nisse so günstig, wie man sie bei Atures vergeblich suchte. Der Kanal würde 5555 m oder 2650 m lang, je nachdem man ihn nahe an der Mündung der beiden Flüßchen oder weiter ihren Quellen zu anfangen ließe. Das Terrain scheint im Durchschnitt von Süd-Süd-Ost nach Nord-Nord-West um 11 bis 13,5 m zu fallen, und im Thal des Keri ist der Boden ganz eben, mit Ausnahme eines kleinen Kammes oder einer Wasser- scheide, welche im Parallel der Kirche von Maypures die beiden Nebenflüsse des Stromes nach entgegengesetzten Seiten laufen läßt. Die Ausführung dieses Planes wäre durchaus nicht kostspielig, da die Landenge größtenteils aus ange- schwemmtem Boden besteht, und Pulver hätte man dabei gar nicht nötig. Dieser Kanal, der nicht über 3 m breit zu sein brauchte, wäre als ein schiffbarer Arm des Orinoko zu betrachten. Es bedürfte keiner Schleuse, und die Fahrzeuge, die in den oberen Orinoko gehen, würden nicht mehr wie jetzt durch die Reibung an den rauhen Klippen am Raudal beschädigt; man zöge sie hinauf, und da man die Waren nicht mehr auszuladen brauchte, würde viel Zeit erspart. Man hat die Frage erörtert, wozu der von mir in Vorschlag gebrachte Kanal dienen sollte. Hier ist die Antwort, die ich im Jahre 1801 auf meiner Reise nach Quito dem Ministerium erteilt habe: "Auf den Bau eines Kanales bei Maypures und eines anderen, von dem in der Folge die Rede sein wird, lege ich nur in der Voraussetzung Gewicht, daß die Regierung sich mit Handel und Gewerbefleiß am oberen Orinoko ernstlich beschäftigen wollte. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen, da, wie es scheint, die Ufer des majestätischen Stromes gänz- lich vernachlässigt bleiben sollen, wären Kanäle allerdings so gut wie überflüssig."
Nachdem wir uns im Puerto de Arriba eingeschifft, gingen wir mit ziemlicher Beschwerde über den Raudal de Cameji; diese Stelle gilt bei sehr hohem Wasserstand für gefährlich. Jenseits des Raudals fanden wir den Strom spiegelglatt. Wir übernachteten auf einer felsichten Insel, genannt Piedra Raton; sie ist gegen 3,3 km lang, und auch hier wiederholt sich die interessante Erscheinung einer in der Entwickelung be- griffenen Vegetation, jener zerstreuten Gruppen von Buschwerk auf ebenem Felsboden, wovon schon öfters die Rede war. Ich konnte in der Nacht mehrere Sternbeobachtungen machen und fand die Breite der Insel gleich 5° 4' 51", ihr Länge gleich 70° 57'. Ich konnte die im Strom reflektierten Stern-
niſſe ſo günſtig, wie man ſie bei Atures vergeblich ſuchte. Der Kanal würde 5555 m oder 2650 m lang, je nachdem man ihn nahe an der Mündung der beiden Flüßchen oder weiter ihren Quellen zu anfangen ließe. Das Terrain ſcheint im Durchſchnitt von Süd-Süd-Oſt nach Nord-Nord-Weſt um 11 bis 13,5 m zu fallen, und im Thal des Keri iſt der Boden ganz eben, mit Ausnahme eines kleinen Kammes oder einer Waſſer- ſcheide, welche im Parallel der Kirche von Maypures die beiden Nebenflüſſe des Stromes nach entgegengeſetzten Seiten laufen läßt. Die Ausführung dieſes Planes wäre durchaus nicht koſtſpielig, da die Landenge größtenteils aus ange- ſchwemmtem Boden beſteht, und Pulver hätte man dabei gar nicht nötig. Dieſer Kanal, der nicht über 3 m breit zu ſein brauchte, wäre als ein ſchiffbarer Arm des Orinoko zu betrachten. Es bedürfte keiner Schleuſe, und die Fahrzeuge, die in den oberen Orinoko gehen, würden nicht mehr wie jetzt durch die Reibung an den rauhen Klippen am Raudal beſchädigt; man zöge ſie hinauf, und da man die Waren nicht mehr auszuladen brauchte, würde viel Zeit erſpart. Man hat die Frage erörtert, wozu der von mir in Vorſchlag gebrachte Kanal dienen ſollte. Hier iſt die Antwort, die ich im Jahre 1801 auf meiner Reiſe nach Quito dem Miniſterium erteilt habe: „Auf den Bau eines Kanales bei Maypures und eines anderen, von dem in der Folge die Rede ſein wird, lege ich nur in der Vorausſetzung Gewicht, daß die Regierung ſich mit Handel und Gewerbefleiß am oberen Orinoko ernſtlich beſchäftigen wollte. Unter den gegenwärtigen Verhältniſſen, da, wie es ſcheint, die Ufer des majeſtätiſchen Stromes gänz- lich vernachläſſigt bleiben ſollen, wären Kanäle allerdings ſo gut wie überflüſſig.“
Nachdem wir uns im Puerto de Arriba eingeſchifft, gingen wir mit ziemlicher Beſchwerde über den Raudal de Cameji; dieſe Stelle gilt bei ſehr hohem Waſſerſtand für gefährlich. Jenſeits des Raudals fanden wir den Strom ſpiegelglatt. Wir übernachteten auf einer felſichten Inſel, genannt Piedra Raton; ſie iſt gegen 3,3 km lang, und auch hier wiederholt ſich die intereſſante Erſcheinung einer in der Entwickelung be- griffenen Vegetation, jener zerſtreuten Gruppen von Buſchwerk auf ebenem Felsboden, wovon ſchon öfters die Rede war. Ich konnte in der Nacht mehrere Sternbeobachtungen machen und fand die Breite der Inſel gleich 5° 4′ 51″, ihr Länge gleich 70° 57′. Ich konnte die im Strom reflektierten Stern-
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niſſe ſo günſtig, wie man ſie bei Atures vergeblich ſuchte. Der
Kanal würde 5555 m oder 2650 m lang, je nachdem man
ihn nahe an der Mündung der beiden Flüßchen oder weiter
ihren Quellen zu anfangen ließe. Das Terrain ſcheint im
Durchſchnitt von Süd-Süd-Oſt nach Nord-Nord-Weſt um 11 bis
13,5 m zu fallen, und im Thal des Keri iſt der Boden ganz
eben, mit Ausnahme eines kleinen Kammes oder einer Waſſer-
ſcheide, welche im Parallel der Kirche von Maypures die
beiden Nebenflüſſe des Stromes nach entgegengeſetzten Seiten
laufen läßt. Die Ausführung dieſes Planes wäre durchaus
nicht koſtſpielig, da die Landenge größtenteils aus ange-
ſchwemmtem Boden beſteht, und Pulver hätte man dabei gar
nicht nötig. Dieſer Kanal, der nicht über 3 m breit zu
ſein brauchte, wäre als ein ſchiffbarer Arm des Orinoko zu
betrachten. Es bedürfte keiner Schleuſe, und die Fahrzeuge,
die in den oberen Orinoko gehen, würden nicht mehr wie
jetzt durch die Reibung an den rauhen Klippen am Raudal
beſchädigt; man zöge ſie hinauf, und da man die Waren nicht
mehr auszuladen brauchte, würde viel Zeit erſpart. Man hat
die Frage erörtert, wozu der von mir in Vorſchlag gebrachte
Kanal dienen ſollte. Hier iſt die Antwort, die ich im Jahre
1801 auf meiner Reiſe nach Quito dem Miniſterium erteilt
habe: „Auf den Bau eines Kanales bei Maypures und eines
anderen, von dem in der Folge die Rede ſein wird, lege ich
nur in der Vorausſetzung Gewicht, daß die Regierung ſich
mit Handel und Gewerbefleiß am oberen Orinoko ernſtlich
beſchäftigen wollte. Unter den gegenwärtigen Verhältniſſen,
da, wie es ſcheint, die Ufer des majeſtätiſchen Stromes gänz-
lich vernachläſſigt bleiben ſollen, wären Kanäle allerdings ſo
gut wie überflüſſig.“
Nachdem wir uns im Puerto de Arriba eingeſchifft, gingen
wir mit ziemlicher Beſchwerde über den Raudal de Cameji;
dieſe Stelle gilt bei ſehr hohem Waſſerſtand für gefährlich.
Jenſeits des Raudals fanden wir den Strom ſpiegelglatt.
Wir übernachteten auf einer felſichten Inſel, genannt Piedra
Raton; ſie iſt gegen 3,3 km lang, und auch hier wiederholt
ſich die intereſſante Erſcheinung einer in der Entwickelung be-
griffenen Vegetation, jener zerſtreuten Gruppen von Buſchwerk
auf ebenem Felsboden, wovon ſchon öfters die Rede war.
Ich konnte in der Nacht mehrere Sternbeobachtungen machen
und fand die Breite der Inſel gleich 5° 4′ 51″, ihr Länge
gleich 70° 57′. Ich konnte die im Strom reflektierten Stern-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/191>, abgerufen am 20.07.2024.
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