uns auf mit weißem Sande bedeckten Uferstrecken, wenn wir keine Bäume fanden, um unsere Hängematten zu befestigen. In Carichana will man das Dorf abbrechen und verlegen, nur um von den schwarzen Felsen wegzukommen, von einem Orte, wo auf einer Strecke von mehr als 3,8 ha die Bodenfläche aus kahlem Granitgestein besteht. Aus ähnlichen Gründen, die den Physikern in Europa als bloße Einbil- dungen erscheinen müssen, versetzten die Jesuiten Olmo, For- neri und Mellis ein Dorf der Yaruros an drei verschiedene Punkte zwischem dem Raudal von Tabaje und dem Rio Ana- veni. Ich glaube diese Dinge, ganz wie sie mir zu Ohren gekommen, anführen zu müssen, da wir so gut wie gar nicht wissen, was eigentlich die Gasgemenge sind, wodurch die Luft ungesund wird. Läßt sich annehmen, daß unter dem Einfluß starker Hitze und beständiger Feuchtigkeit die schwarze Rinde des Gesteines auf die umgebende Luft einwirkt und Miasmen, ternäre Verbindungen von Kohlenstoff, Stickstoff und Wasser- stoff erzeugt? Ich zweifle daran. Der Granit am Orinoko enthält allerdings häufig Hornblende, und praktische Berg- leute wissen wohl, daß die schlimmsten Schwaden sich in Stollen bilden, die durch Syenit und Hornblendestein ge- trieben werden. Aber im Freien, wo die Luft durch die kleinen Strömungen fortwährend erneuert wird, kann die Wir- kung nicht dieselbe sein wie in einer Grube.
Wahrscheinlich ist es nur deshalb gefährlich, auf den Laxas negras zu schlafen, weil das Gestein bei Nacht eine sehr hohe Temperatur behält. Ich fand dieselbe bei Tage 48°, während die Luft im Schatten 29,7° warm war; bei Nacht zeigte der Thermometer, an das Gestein gelegt, 36°, die Luft nur 26°. Wenn die Wärmeanhäufung in den Gesteinsmassen zum Stillstand gekommen ist, so haben diese Massen zu den- selben Stunden immer wieder ungefähr dieselbe Temperatur. Den Ueberschuß von Wärme, den sie bei Tage bekommen, ver- lieren sie in der Nacht durch Strahlung, deren Stärke von der Beschaffenheit der Oberfläche des strahlenden Körpers, von der Anordnung seiner Moleküle im Inneren, besonders aber von der Reinheit des Himmels abhängt, das heißt davon, ob die Luft durchsichtig und wolkenlos ist. Wo der Unterschied in der Abweichung der Sonne nur gering ist, geht von ihr jeden Tag fast die gleiche Wärmemenge aus und das Gestein ist am Ende des Sommers nicht wärmer als zu Anfang des- selben. Es kann ein gewisses Maximum nicht überschreiten,
uns auf mit weißem Sande bedeckten Uferſtrecken, wenn wir keine Bäume fanden, um unſere Hängematten zu befeſtigen. In Carichana will man das Dorf abbrechen und verlegen, nur um von den ſchwarzen Felſen wegzukommen, von einem Orte, wo auf einer Strecke von mehr als 3,8 ha die Bodenfläche aus kahlem Granitgeſtein beſteht. Aus ähnlichen Gründen, die den Phyſikern in Europa als bloße Einbil- dungen erſcheinen müſſen, verſetzten die Jeſuiten Olmo, For- neri und Mellis ein Dorf der Yaruros an drei verſchiedene Punkte zwiſchem dem Raudal von Tabaje und dem Rio Ana- veni. Ich glaube dieſe Dinge, ganz wie ſie mir zu Ohren gekommen, anführen zu müſſen, da wir ſo gut wie gar nicht wiſſen, was eigentlich die Gasgemenge ſind, wodurch die Luft ungeſund wird. Läßt ſich annehmen, daß unter dem Einfluß ſtarker Hitze und beſtändiger Feuchtigkeit die ſchwarze Rinde des Geſteines auf die umgebende Luft einwirkt und Miasmen, ternäre Verbindungen von Kohlenſtoff, Stickſtoff und Waſſer- ſtoff erzeugt? Ich zweifle daran. Der Granit am Orinoko enthält allerdings häufig Hornblende, und praktiſche Berg- leute wiſſen wohl, daß die ſchlimmſten Schwaden ſich in Stollen bilden, die durch Syenit und Hornblendeſtein ge- trieben werden. Aber im Freien, wo die Luft durch die kleinen Strömungen fortwährend erneuert wird, kann die Wir- kung nicht dieſelbe ſein wie in einer Grube.
Wahrſcheinlich iſt es nur deshalb gefährlich, auf den Laxas negras zu ſchlafen, weil das Geſtein bei Nacht eine ſehr hohe Temperatur behält. Ich fand dieſelbe bei Tage 48°, während die Luft im Schatten 29,7° warm war; bei Nacht zeigte der Thermometer, an das Geſtein gelegt, 36°, die Luft nur 26°. Wenn die Wärmeanhäufung in den Geſteinsmaſſen zum Stillſtand gekommen iſt, ſo haben dieſe Maſſen zu den- ſelben Stunden immer wieder ungefähr dieſelbe Temperatur. Den Ueberſchuß von Wärme, den ſie bei Tage bekommen, ver- lieren ſie in der Nacht durch Strahlung, deren Stärke von der Beſchaffenheit der Oberfläche des ſtrahlenden Körpers, von der Anordnung ſeiner Moleküle im Inneren, beſonders aber von der Reinheit des Himmels abhängt, das heißt davon, ob die Luft durchſichtig und wolkenlos iſt. Wo der Unterſchied in der Abweichung der Sonne nur gering iſt, geht von ihr jeden Tag faſt die gleiche Wärmemenge aus und das Geſtein iſt am Ende des Sommers nicht wärmer als zu Anfang des- ſelben. Es kann ein gewiſſes Maximum nicht überſchreiten,
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uns auf mit weißem Sande bedeckten Uferſtrecken, wenn wir
keine Bäume fanden, um unſere Hängematten zu befeſtigen.
In Carichana will man das Dorf abbrechen und verlegen,
nur um von den ſchwarzen Felſen wegzukommen, von
einem Orte, wo auf einer Strecke von mehr als 3,8 ha die
Bodenfläche aus kahlem Granitgeſtein beſteht. Aus ähnlichen
Gründen, die den Phyſikern in Europa als bloße Einbil-
dungen erſcheinen müſſen, verſetzten die Jeſuiten Olmo, For-
neri und Mellis ein Dorf der Yaruros an drei verſchiedene
Punkte zwiſchem dem Raudal von Tabaje und dem Rio Ana-
veni. Ich glaube dieſe Dinge, ganz wie ſie mir zu Ohren
gekommen, anführen zu müſſen, da wir ſo gut wie gar nicht
wiſſen, was eigentlich die Gasgemenge ſind, wodurch die Luft
ungeſund wird. Läßt ſich annehmen, daß unter dem Einfluß
ſtarker Hitze und beſtändiger Feuchtigkeit die ſchwarze Rinde
des Geſteines auf die umgebende Luft einwirkt und Miasmen,
ternäre Verbindungen von Kohlenſtoff, Stickſtoff und Waſſer-
ſtoff erzeugt? Ich zweifle daran. Der Granit am Orinoko
enthält allerdings häufig Hornblende, und praktiſche Berg-
leute wiſſen wohl, daß die ſchlimmſten Schwaden ſich in
Stollen bilden, die durch Syenit und Hornblendeſtein ge-
trieben werden. Aber im Freien, wo die Luft durch die
kleinen Strömungen fortwährend erneuert wird, kann die Wir-
kung nicht dieſelbe ſein wie in einer Grube.
Wahrſcheinlich iſt es nur deshalb gefährlich, auf den
Laxas negras zu ſchlafen, weil das Geſtein bei Nacht eine
ſehr hohe Temperatur behält. Ich fand dieſelbe bei Tage 48°,
während die Luft im Schatten 29,7° warm war; bei Nacht
zeigte der Thermometer, an das Geſtein gelegt, 36°, die Luft
nur 26°. Wenn die Wärmeanhäufung in den Geſteinsmaſſen
zum Stillſtand gekommen iſt, ſo haben dieſe Maſſen zu den-
ſelben Stunden immer wieder ungefähr dieſelbe Temperatur.
Den Ueberſchuß von Wärme, den ſie bei Tage bekommen, ver-
lieren ſie in der Nacht durch Strahlung, deren Stärke von
der Beſchaffenheit der Oberfläche des ſtrahlenden Körpers, von
der Anordnung ſeiner Moleküle im Inneren, beſonders aber
von der Reinheit des Himmels abhängt, das heißt davon, ob
die Luft durchſichtig und wolkenlos iſt. Wo der Unterſchied
in der Abweichung der Sonne nur gering iſt, geht von ihr
jeden Tag faſt die gleiche Wärmemenge aus und das Geſtein
iſt am Ende des Sommers nicht wärmer als zu Anfang des-
ſelben. Es kann ein gewiſſes Maximum nicht überſchreiten,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/120>, abgerufen am 16.07.2024.
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