baren Färbung, so lautet ihre Antwort, wie nicht selten auch in Europa, wenn es sich um physische und physiologische Fragen handelt: sie wiederholen das Faktum mit anderen Worten. Wendet man sich an die Missionäre, so sprechen sie, als hätten sie die strengsten Beweise für ihre Behauptung, "das Wasser färbe sich, wenn es über Sarsaparillewurzeln laufe". Die Smilaceen sind allerdings am Rio Negro, Pa- cimony und Cababury sehr häufig, und ihre Wurzeln geben in Wasser eingeweicht einen braunen, bitteren, schleimigen Extraktivstoff; aber wie viele Smilaxbüsche haben wir an Orten gesehen, wo die Wasser ganz weiß sind! Wie kommt es, daß wir im sumpfigen Walde, durch den wir unsere Piroge vom Rio Tuamini zum Canno Pimichin und an den Rio Negro schleppen mußten, auf demselben Landstriche jetzt durch Bäche mit weißem, jetzt durch andere mit schwarzem Wasser wateten? Warum hat man niemals einen Fluß gefunden, der seiner Quelle zu weiß und im unteren Stücke seines Laufes schwarz war? Ich weiß nicht, ob der Rio Negro seine braungelbe Farbe bis zur Mündung behält, obgleich ihm durch den Cassiquiare und den Rio Blanco sehr viel weißes Wasser zu- fließt. Da La Condamine den Fluß nordwärts vom Aequator nicht sah, konnte er vom Unterschied in der Farbe nicht urteilen.
Die Vegetation ist wegen der Regenfülle ganz in der Nähe des Aequators allerdings kräftiger als 8 bis 10° gegen Nord und gegen Süd; es läßt sich aber keineswegs behaupten, daß die Flüsse mit schwarzem Wasser vorzugsweise in den dichtesten, schattigsten Wäldern entspringen. Im Gegenteil kommen sehr viele aguas negras aus den offenen Grasfluren, die sich vom Meta jenseits des Guaviare gegen den Caqueta hinziehen. Auf einer Reise, die ich zur Zeit der Ueber- schwemmung mit Herrn von Montufar vom Hafen von Guaya- quil nach den Bodegas de Babaojo machte, fiel es mir auf, daß die weiten Savannen am Invernadero de Carzal und am Lagartero ganz ähnlich gefärbt waren wie der Rio Negro und der Atabapo. Diese zum Teil seit drei Monaten unter Wasser stehenden Grasfluren bestehen aus Paspalum, Eriochloa und mehreren Cyperaceen. Wir fuhren in 1,3 bis 1,6 m tiefem Wasser; dasselbe war bei Tage 33 bis 34° warm; es roch stark nach Schwefelwasserstoff, was ohne Zweifel zum Teil von den faulenden Arum- und Helikonienstauden her- rührte, die auf den Lachen schwammen. Das Wasser des
baren Färbung, ſo lautet ihre Antwort, wie nicht ſelten auch in Europa, wenn es ſich um phyſiſche und phyſiologiſche Fragen handelt: ſie wiederholen das Faktum mit anderen Worten. Wendet man ſich an die Miſſionäre, ſo ſprechen ſie, als hätten ſie die ſtrengſten Beweiſe für ihre Behauptung, „das Waſſer färbe ſich, wenn es über Sarſaparillewurzeln laufe“. Die Smilaceen ſind allerdings am Rio Negro, Pa- cimony und Cababury ſehr häufig, und ihre Wurzeln geben in Waſſer eingeweicht einen braunen, bitteren, ſchleimigen Extraktivſtoff; aber wie viele Smilaxbüſche haben wir an Orten geſehen, wo die Waſſer ganz weiß ſind! Wie kommt es, daß wir im ſumpfigen Walde, durch den wir unſere Piroge vom Rio Tuamini zum Caño Pimichin und an den Rio Negro ſchleppen mußten, auf demſelben Landſtriche jetzt durch Bäche mit weißem, jetzt durch andere mit ſchwarzem Waſſer wateten? Warum hat man niemals einen Fluß gefunden, der ſeiner Quelle zu weiß und im unteren Stücke ſeines Laufes ſchwarz war? Ich weiß nicht, ob der Rio Negro ſeine braungelbe Farbe bis zur Mündung behält, obgleich ihm durch den Caſſiquiare und den Rio Blanco ſehr viel weißes Waſſer zu- fließt. Da La Condamine den Fluß nordwärts vom Aequator nicht ſah, konnte er vom Unterſchied in der Farbe nicht urteilen.
Die Vegetation iſt wegen der Regenfülle ganz in der Nähe des Aequators allerdings kräftiger als 8 bis 10° gegen Nord und gegen Süd; es läßt ſich aber keineswegs behaupten, daß die Flüſſe mit ſchwarzem Waſſer vorzugsweiſe in den dichteſten, ſchattigſten Wäldern entſpringen. Im Gegenteil kommen ſehr viele aguas negras aus den offenen Grasfluren, die ſich vom Meta jenſeits des Guaviare gegen den Caqueta hinziehen. Auf einer Reiſe, die ich zur Zeit der Ueber- ſchwemmung mit Herrn von Montufar vom Hafen von Guaya- quil nach den Bodegas de Babaojo machte, fiel es mir auf, daß die weiten Savannen am Invernadero de Carzal und am Lagartero ganz ähnlich gefärbt waren wie der Rio Negro und der Atabapo. Dieſe zum Teil ſeit drei Monaten unter Waſſer ſtehenden Grasfluren beſtehen aus Paspalum, Eriochloa und mehreren Cyperaceen. Wir fuhren in 1,3 bis 1,6 m tiefem Waſſer; dasſelbe war bei Tage 33 bis 34° warm; es roch ſtark nach Schwefelwaſſerſtoff, was ohne Zweifel zum Teil von den faulenden Arum- und Helikonienſtauden her- rührte, die auf den Lachen ſchwammen. Das Waſſer des
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baren Färbung, ſo lautet ihre Antwort, wie nicht ſelten auch
in Europa, wenn es ſich um phyſiſche und phyſiologiſche
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Worten. Wendet man ſich an die Miſſionäre, ſo ſprechen ſie,
als hätten ſie die ſtrengſten Beweiſe für ihre Behauptung,
„das Waſſer färbe ſich, wenn es über Sarſaparillewurzeln
laufe“. Die Smilaceen ſind allerdings am Rio Negro, Pa-
cimony und Cababury ſehr häufig, und ihre Wurzeln geben
in Waſſer eingeweicht einen braunen, bitteren, ſchleimigen
Extraktivſtoff; aber wie viele Smilaxbüſche haben wir an
Orten geſehen, wo die Waſſer ganz weiß ſind! Wie kommt
es, daß wir im ſumpfigen Walde, durch den wir unſere Piroge
vom Rio Tuamini zum Caño Pimichin und an den Rio Negro
ſchleppen mußten, auf demſelben Landſtriche jetzt durch Bäche
mit weißem, jetzt durch andere mit ſchwarzem Waſſer wateten?
Warum hat man niemals einen Fluß gefunden, der ſeiner
Quelle zu weiß und im unteren Stücke ſeines Laufes ſchwarz
war? Ich weiß nicht, ob der Rio Negro ſeine braungelbe
Farbe bis zur Mündung behält, obgleich ihm durch den
Caſſiquiare und den Rio Blanco ſehr viel weißes Waſſer zu-
fließt. Da La Condamine den Fluß nordwärts vom Aequator
nicht ſah, konnte er vom Unterſchied in der Farbe nicht
urteilen.
Die Vegetation iſt wegen der Regenfülle ganz in der
Nähe des Aequators allerdings kräftiger als 8 bis 10° gegen
Nord und gegen Süd; es läßt ſich aber keineswegs behaupten,
daß die Flüſſe mit ſchwarzem Waſſer vorzugsweiſe in den
dichteſten, ſchattigſten Wäldern entſpringen. Im Gegenteil
kommen ſehr viele aguas negras aus den offenen Grasfluren,
die ſich vom Meta jenſeits des Guaviare gegen den Caqueta
hinziehen. Auf einer Reiſe, die ich zur Zeit der Ueber-
ſchwemmung mit Herrn von Montufar vom Hafen von Guaya-
quil nach den Bodegas de Babaojo machte, fiel es mir auf,
daß die weiten Savannen am Invernadero de Carzal
und am Lagartero ganz ähnlich gefärbt waren wie der Rio
Negro und der Atabapo. Dieſe zum Teil ſeit drei Monaten
unter Waſſer ſtehenden Grasfluren beſtehen aus Paspalum,
Eriochloa und mehreren Cyperaceen. Wir fuhren in 1,3 bis
1,6 m tiefem Waſſer; dasſelbe war bei Tage 33 bis 34° warm;
es roch ſtark nach Schwefelwaſſerſtoff, was ohne Zweifel zum
Teil von den faulenden Arum- und Helikonienſtauden her-
rührte, die auf den Lachen ſchwammen. Das Waſſer des
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/202>, abgerufen am 20.07.2024.
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