Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.schuk in seinem gewöhnlichen Zustande und der bei Javita Bereits waren vier Tage verflossen und unsere Piroge 1 "Mit weißen und vernünftigen Menschen". Die europäische
Eigenliebe stellt gemeiniglich die Gente de razon und die Gente parda einander gegenüber. ſchuk in ſeinem gewöhnlichen Zuſtande und der bei Javita Bereits waren vier Tage verfloſſen und unſere Piroge 1 „Mit weißen und vernünftigen Menſchen“. Die europäiſche
Eigenliebe ſtellt gemeiniglich die Gente de razon und die Gente parda einander gegenüber. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0241" n="233"/> ſchuk in ſeinem gewöhnlichen Zuſtande und der bei Javita<lb/> gefundenen Subſtanz, von der ich Sir Joſeph Banks geſendet<lb/> hatte. Gegenwärtig kommt im Handel ein gelblich-weißer<lb/> Kautſchuk vor, den man leicht vom Dapicho unterſcheidet, da<lb/> er weder trocken wie Kork, noch zerreiblich iſt, ſondern ſehr<lb/> elaſtiſch, glänzend und ſeifenartig. Ich ſah kürzlich in London<lb/> anſehnliche Maſſen, die zwiſchen 6 und 15 Frank das Pfund<lb/> im Preiſe ſtanden. Dieſer weiße, fett anzufühlende Kautſchuk<lb/> kommt aus Oſtindien. Er hat den tieriſchen, nauſeoſen Ge-<lb/> ruch, den ich weiter oben von einer Miſchung von Käſeſtoff<lb/> und Eiweißſtoff abgeleitet habe. Wenn man bedenkt, wie<lb/> unendlich viele und mannigfaltige tropiſche Gewächſe Kaut-<lb/> ſchuk geben, ſo muß man bedauern, daß dieſer ſo nützliche<lb/> Stoff bei uns nicht wohlfeiler iſt. Man brauchte die Bäume<lb/> mit Milchſaft gar nicht künſtlich zu pflanzen; allein in den<lb/> Miſſionen am Orinoko ließe ſich ſo viel Kautſchuk gewinnen,<lb/> als das civiliſierte Europa immer bedürfen mag. Im König-<lb/> reich Neugranada iſt hie und da mit Glück verſucht worden,<lb/> aus dieſer Subſtanz Stiefeln und Schuhe ohne Naht zu machen.<lb/> Unter den amerikaniſchen Völkern verſtehen ſich die Omaguas<lb/> am Amazonenſtrom am beſten auf die Verarbeitung des<lb/> Kautſchuk.</p><lb/> <p>Bereits waren vier Tage verfloſſen und unſere Piroge<lb/> hatte den Landungsplatz am Rio Pimichin immer noch nicht<lb/> erreicht. „Es fehlt Ihnen an nichts in meiner Miſſion,“<lb/> ſagte Pater Cereſo; „Sie haben Bananen und Fiſche, bei<lb/> Nacht werden Sie nicht von den Moskiten geſtochen, und je<lb/> länger Sie bleiben, deſto wahrſcheinlicher iſt es, daß Ihnen<lb/> auch noch die Geſtirne meines Landes zu Geſicht kommen.<lb/> Zerbricht Ihr Fahrzeug beim ‚Tragen‘, ſo geben wir Ihnen<lb/> ein anderes, und mir wird es ſo gut, daß ich ein paar Wochen<lb/><hi rendition="#aq">con gente blanca y de razon</hi> lebe.“<note place="foot" n="1">„Mit weißen und vernünftigen Menſchen“. Die europäiſche<lb/> Eigenliebe ſtellt gemeiniglich die <hi rendition="#aq">Gente de razon</hi> und die <hi rendition="#aq">Gente<lb/> parda</hi> einander gegenüber.</note> Trotz unſerer Unge-<lb/> duld, hörten wir die Schilderungen des guten Miſſionärs mit<lb/> großem Intereſſe an. Er beſtätigte alles, was wir bereits<lb/> über die ſittlichen Zuſtände der Eingeborenen dieſer Landſtriche<lb/> vernommen hatten. Sie leben in einzelnen Horden von 40<lb/> bis 50 Köpfen unter einem Familienhaupte; einen gemein-<lb/> ſamen Häuptling (<hi rendition="#aq">apoto, sibierene</hi>) erkennen ſie nur an, ſo-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0241]
ſchuk in ſeinem gewöhnlichen Zuſtande und der bei Javita
gefundenen Subſtanz, von der ich Sir Joſeph Banks geſendet
hatte. Gegenwärtig kommt im Handel ein gelblich-weißer
Kautſchuk vor, den man leicht vom Dapicho unterſcheidet, da
er weder trocken wie Kork, noch zerreiblich iſt, ſondern ſehr
elaſtiſch, glänzend und ſeifenartig. Ich ſah kürzlich in London
anſehnliche Maſſen, die zwiſchen 6 und 15 Frank das Pfund
im Preiſe ſtanden. Dieſer weiße, fett anzufühlende Kautſchuk
kommt aus Oſtindien. Er hat den tieriſchen, nauſeoſen Ge-
ruch, den ich weiter oben von einer Miſchung von Käſeſtoff
und Eiweißſtoff abgeleitet habe. Wenn man bedenkt, wie
unendlich viele und mannigfaltige tropiſche Gewächſe Kaut-
ſchuk geben, ſo muß man bedauern, daß dieſer ſo nützliche
Stoff bei uns nicht wohlfeiler iſt. Man brauchte die Bäume
mit Milchſaft gar nicht künſtlich zu pflanzen; allein in den
Miſſionen am Orinoko ließe ſich ſo viel Kautſchuk gewinnen,
als das civiliſierte Europa immer bedürfen mag. Im König-
reich Neugranada iſt hie und da mit Glück verſucht worden,
aus dieſer Subſtanz Stiefeln und Schuhe ohne Naht zu machen.
Unter den amerikaniſchen Völkern verſtehen ſich die Omaguas
am Amazonenſtrom am beſten auf die Verarbeitung des
Kautſchuk.
Bereits waren vier Tage verfloſſen und unſere Piroge
hatte den Landungsplatz am Rio Pimichin immer noch nicht
erreicht. „Es fehlt Ihnen an nichts in meiner Miſſion,“
ſagte Pater Cereſo; „Sie haben Bananen und Fiſche, bei
Nacht werden Sie nicht von den Moskiten geſtochen, und je
länger Sie bleiben, deſto wahrſcheinlicher iſt es, daß Ihnen
auch noch die Geſtirne meines Landes zu Geſicht kommen.
Zerbricht Ihr Fahrzeug beim ‚Tragen‘, ſo geben wir Ihnen
ein anderes, und mir wird es ſo gut, daß ich ein paar Wochen
con gente blanca y de razon lebe.“ 1 Trotz unſerer Unge-
duld, hörten wir die Schilderungen des guten Miſſionärs mit
großem Intereſſe an. Er beſtätigte alles, was wir bereits
über die ſittlichen Zuſtände der Eingeborenen dieſer Landſtriche
vernommen hatten. Sie leben in einzelnen Horden von 40
bis 50 Köpfen unter einem Familienhaupte; einen gemein-
ſamen Häuptling (apoto, sibierene) erkennen ſie nur an, ſo-
1 „Mit weißen und vernünftigen Menſchen“. Die europäiſche
Eigenliebe ſtellt gemeiniglich die Gente de razon und die Gente
parda einander gegenüber.
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