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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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weil sich weder der Zustand seiner Oberfläche, noch seine Dich-
tigkeit, noch seine Wärmekapazität verändert hat. Steigt man
am Ufer des Orinoko bei Nacht aus der Hängematte und
betritt den Felsboden mit bloßen Füßen, so ist die Wärme,
die man empfindet, sehr auffallend. Wenn ich die Thermo-
meterkugel an das nackte Gestein legte, fand ich fast immer,
daß die Laxas negras bei Tage wärmer sind als der rötlich-
weiße Granit weitab vom Ufer, daß aber letzterer sich bei
Nacht nicht so schnell abkühlt als jener. Begreiflich geben
Massen mit einem schwarzen Ueberzug den Wärmestoff rascher
wieder ab als solche, in denen viele silberfarbige Glimmer-
blätter stecken. Geht man in Carichana, Atures oder May-
pures zwischen 1 und 3 Uhr nachmittags unter diesen auf-
getürmten Felsblöcken ohne alle Dammerde, so erstickt man
beinahe, als stünde man vor der Mündung eines Schmelz-
ofens. Der Wind (wenn man ihn je in diesen bewaldeten
Ländern spürt) bringt statt Kühlung nur noch heißere Luft
herbei, da er über Steinschichten und aufgetürmte Granit-
kugeln weggegangen ist. Durch diese Steigerung der Hitze
wird das Klima noch ungesünder als es ohnehin ist.

Unter den Ursachen der Entvölkerung der Raudales habe
ich die Blattern nicht genannt, die in anderen Strichen von
Amerika so schreckliche Verheerungen anrichten, daß die Ein-
geborenen, von Entsetzen ergriffen, ihre Hütten anzünden,
ihre Kinder umbringen und alle Gemeinschaft fliehen. Am
oberen Orinoko weiß man von dieser Geißel so gut wie nichts,
und käme sie je dahin, so ist zu hoffen, daß ihr die Kuh-
pockenimpfung, deren Segen man auf den Küsten von Terra
Firma täglich empfindet, alsbald Schranken setzte. Die Ur-
sachen der Entvölkerung in den christlichen Niederlassungen
sind der Widerwille der Indianer gegen die Zucht in den Mis-
sionen, das ungesunde, zugleich heiße und feuchte Klima, die
schlechte Nahrung, die Verwahrlosung der Kinder, wenn sie
krank sind, und die schändliche Sitte der Mütter, giftige
Kräuter zu gebrauchen, damit sie nicht schwanger werden. Bei
den barbarischen Völkern in Guyana, wie bei den halb civili-
sierten Bewohnern der Südseeinseln gibt es viele junge Weiber,
die nicht Mütter werden wollen. Bekommen sie Kinder, so
sind dieselben nicht allein den Gefahren des Lebens in
der Wildnis, sondern noch manchen anderen ausgesetzt, die
aus dem abgeschmacktesten Aberglauben herfließen. Sind es
Zwillinge, so verlangen verkehrte Begriffe von Anstand und

A. v. Humboldt, Reise. III. 8

weil ſich weder der Zuſtand ſeiner Oberfläche, noch ſeine Dich-
tigkeit, noch ſeine Wärmekapazität verändert hat. Steigt man
am Ufer des Orinoko bei Nacht aus der Hängematte und
betritt den Felsboden mit bloßen Füßen, ſo iſt die Wärme,
die man empfindet, ſehr auffallend. Wenn ich die Thermo-
meterkugel an das nackte Geſtein legte, fand ich faſt immer,
daß die Laxas negras bei Tage wärmer ſind als der rötlich-
weiße Granit weitab vom Ufer, daß aber letzterer ſich bei
Nacht nicht ſo ſchnell abkühlt als jener. Begreiflich geben
Maſſen mit einem ſchwarzen Ueberzug den Wärmeſtoff raſcher
wieder ab als ſolche, in denen viele ſilberfarbige Glimmer-
blätter ſtecken. Geht man in Carichana, Atures oder May-
pures zwiſchen 1 und 3 Uhr nachmittags unter dieſen auf-
getürmten Felsblöcken ohne alle Dammerde, ſo erſtickt man
beinahe, als ſtünde man vor der Mündung eines Schmelz-
ofens. Der Wind (wenn man ihn je in dieſen bewaldeten
Ländern ſpürt) bringt ſtatt Kühlung nur noch heißere Luft
herbei, da er über Steinſchichten und aufgetürmte Granit-
kugeln weggegangen iſt. Durch dieſe Steigerung der Hitze
wird das Klima noch ungeſünder als es ohnehin iſt.

Unter den Urſachen der Entvölkerung der Raudales habe
ich die Blattern nicht genannt, die in anderen Strichen von
Amerika ſo ſchreckliche Verheerungen anrichten, daß die Ein-
geborenen, von Entſetzen ergriffen, ihre Hütten anzünden,
ihre Kinder umbringen und alle Gemeinſchaft fliehen. Am
oberen Orinoko weiß man von dieſer Geißel ſo gut wie nichts,
und käme ſie je dahin, ſo iſt zu hoffen, daß ihr die Kuh-
pockenimpfung, deren Segen man auf den Küſten von Terra
Firma täglich empfindet, alsbald Schranken ſetzte. Die Ur-
ſachen der Entvölkerung in den chriſtlichen Niederlaſſungen
ſind der Widerwille der Indianer gegen die Zucht in den Miſ-
ſionen, das ungeſunde, zugleich heiße und feuchte Klima, die
ſchlechte Nahrung, die Verwahrloſung der Kinder, wenn ſie
krank ſind, und die ſchändliche Sitte der Mütter, giftige
Kräuter zu gebrauchen, damit ſie nicht ſchwanger werden. Bei
den barbariſchen Völkern in Guyana, wie bei den halb civili-
ſierten Bewohnern der Südſeeinſeln gibt es viele junge Weiber,
die nicht Mütter werden wollen. Bekommen ſie Kinder, ſo
ſind dieſelben nicht allein den Gefahren des Lebens in
der Wildnis, ſondern noch manchen anderen ausgeſetzt, die
aus dem abgeſchmackteſten Aberglauben herfließen. Sind es
Zwillinge, ſo verlangen verkehrte Begriffe von Anſtand und

A. v. Humboldt, Reiſe. III. 8
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[113/0121] weil ſich weder der Zuſtand ſeiner Oberfläche, noch ſeine Dich- tigkeit, noch ſeine Wärmekapazität verändert hat. Steigt man am Ufer des Orinoko bei Nacht aus der Hängematte und betritt den Felsboden mit bloßen Füßen, ſo iſt die Wärme, die man empfindet, ſehr auffallend. Wenn ich die Thermo- meterkugel an das nackte Geſtein legte, fand ich faſt immer, daß die Laxas negras bei Tage wärmer ſind als der rötlich- weiße Granit weitab vom Ufer, daß aber letzterer ſich bei Nacht nicht ſo ſchnell abkühlt als jener. Begreiflich geben Maſſen mit einem ſchwarzen Ueberzug den Wärmeſtoff raſcher wieder ab als ſolche, in denen viele ſilberfarbige Glimmer- blätter ſtecken. Geht man in Carichana, Atures oder May- pures zwiſchen 1 und 3 Uhr nachmittags unter dieſen auf- getürmten Felsblöcken ohne alle Dammerde, ſo erſtickt man beinahe, als ſtünde man vor der Mündung eines Schmelz- ofens. Der Wind (wenn man ihn je in dieſen bewaldeten Ländern ſpürt) bringt ſtatt Kühlung nur noch heißere Luft herbei, da er über Steinſchichten und aufgetürmte Granit- kugeln weggegangen iſt. Durch dieſe Steigerung der Hitze wird das Klima noch ungeſünder als es ohnehin iſt. Unter den Urſachen der Entvölkerung der Raudales habe ich die Blattern nicht genannt, die in anderen Strichen von Amerika ſo ſchreckliche Verheerungen anrichten, daß die Ein- geborenen, von Entſetzen ergriffen, ihre Hütten anzünden, ihre Kinder umbringen und alle Gemeinſchaft fliehen. Am oberen Orinoko weiß man von dieſer Geißel ſo gut wie nichts, und käme ſie je dahin, ſo iſt zu hoffen, daß ihr die Kuh- pockenimpfung, deren Segen man auf den Küſten von Terra Firma täglich empfindet, alsbald Schranken ſetzte. Die Ur- ſachen der Entvölkerung in den chriſtlichen Niederlaſſungen ſind der Widerwille der Indianer gegen die Zucht in den Miſ- ſionen, das ungeſunde, zugleich heiße und feuchte Klima, die ſchlechte Nahrung, die Verwahrloſung der Kinder, wenn ſie krank ſind, und die ſchändliche Sitte der Mütter, giftige Kräuter zu gebrauchen, damit ſie nicht ſchwanger werden. Bei den barbariſchen Völkern in Guyana, wie bei den halb civili- ſierten Bewohnern der Südſeeinſeln gibt es viele junge Weiber, die nicht Mütter werden wollen. Bekommen ſie Kinder, ſo ſind dieſelben nicht allein den Gefahren des Lebens in der Wildnis, ſondern noch manchen anderen ausgeſetzt, die aus dem abgeſchmackteſten Aberglauben herfließen. Sind es Zwillinge, ſo verlangen verkehrte Begriffe von Anſtand und A. v. Humboldt, Reiſe. III. 8

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/121>, abgerufen am 24.11.2024.