Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Verlauf der meteorologischen Erscheinung beim Uebergang von Der Witterungswechsel, den wir hier beschrieben, bezieht Unvergleichlich ist die Reinheit der Luft vom Dezember Verlauf der meteorologiſchen Erſcheinung beim Uebergang von Der Witterungswechſel, den wir hier beſchrieben, bezieht Unvergleichlich iſt die Reinheit der Luft vom Dezember <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="10"/> Verlauf der meteorologiſchen Erſcheinung beim Uebergang von<lb/> einer Jahreszeit zur anderen zu verfolgen. Bereits ſeit dem<lb/> 18. und 19. Februar hatten wir in den Thälern von Aragua<lb/> mit Einbruch der Nacht Wolken aufziehen ſehen. Mit Anfang<lb/> März wurde die Anhäufung ſichtbarer Dunſtbläschen und<lb/> damit die Anzeichen von Luftelektrizität von Tag zu Tag<lb/> ſtärker. Wir ſahen gegen Süd wetterleuchten und der Voltaſche<lb/> Elektrometer zeigte bei Sonnenuntergang fortwährend Gas-<lb/> elektrizität. Mit Einbruch der Nacht wichen die Fliedermark-<lb/> kügelchen, die ſich den Tag über nicht gerührt, 6 bis 8 <hi rendition="#aq">mm</hi><lb/> auseinander, dreimal weiter, als ich in Europa mit demſelben<lb/> Inſtrument bei heiterem Wetter in der Regel beobachtet. Vom<lb/> 26. Mai an ſchien nun aber das elektriſche Gleichgewicht in<lb/> der Luft völlig geſtört. Stundenlang war die Elektrizität<lb/> Null, wurde dann ſehr ſtark — 8 bis 11 <hi rendition="#aq">mm</hi> — und bald<lb/> darauf war ſie wieder unmerklich. Delucs Hygrometer zeigte<lb/> fortwährend große Trockenheit an, 33 bis 35°, und dennoch<lb/> ſchien die Luft nicht mehr dieſelbe. Während dieſes beſtändigen<lb/> Schwankens der Luftelektrizität fingen die kahlen Bäume be-<lb/> reits an, friſche Blätter zu treiben, als hätten ſie ein Vor-<lb/> gefühl vom nahenden Frühling.</p><lb/> <p>Der Witterungswechſel, den wir hier beſchrieben, bezieht<lb/> ſich nicht etwa auf ein einzelnes Jahr. In der Aequinoktial-<lb/> zone folgen alle Erſcheinungen in wunderbarer Einförmigkeit<lb/> aufeinander, weil die lebendigen Kräfte der Natur ſich nach<lb/> leicht erkennbaren Geſetzen beſchränken und im Gleichgewicht<lb/> halten. Im Binnenlande, oſtwärts von den Kordilleren von<lb/> Merida und Neugranada, in den Llanos von Venezuela<lb/> und am Rio Meta, zwiſchen dem 4. und 10. Breitengrad, aller-<lb/> orten, wo es vom Mai bis Oktober beſtändig regnet und<lb/> demnach die Zeit der größten Hitze, die im Juli und Auguſt<lb/> eintritt, in die Regenzeit fällt, nehmen die atmoſphäriſchen<lb/> Erſcheinungen folgenden Verlauf.</p><lb/> <p>Unvergleichlich iſt die Reinheit der Luft vom Dezember<lb/> bis in den Februar. Der Himmel iſt beſtändig wolkenlos,<lb/> und zieht je Gewölk auf, ſo iſt das ein Phänomen, das die<lb/> ganze Einwohnerſchaft beſchäftigt. Der Wind bläſt ſtark aus<lb/> Oſt und Oſt-Nord-Oſt. Da er beſtändig Luft von der gleichen<lb/> Temperatur herführt, ſo können die Dünſte nicht durch Ab-<lb/> kühlung ſichtbar werden. Gegen Ende Februar und zu Anfang<lb/> März iſt das Blau des Himmels nicht mehr ſo dunkel, der<lb/> Hygrometer zeigt allmählich ſtärkere Feuchtigkeit an, die Sterne<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0018]
Verlauf der meteorologiſchen Erſcheinung beim Uebergang von
einer Jahreszeit zur anderen zu verfolgen. Bereits ſeit dem
18. und 19. Februar hatten wir in den Thälern von Aragua
mit Einbruch der Nacht Wolken aufziehen ſehen. Mit Anfang
März wurde die Anhäufung ſichtbarer Dunſtbläschen und
damit die Anzeichen von Luftelektrizität von Tag zu Tag
ſtärker. Wir ſahen gegen Süd wetterleuchten und der Voltaſche
Elektrometer zeigte bei Sonnenuntergang fortwährend Gas-
elektrizität. Mit Einbruch der Nacht wichen die Fliedermark-
kügelchen, die ſich den Tag über nicht gerührt, 6 bis 8 mm
auseinander, dreimal weiter, als ich in Europa mit demſelben
Inſtrument bei heiterem Wetter in der Regel beobachtet. Vom
26. Mai an ſchien nun aber das elektriſche Gleichgewicht in
der Luft völlig geſtört. Stundenlang war die Elektrizität
Null, wurde dann ſehr ſtark — 8 bis 11 mm — und bald
darauf war ſie wieder unmerklich. Delucs Hygrometer zeigte
fortwährend große Trockenheit an, 33 bis 35°, und dennoch
ſchien die Luft nicht mehr dieſelbe. Während dieſes beſtändigen
Schwankens der Luftelektrizität fingen die kahlen Bäume be-
reits an, friſche Blätter zu treiben, als hätten ſie ein Vor-
gefühl vom nahenden Frühling.
Der Witterungswechſel, den wir hier beſchrieben, bezieht
ſich nicht etwa auf ein einzelnes Jahr. In der Aequinoktial-
zone folgen alle Erſcheinungen in wunderbarer Einförmigkeit
aufeinander, weil die lebendigen Kräfte der Natur ſich nach
leicht erkennbaren Geſetzen beſchränken und im Gleichgewicht
halten. Im Binnenlande, oſtwärts von den Kordilleren von
Merida und Neugranada, in den Llanos von Venezuela
und am Rio Meta, zwiſchen dem 4. und 10. Breitengrad, aller-
orten, wo es vom Mai bis Oktober beſtändig regnet und
demnach die Zeit der größten Hitze, die im Juli und Auguſt
eintritt, in die Regenzeit fällt, nehmen die atmoſphäriſchen
Erſcheinungen folgenden Verlauf.
Unvergleichlich iſt die Reinheit der Luft vom Dezember
bis in den Februar. Der Himmel iſt beſtändig wolkenlos,
und zieht je Gewölk auf, ſo iſt das ein Phänomen, das die
ganze Einwohnerſchaft beſchäftigt. Der Wind bläſt ſtark aus
Oſt und Oſt-Nord-Oſt. Da er beſtändig Luft von der gleichen
Temperatur herführt, ſo können die Dünſte nicht durch Ab-
kühlung ſichtbar werden. Gegen Ende Februar und zu Anfang
März iſt das Blau des Himmels nicht mehr ſo dunkel, der
Hygrometer zeigt allmählich ſtärkere Feuchtigkeit an, die Sterne
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