufelstanz“ für ein treffliches Mittel, ſeinen Neubekehrten darzuthun, daß Jolokiamo keine Gewalt mehr über ſie habe. Einige junge Indianer ließen ſich durch die Verſprechungen des Miſſionärs bewegen, die Teufel vorzuſtellen, und ſie hatten ſich bereits mit ſchwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle mit lang nachſchleppenden Schwänzen umgenommen. Die Soldaten, die in den Miſſionen liegen, um die Ermahnungen der Ordensleute eindringlicher zu machen, ſtellte man um den Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Feſt- lichkeit herbei, die aber hinſichtlich der Folgen des Tanzes und der Ohnmacht des böſen Geiſtes nicht ſo ganz beruhigt waren. Die Partei der Alten und Furchtſamen gewann die Oberhand; eine abergläubiſche Angſt kam über ſie, alle wollten al monte laufen, und der Miſſionär legte ſeinen Plan, den Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen, der ſein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was ihn an menſchliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich wollte aufführen laſſen, iſt um ſo auffallender, da in allen von Miſſionären geſchriebenen Büchern davon die Rede iſt, wie ſie ſich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine „Totentänze“, keine „Tänze der heiligen Trompete“, auch nicht der alte „Schlangentanz“, der Queti, bei dem vorgeſtellt wird, wie dieſe liſtigen Tiere aus dem Wald kommen und mit den Menſchen trinken, um ſie zu hintergehen und ihnen die Weiber zu entführen.
Nach zweiſtündiger Fahrt kamen wir von der Mündung des Tomo zu der kleinen Miſſion San Miguel da Davipe, die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, ſondern von einem Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden. Der Miſſionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun- den verweilten, nahm uns ſehr gaſtfreundlich auf und ſetzte uns ſogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen- brot lieber geweſen. Auf die Länge fällt es einem weit ſchwerer, das Brot zu entbehren als geiſtige Getränke. Durch die Portu- gieſen am Amazonenſtrom kommt hie und da etwas Madera-
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 18
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ſie zwingen wollte, den vielberufenen „Teufelstanz“ zu tanzen.
Der Miſſionär hatte den Einfall gehabt, die Ceremonien,
womit die Piaches, die Prieſter, Aerzte und Zauberer zu-
gleich ſind, den böſen Geiſt Jolokiamo beſchwören, in bur-
leskem Stil darſtellen zu laſſen. Er hielt den „Teufelstanz“
für ein treffliches Mittel, ſeinen Neubekehrten darzuthun, daß
Jolokiamo keine Gewalt mehr über ſie habe. Einige junge
Indianer ließen ſich durch die Verſprechungen des Miſſionärs
bewegen, die Teufel vorzuſtellen, und ſie hatten ſich bereits
mit ſchwarzen und gelben Federn geputzt und die Jaguarfelle
mit lang nachſchleppenden Schwänzen umgenommen. Die
Soldaten, die in den Miſſionen liegen, um die Ermahnungen
der Ordensleute eindringlicher zu machen, ſtellte man um den
Platz vor der Kirche auf und führte die Indianer zur Feſt-
lichkeit herbei, die aber hinſichtlich der Folgen des Tanzes
und der Ohnmacht des böſen Geiſtes nicht ſo ganz beruhigt
waren. Die Partei der Alten und Furchtſamen gewann die
Oberhand; eine abergläubiſche Angſt kam über ſie, alle wollten
al monte laufen, und der Miſſionär legte ſeinen Plan, den
Teufel der Eingeborenen lächerlich zu machen, zurück. Was
für wunderliche Einfälle doch einem müßigen Mönche kommen,
der ſein Leben in den Wäldern zubringt, fern von allem, was
ihn an menſchliche Kultur mahnen könnte! Daß man in Tomo
den geheimnisvollen Teufelstanz mit aller Gewalt öffentlich
wollte aufführen laſſen, iſt um ſo auffallender, da in allen
von Miſſionären geſchriebenen Büchern davon die Rede iſt,
wie ſie ſich bemüht, daß keine Tänze aufgeführt werden, keine
„Totentänze“, keine „Tänze der heiligen Trompete“, auch nicht
der alte „Schlangentanz“, der Queti, bei dem vorgeſtellt
wird, wie dieſe liſtigen Tiere aus dem Wald kommen und
mit den Menſchen trinken, um ſie zu hintergehen und ihnen
die Weiber zu entführen.
Nach zweiſtündiger Fahrt kamen wir von der Mündung
des Tomo zu der kleinen Miſſion San Miguel da Davipe,
die im Jahr 1775 nicht von Mönchen, ſondern von einem
Milizlieutenant, Don Francisco Bobadilla, gegründet worden.
Der Miſſionär Pater Morillo, bei dem wir ein paar Stun-
den verweilten, nahm uns ſehr gaſtfreundlich auf und ſetzte
uns ſogar Maderawein vor. Als Tafelluxus wäre uns Weizen-
brot lieber geweſen. Auf die Länge fällt es einem weit ſchwerer,
das Brot zu entbehren als geiſtige Getränke. Durch die Portu-
gieſen am Amazonenſtrom kommt hie und da etwas Madera-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/281>, abgerufen am 16.02.2025.
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