Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.dem Mississippi, schwimmenden Wiesen, den Chinampas 1 Oberhalb des Rio Anaveni, zwischen den Bergen von Ich habe die beiden Becken des Orinoko und des Ama- 1 Schwimmende Gärten.
dem Miſſiſſippi, ſchwimmenden Wieſen, den Chinampas 1 Oberhalb des Rio Anaveni, zwiſchen den Bergen von Ich habe die beiden Becken des Orinoko und des Ama- 1 Schwimmende Gärten.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="118"/> dem Miſſiſſippi, ſchwimmenden Wieſen, den <hi rendition="#g">Chinampas</hi> <note place="foot" n="1">Schwimmende Gärten.</note><lb/> der mexikaniſchen Seen. Wenn die Indianer eine feindliche<lb/> Horde überfallen wollen, binden ſie mehrere Kanoen mit<lb/> Stricken zuſammen, bedecken ſie mit Kräutern Baumzweigen<lb/> und bilden ſo die Haufen von Bäumen nach, die der Orinoko<lb/> auf ſeinem Thalweg abwärts treibt. Man ſagt den Kariben<lb/> nach, ſie ſeien früher in dieſer Kriegsliſt ausgezeichnet ge-<lb/> weſen, und gegenwärtig bedienen ſich die ſpaniſchen Schmuggler<lb/> in der Nähe von Angoſtura desſelben Mittels, um die Zoll-<lb/> aufſeher hinter das Licht zu führen.</p><lb/> <p>Oberhalb des Rio Anaveni, zwiſchen den Bergen von<lb/> Uniana und Sipapu, kommt man zu den Katarakten von<lb/> Mapara und Quituna, oder wie die Miſſionäre gemeiniglich<lb/> ſagen, zu den Raudales von Atures und Maypures. Dieſe<lb/> beiden vom einen zum anderen Ufer laufenden Stromſperren<lb/> geben im großen ungefähr dasſelbe Bild: zwiſchen zahlloſen<lb/> Inſeln, Felsdämmen, aufeinander getürmten, mit Palmen be-<lb/> wachſenen Granitblöcken löſt ſich einer der größten Ströme<lb/> der Neuen Welt in Schaum auf. Trotz dieſer Uebereinſtim-<lb/> mung im Ausſehen hat jeder der Fälle ſeinen eigentümlichen<lb/> Charakter. Der erſte, nördliche, iſt bei niedrigem Waſſer leichter<lb/> zu paſſieren; beim zweiten, dem von Maypures, iſt den In-<lb/> dianern die Zeit des Hochwaſſers lieber. Oberhalb Maypures<lb/> und der Einmündung des Caño Cameji iſt der Orinoko wieder<lb/> frei auf einer Strecke von mehr als 760 <hi rendition="#aq">km</hi>, bis in die Nähe<lb/> ſeiner Quellen, das heißt bis zum Raudalito der Guaharibos,<lb/> oſtwärts vom Caño Chiguire und den hohen Bergen von<lb/> Yumariquin.</p><lb/> <p>Ich habe die beiden Becken des Orinoko und des Ama-<lb/> zonenſtromes beſucht, und es fiel mir ungemein auf, wie ver-<lb/> ſchieden ſie ſich auf ihrem ungleich langen Laufe verhalten.<lb/> Beim Amazonenſtrom, der gegen 1820 <hi rendition="#aq">km</hi> lang iſt, ſind die<lb/> großen Fälle ziemlich nahe bei den Quellen, im erſten Sechs-<lb/> teil der ganzen Länge; fünf Sechsteile ſeines Laufes ſind<lb/> vollkommen frei. Beim Orinoko ſind die Fälle, weit un-<lb/> günſtiger für die Schiffahrt, wenn nicht in der Mitte, doch<lb/> unterhalb des erſten Dritteils ſeiner Länge gelegen. Bei<lb/> beiden Strömen werden die Fälle nicht durch die Berge, nicht<lb/> durch die Stufen der übereinander liegenden Plateaus, wo<lb/> ſie entſpringen, gebildet, ſondern durch andere Berge, durch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0126]
dem Miſſiſſippi, ſchwimmenden Wieſen, den Chinampas 1
der mexikaniſchen Seen. Wenn die Indianer eine feindliche
Horde überfallen wollen, binden ſie mehrere Kanoen mit
Stricken zuſammen, bedecken ſie mit Kräutern Baumzweigen
und bilden ſo die Haufen von Bäumen nach, die der Orinoko
auf ſeinem Thalweg abwärts treibt. Man ſagt den Kariben
nach, ſie ſeien früher in dieſer Kriegsliſt ausgezeichnet ge-
weſen, und gegenwärtig bedienen ſich die ſpaniſchen Schmuggler
in der Nähe von Angoſtura desſelben Mittels, um die Zoll-
aufſeher hinter das Licht zu führen.
Oberhalb des Rio Anaveni, zwiſchen den Bergen von
Uniana und Sipapu, kommt man zu den Katarakten von
Mapara und Quituna, oder wie die Miſſionäre gemeiniglich
ſagen, zu den Raudales von Atures und Maypures. Dieſe
beiden vom einen zum anderen Ufer laufenden Stromſperren
geben im großen ungefähr dasſelbe Bild: zwiſchen zahlloſen
Inſeln, Felsdämmen, aufeinander getürmten, mit Palmen be-
wachſenen Granitblöcken löſt ſich einer der größten Ströme
der Neuen Welt in Schaum auf. Trotz dieſer Uebereinſtim-
mung im Ausſehen hat jeder der Fälle ſeinen eigentümlichen
Charakter. Der erſte, nördliche, iſt bei niedrigem Waſſer leichter
zu paſſieren; beim zweiten, dem von Maypures, iſt den In-
dianern die Zeit des Hochwaſſers lieber. Oberhalb Maypures
und der Einmündung des Caño Cameji iſt der Orinoko wieder
frei auf einer Strecke von mehr als 760 km, bis in die Nähe
ſeiner Quellen, das heißt bis zum Raudalito der Guaharibos,
oſtwärts vom Caño Chiguire und den hohen Bergen von
Yumariquin.
Ich habe die beiden Becken des Orinoko und des Ama-
zonenſtromes beſucht, und es fiel mir ungemein auf, wie ver-
ſchieden ſie ſich auf ihrem ungleich langen Laufe verhalten.
Beim Amazonenſtrom, der gegen 1820 km lang iſt, ſind die
großen Fälle ziemlich nahe bei den Quellen, im erſten Sechs-
teil der ganzen Länge; fünf Sechsteile ſeines Laufes ſind
vollkommen frei. Beim Orinoko ſind die Fälle, weit un-
günſtiger für die Schiffahrt, wenn nicht in der Mitte, doch
unterhalb des erſten Dritteils ſeiner Länge gelegen. Bei
beiden Strömen werden die Fälle nicht durch die Berge, nicht
durch die Stufen der übereinander liegenden Plateaus, wo
ſie entſpringen, gebildet, ſondern durch andere Berge, durch
1 Schwimmende Gärten.
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