Der Raudal von Garcita. -- Maypures. -- Die Katarakte von Quituna. -- Der Einfluß des Vichada und Zama. -- Der Fels Aricagua. -- Siquita.
Unsere Piroge lag im Puerto de Arriba, oberhalb des Katarakts von Atures, dem Einfluß des Rio Cataniapo gegenüber; wir brachen dahin auf. Auf dem schmalen Wege, der zum Landungsplatze führt, sahen wir den Pik Uniana zum letztenmal. Er erschien wie eine über dem Horizont der Ebenen aufsteigende Wolke. Die Guahibosindianer ziehen am Fuße dieser Gebirge umher und gehen bis zum Rio Vichada. Man zeigte uns von weitem rechts vom Flusse die Felsen bei der Höhle von Ataruipe; wir hatten aber nicht Zeit, diese Grabstätte des ausgestorbenen Stammes der Atures zu besuchen. Wir bedauerten dies um so mehr, da Pater Zea nicht müde wurde, uns von den mit Onoto bemalten Skeletten in der Höhle, von den großen Gefäßen aus ge- brannter Erde, in welchen je die Gebeine einer Familie zu liegen scheinen, und von vielen anderen merkwürdigen Dingen zu erzählen, so daß wir uns vornahmen, dieselben auf der Rückreise vom Rio Negro in Augenschein zu nehmen. "Sie werden es kaum glauben," sagte der Missionär, "daß diese Gerippe, diese bemalten Töpfe, diese Dinge, von denen wir meinten, kein Mensch in der Welt wisse davon, mir und meinem Nachbar, dem Missionär von Carichana, Unglück gebracht haben. Sie haben gesehen, wie elend ich in den Raudales lebe, von den Moskiten gefressen, oft nicht einmal Bananen und Maniok im Hause! Und dennoch habe ich Neider in diesem Lande gefunden. Ein Weißer, der auf den Weiden zwischen dem Meta und dem Apure lebt, hat kürzlich der Audiencia in Caracas die Anzeige gemacht, ich habe einen Schatz, den ich mit dem Missionär von Carichana gefunden,
A. v. Humboldt, Reise. III. 11
Einundzwanzigſtes Kapitel.
Der Raudal von Garcita. — Maypures. — Die Katarakte von Quituna. — Der Einfluß des Vichada und Zama. — Der Fels Aricagua. — Siquita.
Unſere Piroge lag im Puerto de Arriba, oberhalb des Katarakts von Atures, dem Einfluß des Rio Cataniapo gegenüber; wir brachen dahin auf. Auf dem ſchmalen Wege, der zum Landungsplatze führt, ſahen wir den Pik Uniana zum letztenmal. Er erſchien wie eine über dem Horizont der Ebenen aufſteigende Wolke. Die Guahibosindianer ziehen am Fuße dieſer Gebirge umher und gehen bis zum Rio Vichada. Man zeigte uns von weitem rechts vom Fluſſe die Felſen bei der Höhle von Ataruipe; wir hatten aber nicht Zeit, dieſe Grabſtätte des ausgeſtorbenen Stammes der Atures zu beſuchen. Wir bedauerten dies um ſo mehr, da Pater Zea nicht müde wurde, uns von den mit Onoto bemalten Skeletten in der Höhle, von den großen Gefäßen aus ge- brannter Erde, in welchen je die Gebeine einer Familie zu liegen ſcheinen, und von vielen anderen merkwürdigen Dingen zu erzählen, ſo daß wir uns vornahmen, dieſelben auf der Rückreiſe vom Rio Negro in Augenſchein zu nehmen. „Sie werden es kaum glauben,“ ſagte der Miſſionär, „daß dieſe Gerippe, dieſe bemalten Töpfe, dieſe Dinge, von denen wir meinten, kein Menſch in der Welt wiſſe davon, mir und meinem Nachbar, dem Miſſionär von Carichana, Unglück gebracht haben. Sie haben geſehen, wie elend ich in den Raudales lebe, von den Moskiten gefreſſen, oft nicht einmal Bananen und Maniok im Hauſe! Und dennoch habe ich Neider in dieſem Lande gefunden. Ein Weißer, der auf den Weiden zwiſchen dem Meta und dem Apure lebt, hat kürzlich der Audiencia in Caracas die Anzeige gemacht, ich habe einen Schatz, den ich mit dem Miſſionär von Carichana gefunden,
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 11
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[[161]/0169]
Einundzwanzigſtes Kapitel.
Der Raudal von Garcita. — Maypures. — Die Katarakte von
Quituna. — Der Einfluß des Vichada und Zama. — Der Fels
Aricagua. — Siquita.
Unſere Piroge lag im Puerto de Arriba, oberhalb
des Katarakts von Atures, dem Einfluß des Rio Cataniapo
gegenüber; wir brachen dahin auf. Auf dem ſchmalen Wege,
der zum Landungsplatze führt, ſahen wir den Pik Uniana
zum letztenmal. Er erſchien wie eine über dem Horizont der
Ebenen aufſteigende Wolke. Die Guahibosindianer ziehen
am Fuße dieſer Gebirge umher und gehen bis zum Rio
Vichada. Man zeigte uns von weitem rechts vom Fluſſe die
Felſen bei der Höhle von Ataruipe; wir hatten aber nicht
Zeit, dieſe Grabſtätte des ausgeſtorbenen Stammes der Atures
zu beſuchen. Wir bedauerten dies um ſo mehr, da Pater
Zea nicht müde wurde, uns von den mit Onoto bemalten
Skeletten in der Höhle, von den großen Gefäßen aus ge-
brannter Erde, in welchen je die Gebeine einer Familie zu
liegen ſcheinen, und von vielen anderen merkwürdigen Dingen
zu erzählen, ſo daß wir uns vornahmen, dieſelben auf der
Rückreiſe vom Rio Negro in Augenſchein zu nehmen. „Sie
werden es kaum glauben,“ ſagte der Miſſionär, „daß dieſe
Gerippe, dieſe bemalten Töpfe, dieſe Dinge, von denen wir
meinten, kein Menſch in der Welt wiſſe davon, mir und meinem
Nachbar, dem Miſſionär von Carichana, Unglück gebracht
haben. Sie haben geſehen, wie elend ich in den Raudales
lebe, von den Moskiten gefreſſen, oft nicht einmal Bananen
und Maniok im Hauſe! Und dennoch habe ich Neider in
dieſem Lande gefunden. Ein Weißer, der auf den Weiden
zwiſchen dem Meta und dem Apure lebt, hat kürzlich der
Audiencia in Caracas die Anzeige gemacht, ich habe einen
Schatz, den ich mit dem Miſſionär von Carichana gefunden,
A. v. Humboldt, Reiſe. III. 11
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. [161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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