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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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vielmehr eine Verbindung mit dem Rio San Felipe an, der
westlich vom Kap Nord ins Meer fällt, und auf dem nach
seiner Ansicht der Tyrann Lopez de Aguirre seine lange Fluß-
fahrt beschlossen hatte. Letztere Annahme scheint mir sehr
gewagt, wenn auch der Tyrann in seinem närrischen Briefe
an Philipp II. selbst gesteht, "er wisse nicht, wie er und die
Seinigen aus der großen Wassermasse herausgekommen".

Bis zu Acundas Reise und den schwankenden Angaben,
die er über Verbindungen mit einem anderen großen Flusse
nordwärts vom Amazonenstrome erhielt, sahen die unterrich-
tetsten Missionäre den Orinoko für eine Fortsetzung des Ca-
queta (Kaqueta, Caketa) an. "Dieser Strom," sagte Fray
Pedro Simon im Jahre 1625, "entspringt am Westabhange
des Paramo d'Iscance. Er nimmt den Papamene auf, der
von den Anden von Neiva herkommt, und heißt nacheinander
Rio Iscance, Tama (wegen des angrenzenden Gebietes der
Tamasindianer), Guayare, Baraguan und Orinoko." Nach
der Lage des Paramo d'Iscance, eines hohen Kegelberges,
den ich auf der Hochebene von Mamendoy und an den schönen
Ufern des Mayo gesehen, muß in dieser Beschreibung der
Caqueta gemeint sein. Der Rio Papamene ist der Rio de la
Fragua, der mit dem Rio Mocoa ein Hauptzweig des Caqueta
ist; wir kennen denselben von den ritterlichen Zügen Georgs
von Speier und Philipps von Hutten her.1 Die beiden Kriegs-
männer kamen an den Papamene erst, nachdem sie über den
Ariari und den Guayavero gegangen. Die Tamasindianer
sind noch jetzt am nördlichen Ufer des Caqueta eine der stärksten
Nationen; es ist also nicht zu verwundern, daß, wie Fray
Pedro Simon sagt, dieser Fluß Rio Tama genannt wurde.
Da die Quellen der Nebenflüsse des Caqueta und die Neben-
flüsse des Guaviare nahe beisammen liegen, und da dieser
einer der großen Flüsse ist, die in den Orinoko fallen, so
bildete sich mit dem Anfange des 17. Jahrhunderts die irrige
Ansicht, Caqueta (Rio de Iscance und Papamene), Guaviare
(Guayare) und Orinoko seien ein und derselbe Fluß. Niemand
war den Caqueta dem Amazonenstrome zu hinabgefahren, sonst
hätte man gesehen, daß der Fluß, der weiter unten Jupupa

1 Den berühmten Namen Hutten erkennt man in den spani-
schen Geschichtschreibern kaum wieder. Sie nennen Philipp von
Hutten, mit Wegwerfung des aspirierten H, Felipe de Uten, de Urre,
oder de Utre.

vielmehr eine Verbindung mit dem Rio San Felipe an, der
weſtlich vom Kap Nord ins Meer fällt, und auf dem nach
ſeiner Anſicht der Tyrann Lopez de Aguirre ſeine lange Fluß-
fahrt beſchloſſen hatte. Letztere Annahme ſcheint mir ſehr
gewagt, wenn auch der Tyrann in ſeinem närriſchen Briefe
an Philipp II. ſelbſt geſteht, „er wiſſe nicht, wie er und die
Seinigen aus der großen Waſſermaſſe herausgekommen“.

Bis zu Acuñas Reiſe und den ſchwankenden Angaben,
die er über Verbindungen mit einem anderen großen Fluſſe
nordwärts vom Amazonenſtrome erhielt, ſahen die unterrich-
tetſten Miſſionäre den Orinoko für eine Fortſetzung des Ca-
queta (Kaqueta, Caketa) an. „Dieſer Strom,“ ſagte Fray
Pedro Simon im Jahre 1625, „entſpringt am Weſtabhange
des Paramo d’Iscancè. Er nimmt den Papamene auf, der
von den Anden von Neiva herkommt, und heißt nacheinander
Rio Iscancè, Tama (wegen des angrenzenden Gebietes der
Tamasindianer), Guayare, Baraguan und Orinoko.“ Nach
der Lage des Paramo d’Iscancè, eines hohen Kegelberges,
den ich auf der Hochebene von Mamendoy und an den ſchönen
Ufern des Mayo geſehen, muß in dieſer Beſchreibung der
Caqueta gemeint ſein. Der Rio Papamene iſt der Rio de la
Fragua, der mit dem Rio Mocoa ein Hauptzweig des Caqueta
iſt; wir kennen denſelben von den ritterlichen Zügen Georgs
von Speier und Philipps von Hutten her.1 Die beiden Kriegs-
männer kamen an den Papamene erſt, nachdem ſie über den
Ariari und den Guayavero gegangen. Die Tamasindianer
ſind noch jetzt am nördlichen Ufer des Caqueta eine der ſtärkſten
Nationen; es iſt alſo nicht zu verwundern, daß, wie Fray
Pedro Simon ſagt, dieſer Fluß Rio Tama genannt wurde.
Da die Quellen der Nebenflüſſe des Caqueta und die Neben-
flüſſe des Guaviare nahe beiſammen liegen, und da dieſer
einer der großen Flüſſe iſt, die in den Orinoko fallen, ſo
bildete ſich mit dem Anfange des 17. Jahrhunderts die irrige
Anſicht, Caqueta (Rio de Iscancè und Papamene), Guaviare
(Guayare) und Orinoko ſeien ein und derſelbe Fluß. Niemand
war den Caqueta dem Amazonenſtrome zu hinabgefahren, ſonſt
hätte man geſehen, daß der Fluß, der weiter unten Jupupa

1 Den berühmten Namen Hutten erkennt man in den ſpani-
ſchen Geſchichtſchreibern kaum wieder. Sie nennen Philipp von
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oder de Utre.
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[260/0268] vielmehr eine Verbindung mit dem Rio San Felipe an, der weſtlich vom Kap Nord ins Meer fällt, und auf dem nach ſeiner Anſicht der Tyrann Lopez de Aguirre ſeine lange Fluß- fahrt beſchloſſen hatte. Letztere Annahme ſcheint mir ſehr gewagt, wenn auch der Tyrann in ſeinem närriſchen Briefe an Philipp II. ſelbſt geſteht, „er wiſſe nicht, wie er und die Seinigen aus der großen Waſſermaſſe herausgekommen“. Bis zu Acuñas Reiſe und den ſchwankenden Angaben, die er über Verbindungen mit einem anderen großen Fluſſe nordwärts vom Amazonenſtrome erhielt, ſahen die unterrich- tetſten Miſſionäre den Orinoko für eine Fortſetzung des Ca- queta (Kaqueta, Caketa) an. „Dieſer Strom,“ ſagte Fray Pedro Simon im Jahre 1625, „entſpringt am Weſtabhange des Paramo d’Iscancè. Er nimmt den Papamene auf, der von den Anden von Neiva herkommt, und heißt nacheinander Rio Iscancè, Tama (wegen des angrenzenden Gebietes der Tamasindianer), Guayare, Baraguan und Orinoko.“ Nach der Lage des Paramo d’Iscancè, eines hohen Kegelberges, den ich auf der Hochebene von Mamendoy und an den ſchönen Ufern des Mayo geſehen, muß in dieſer Beſchreibung der Caqueta gemeint ſein. Der Rio Papamene iſt der Rio de la Fragua, der mit dem Rio Mocoa ein Hauptzweig des Caqueta iſt; wir kennen denſelben von den ritterlichen Zügen Georgs von Speier und Philipps von Hutten her. 1 Die beiden Kriegs- männer kamen an den Papamene erſt, nachdem ſie über den Ariari und den Guayavero gegangen. Die Tamasindianer ſind noch jetzt am nördlichen Ufer des Caqueta eine der ſtärkſten Nationen; es iſt alſo nicht zu verwundern, daß, wie Fray Pedro Simon ſagt, dieſer Fluß Rio Tama genannt wurde. Da die Quellen der Nebenflüſſe des Caqueta und die Neben- flüſſe des Guaviare nahe beiſammen liegen, und da dieſer einer der großen Flüſſe iſt, die in den Orinoko fallen, ſo bildete ſich mit dem Anfange des 17. Jahrhunderts die irrige Anſicht, Caqueta (Rio de Iscancè und Papamene), Guaviare (Guayare) und Orinoko ſeien ein und derſelbe Fluß. Niemand war den Caqueta dem Amazonenſtrome zu hinabgefahren, ſonſt hätte man geſehen, daß der Fluß, der weiter unten Jupupa 1 Den berühmten Namen Hutten erkennt man in den ſpani- ſchen Geſchichtſchreibern kaum wieder. Sie nennen Philipp von Hutten, mit Wegwerfung des aſpirierten H, Felipe de Uten, de Urre, oder de Utre.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/268>, abgerufen am 24.11.2024.