Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Kindern sich durch die Flucht zu retten. Kaum hatte sie die Man sperrte sie hier in eine der Karawanseraien, die Kindern ſich durch die Flucht zu retten. Kaum hatte ſie die Man ſperrte ſie hier in eine der Karawanſeraien, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0225" n="217"/> Kindern ſich durch die Flucht zu retten. Kaum hatte ſie die<lb/> Savanne erreicht, ſo wurde ſie von den Indianern aus der<lb/> Miſſion eingeholt, die auf die <hi rendition="#g">Menſchenjagd</hi> gehen, wie<lb/> die Weißen und die Neger in Afrika. Mutter und Kinder<lb/> wurden gebunden und an den Fluß geſchleppt. Der Ordens-<lb/> mann ſaß in ſeinem Boot, des Ausgangs der Expedition harrend,<lb/> die für ihn ſehr gefahrlos war. Hätte ſich die Mutter zu<lb/> ſtark gewehrt, ſo wäre ſie von den Indianern umgebracht<lb/> worden; alles iſt erlaubt, wenn man auf die <hi rendition="#aq">Conquista<lb/> espiritual</hi> auszieht, und man will beſonders der Kinder hab-<lb/> haft werden, die man dann in der Miſſion als Poitos oder<lb/> Sklaven der Chriſten behandelt. Man brachte die Gefangenen<lb/> nach San Fernando und meinte, die Mutter könne zu Land<lb/> ſich nicht wieder in ihre Heimat zurückfinden. Durch die<lb/> Trennung von den Kindern, die am Tage ihrer Entführung<lb/> den Vater begleitet hatten, geriet das Weib in die höchſte<lb/> Verzweiflung. Sie beſchloß, die Kinder, die in der Gewalt<lb/> des Miſſionärs waren, zur Familie zurückzubringen; ſie lief<lb/> mit ihnen mehrere Male von San Fernando fort, wurde aber<lb/> immer wieder von den Indianern gepackt, und nachdem der<lb/> Miſſionär ſie unbarmherzig hatte peitſchen laſſen, faßte er den<lb/> grauſamen Entſchluß, die Mutter von den beiden Kindern, die<lb/> mit ihr gefangen worden, zu trennen. Man führte ſie allein<lb/> den Atabapo hinauf, den Miſſionen am Rio Negro zu. Leicht<lb/> gebunden ſaß ſie auf dem Vorderteil des Fahrzeuges. Man<lb/> hatte ihr nicht geſagt, welches Los ihrer wartete, aber nach<lb/> der Richtung der Sonne ſah ſie wohl, daß ſie immer weiter<lb/> von ihrer Hütte und ihrer Heimat wegkam. Es gelang ihr,<lb/> ſich ihrer Bande zu entledigen, ſie ſprang in den Fluß und<lb/> ſchwamm dem linken Ufer des Atabapo zu. Die Strömung<lb/> trug ſie an eine Felsbank, die noch heute ihren Namen trägt.<lb/> Sie ging hier ans Land und lief ins Holz; aber der Präſi-<lb/> dent der Miſſionen befahl den Indianern, ans Ufer zu fahren<lb/> und den Spuren der Guahiba zu folgen. Am Abend wurde<lb/> ſie zurückgebracht, auf den Fels (<hi rendition="#aq">piedra de la madre</hi>) gelegt<lb/> und mit einem Seekuhriemen, die hierzulande als Peitſchen<lb/> dienen und mit denen die Alkaden immer verſehen ſind, un-<lb/> barmherzig gepeitſcht. Man band dem unglücklichen Weibe<lb/> mit ſtarken Mavacureranken die Hände auf den Rücken und<lb/> brachte ſie in die Miſſion Javita.</p><lb/> <p>Man ſperrte ſie hier in eine der Karawanſeraien, die<lb/> man hier Caſas del Rey nennt. Es war in der Regenzeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0225]
Kindern ſich durch die Flucht zu retten. Kaum hatte ſie die
Savanne erreicht, ſo wurde ſie von den Indianern aus der
Miſſion eingeholt, die auf die Menſchenjagd gehen, wie
die Weißen und die Neger in Afrika. Mutter und Kinder
wurden gebunden und an den Fluß geſchleppt. Der Ordens-
mann ſaß in ſeinem Boot, des Ausgangs der Expedition harrend,
die für ihn ſehr gefahrlos war. Hätte ſich die Mutter zu
ſtark gewehrt, ſo wäre ſie von den Indianern umgebracht
worden; alles iſt erlaubt, wenn man auf die Conquista
espiritual auszieht, und man will beſonders der Kinder hab-
haft werden, die man dann in der Miſſion als Poitos oder
Sklaven der Chriſten behandelt. Man brachte die Gefangenen
nach San Fernando und meinte, die Mutter könne zu Land
ſich nicht wieder in ihre Heimat zurückfinden. Durch die
Trennung von den Kindern, die am Tage ihrer Entführung
den Vater begleitet hatten, geriet das Weib in die höchſte
Verzweiflung. Sie beſchloß, die Kinder, die in der Gewalt
des Miſſionärs waren, zur Familie zurückzubringen; ſie lief
mit ihnen mehrere Male von San Fernando fort, wurde aber
immer wieder von den Indianern gepackt, und nachdem der
Miſſionär ſie unbarmherzig hatte peitſchen laſſen, faßte er den
grauſamen Entſchluß, die Mutter von den beiden Kindern, die
mit ihr gefangen worden, zu trennen. Man führte ſie allein
den Atabapo hinauf, den Miſſionen am Rio Negro zu. Leicht
gebunden ſaß ſie auf dem Vorderteil des Fahrzeuges. Man
hatte ihr nicht geſagt, welches Los ihrer wartete, aber nach
der Richtung der Sonne ſah ſie wohl, daß ſie immer weiter
von ihrer Hütte und ihrer Heimat wegkam. Es gelang ihr,
ſich ihrer Bande zu entledigen, ſie ſprang in den Fluß und
ſchwamm dem linken Ufer des Atabapo zu. Die Strömung
trug ſie an eine Felsbank, die noch heute ihren Namen trägt.
Sie ging hier ans Land und lief ins Holz; aber der Präſi-
dent der Miſſionen befahl den Indianern, ans Ufer zu fahren
und den Spuren der Guahiba zu folgen. Am Abend wurde
ſie zurückgebracht, auf den Fels (piedra de la madre) gelegt
und mit einem Seekuhriemen, die hierzulande als Peitſchen
dienen und mit denen die Alkaden immer verſehen ſind, un-
barmherzig gepeitſcht. Man band dem unglücklichen Weibe
mit ſtarken Mavacureranken die Hände auf den Rücken und
brachte ſie in die Miſſion Javita.
Man ſperrte ſie hier in eine der Karawanſeraien, die
man hier Caſas del Rey nennt. Es war in der Regenzeit
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