6 Prozent Eisenoxyd und seine anfangs schwarze Farbe wird beim Trocknen und durch die Einwirkung der Luft gelbbraun. Von diesem Schlamme kann also die schwarze Rinde an den Felsen von Syene nicht herrühren. Auf meine Bitte hat Berzelius diese Rinde untersucht; er fand darin Eisen und Mangan, wie in der auf den Graniten vom Orinoko und Kongo. Der berühmte Chemiker ist der Ansicht, die Oxyde werden von den Flüssen nicht dem Boden entzogen, über den sie laufen, sie kommen ihnen vielmehr aus ihren unterirdischen Quellen zu und sie schlagen dieselben auf das Gestein nieder wie durch Cementation, infolge eigentümlicher Affinitäten, vielleicht durch Einwirkung des Kali im Feldspat. Nur durch einen langen Aufenthalt an den Katarakten des Orinoko, des Nil und des Kongoflusses und durch genaue Beobachtung der Umstände, unter denen die Färbung auftritt, kann die Frage, die uns hier beschäftigt hat, ganz zur Entscheidung gebracht werden. Ist die Erscheinung der Beschaffenheit des Gesteines unabhängig? Ich beschränke mich auf die allgemeine Bemer- kung, daß weder Granitmassen, die weit vom alten Bette des Orinoko liegen, aber in der Regenzeit abwechselnd befeuchtet und von der Sonne erhitzt werden, noch der Granit, der von den bräunlichen Wassern des Rio Negro bespült wird, äußer- lich den Meteorsteinen ähnlich werden. Die Indianer sagen, "die Felsen seien nur da schwarz, wo das Wasser weiß ist". Sie sollten vielleicht weiter sagen: "wo das Wasser eine große Geschwindigkeit erlangt hat und gegen das Gestein am Ufer anprallt." Die Cementation scheint zu erklären, warum die Rinde so dünn bleibt.
Ob der in den Missionen am Orinoko herrschende Glaube, daß in der Nähe des kahlen Gesteines, besonders der Fels- massen mit einer Rinde von Kohle, Eisen- und Manganoxyd die Luft ungesund sei, grundlos ist, weiß ich nicht zu sagen. In der heißen Zone werden noch mehr als anderswo die krankheiterregenden Ursachen vom Volke willkürlich gehäuft. Man scheut sich dort im Freien zu schlafen, wenn einem der Vollmond ins Gesicht schiene; ebenso hält man es für be- denklich, sich nahe am Flusse auf Granit zu lagern, und man erzählt viele Fälle, wo Leute nach einer auf dem schwarzen kahlen Gestein zugebrachten Nacht morgens mit einem starken Fieberanfall erwacht sind. Wir schenkten nun zwar dieser Be- hauptung der Missionäre und der Eingeborenen nicht unbedingt Glauben, mieden aber doch die Laxas negras und lagerten
6 Prozent Eiſenoxyd und ſeine anfangs ſchwarze Farbe wird beim Trocknen und durch die Einwirkung der Luft gelbbraun. Von dieſem Schlamme kann alſo die ſchwarze Rinde an den Felſen von Syene nicht herrühren. Auf meine Bitte hat Berzelius dieſe Rinde unterſucht; er fand darin Eiſen und Mangan, wie in der auf den Graniten vom Orinoko und Kongo. Der berühmte Chemiker iſt der Anſicht, die Oxyde werden von den Flüſſen nicht dem Boden entzogen, über den ſie laufen, ſie kommen ihnen vielmehr aus ihren unterirdiſchen Quellen zu und ſie ſchlagen dieſelben auf das Geſtein nieder wie durch Cementation, infolge eigentümlicher Affinitäten, vielleicht durch Einwirkung des Kali im Feldſpat. Nur durch einen langen Aufenthalt an den Katarakten des Orinoko, des Nil und des Kongofluſſes und durch genaue Beobachtung der Umſtände, unter denen die Färbung auftritt, kann die Frage, die uns hier beſchäftigt hat, ganz zur Entſcheidung gebracht werden. Iſt die Erſcheinung der Beſchaffenheit des Geſteines unabhängig? Ich beſchränke mich auf die allgemeine Bemer- kung, daß weder Granitmaſſen, die weit vom alten Bette des Orinoko liegen, aber in der Regenzeit abwechſelnd befeuchtet und von der Sonne erhitzt werden, noch der Granit, der von den bräunlichen Waſſern des Rio Negro beſpült wird, äußer- lich den Meteorſteinen ähnlich werden. Die Indianer ſagen, „die Felſen ſeien nur da ſchwarz, wo das Waſſer weiß iſt“. Sie ſollten vielleicht weiter ſagen: „wo das Waſſer eine große Geſchwindigkeit erlangt hat und gegen das Geſtein am Ufer anprallt.“ Die Cementation ſcheint zu erklären, warum die Rinde ſo dünn bleibt.
Ob der in den Miſſionen am Orinoko herrſchende Glaube, daß in der Nähe des kahlen Geſteines, beſonders der Fels- maſſen mit einer Rinde von Kohle, Eiſen- und Manganoxyd die Luft ungeſund ſei, grundlos iſt, weiß ich nicht zu ſagen. In der heißen Zone werden noch mehr als anderswo die krankheiterregenden Urſachen vom Volke willkürlich gehäuft. Man ſcheut ſich dort im Freien zu ſchlafen, wenn einem der Vollmond ins Geſicht ſchiene; ebenſo hält man es für be- denklich, ſich nahe am Fluſſe auf Granit zu lagern, und man erzählt viele Fälle, wo Leute nach einer auf dem ſchwarzen kahlen Geſtein zugebrachten Nacht morgens mit einem ſtarken Fieberanfall erwacht ſind. Wir ſchenkten nun zwar dieſer Be- hauptung der Miſſionäre und der Eingeborenen nicht unbedingt Glauben, mieden aber doch die Laxas negras und lagerten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0119"n="111"/>
6 Prozent Eiſenoxyd und ſeine anfangs ſchwarze Farbe wird<lb/>
beim Trocknen und durch die Einwirkung der Luft gelbbraun.<lb/>
Von dieſem Schlamme kann alſo die ſchwarze Rinde an den<lb/>
Felſen von Syene nicht herrühren. Auf meine Bitte hat<lb/>
Berzelius dieſe Rinde unterſucht; er fand darin Eiſen und<lb/>
Mangan, wie in der auf den Graniten vom Orinoko und<lb/>
Kongo. Der berühmte Chemiker iſt der Anſicht, die Oxyde<lb/>
werden von den Flüſſen nicht dem Boden entzogen, über den<lb/>ſie laufen, ſie kommen ihnen vielmehr aus ihren unterirdiſchen<lb/>
Quellen zu und ſie ſchlagen dieſelben auf das Geſtein nieder<lb/>
wie durch Cementation, infolge eigentümlicher Affinitäten,<lb/>
vielleicht durch Einwirkung des Kali im Feldſpat. Nur durch<lb/>
einen langen Aufenthalt an den Katarakten des Orinoko, des<lb/>
Nil und des Kongofluſſes und durch genaue Beobachtung der<lb/>
Umſtände, unter denen die Färbung auftritt, kann die Frage,<lb/>
die uns hier beſchäftigt hat, ganz zur Entſcheidung gebracht<lb/>
werden. Iſt die Erſcheinung der Beſchaffenheit des Geſteines<lb/>
unabhängig? Ich beſchränke mich auf die allgemeine Bemer-<lb/>
kung, daß weder Granitmaſſen, die weit vom alten Bette des<lb/>
Orinoko liegen, aber in der Regenzeit abwechſelnd befeuchtet<lb/>
und von der Sonne erhitzt werden, noch der Granit, der von<lb/>
den bräunlichen Waſſern des Rio Negro beſpült wird, äußer-<lb/>
lich den Meteorſteinen ähnlich werden. Die Indianer ſagen,<lb/>„die Felſen ſeien nur da ſchwarz, wo das Waſſer weiß iſt“.<lb/>
Sie ſollten vielleicht weiter ſagen: „wo das Waſſer eine große<lb/>
Geſchwindigkeit erlangt hat und gegen das Geſtein am Ufer<lb/>
anprallt.“ Die Cementation ſcheint zu erklären, warum die<lb/>
Rinde ſo dünn bleibt.</p><lb/><p>Ob der in den Miſſionen am Orinoko herrſchende Glaube,<lb/>
daß in der Nähe des kahlen Geſteines, beſonders der Fels-<lb/>
maſſen mit einer Rinde von Kohle, Eiſen- und Manganoxyd<lb/>
die Luft ungeſund ſei, grundlos iſt, weiß ich nicht zu ſagen.<lb/>
In der heißen Zone werden noch mehr als anderswo die<lb/>
krankheiterregenden Urſachen vom Volke willkürlich gehäuft.<lb/>
Man ſcheut ſich dort im Freien zu ſchlafen, wenn einem der<lb/>
Vollmond ins Geſicht ſchiene; ebenſo hält man es für be-<lb/>
denklich, ſich nahe am Fluſſe auf Granit zu lagern, und man<lb/>
erzählt viele Fälle, wo Leute nach einer auf dem ſchwarzen<lb/>
kahlen Geſtein zugebrachten Nacht morgens mit einem ſtarken<lb/>
Fieberanfall erwacht ſind. Wir ſchenkten nun zwar dieſer Be-<lb/>
hauptung der Miſſionäre und der Eingeborenen nicht unbedingt<lb/>
Glauben, mieden aber doch die <hirendition="#aq">Laxas negras</hi> und lagerten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[111/0119]
6 Prozent Eiſenoxyd und ſeine anfangs ſchwarze Farbe wird
beim Trocknen und durch die Einwirkung der Luft gelbbraun.
Von dieſem Schlamme kann alſo die ſchwarze Rinde an den
Felſen von Syene nicht herrühren. Auf meine Bitte hat
Berzelius dieſe Rinde unterſucht; er fand darin Eiſen und
Mangan, wie in der auf den Graniten vom Orinoko und
Kongo. Der berühmte Chemiker iſt der Anſicht, die Oxyde
werden von den Flüſſen nicht dem Boden entzogen, über den
ſie laufen, ſie kommen ihnen vielmehr aus ihren unterirdiſchen
Quellen zu und ſie ſchlagen dieſelben auf das Geſtein nieder
wie durch Cementation, infolge eigentümlicher Affinitäten,
vielleicht durch Einwirkung des Kali im Feldſpat. Nur durch
einen langen Aufenthalt an den Katarakten des Orinoko, des
Nil und des Kongofluſſes und durch genaue Beobachtung der
Umſtände, unter denen die Färbung auftritt, kann die Frage,
die uns hier beſchäftigt hat, ganz zur Entſcheidung gebracht
werden. Iſt die Erſcheinung der Beſchaffenheit des Geſteines
unabhängig? Ich beſchränke mich auf die allgemeine Bemer-
kung, daß weder Granitmaſſen, die weit vom alten Bette des
Orinoko liegen, aber in der Regenzeit abwechſelnd befeuchtet
und von der Sonne erhitzt werden, noch der Granit, der von
den bräunlichen Waſſern des Rio Negro beſpült wird, äußer-
lich den Meteorſteinen ähnlich werden. Die Indianer ſagen,
„die Felſen ſeien nur da ſchwarz, wo das Waſſer weiß iſt“.
Sie ſollten vielleicht weiter ſagen: „wo das Waſſer eine große
Geſchwindigkeit erlangt hat und gegen das Geſtein am Ufer
anprallt.“ Die Cementation ſcheint zu erklären, warum die
Rinde ſo dünn bleibt.
Ob der in den Miſſionen am Orinoko herrſchende Glaube,
daß in der Nähe des kahlen Geſteines, beſonders der Fels-
maſſen mit einer Rinde von Kohle, Eiſen- und Manganoxyd
die Luft ungeſund ſei, grundlos iſt, weiß ich nicht zu ſagen.
In der heißen Zone werden noch mehr als anderswo die
krankheiterregenden Urſachen vom Volke willkürlich gehäuft.
Man ſcheut ſich dort im Freien zu ſchlafen, wenn einem der
Vollmond ins Geſicht ſchiene; ebenſo hält man es für be-
denklich, ſich nahe am Fluſſe auf Granit zu lagern, und man
erzählt viele Fälle, wo Leute nach einer auf dem ſchwarzen
kahlen Geſtein zugebrachten Nacht morgens mit einem ſtarken
Fieberanfall erwacht ſind. Wir ſchenkten nun zwar dieſer Be-
hauptung der Miſſionäre und der Eingeborenen nicht unbedingt
Glauben, mieden aber doch die Laxas negras und lagerten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/119>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.