Wir brachten zwei Stunden auf einem großen Felsen mitten im Orinoko zu, auf der Piedra de Paciencia, so ge- nannt, weil die Pirogen, die den Fluß hinaufgehen, hier nicht selten zwei Tage brauchen, um aus dem Strudel heraus- zukommen, der von diesem Felsen herrührt. Es gelang mir, meine Instrumente darauf aufzustellen. Nach den Sonnen- höhen, die ich aufnahm, liegt der Einfluß des Meta unter 70° 4' 29" der Länge. Nach dieser chronometrischen Beob- achtung ist d'Anvilles Karte von Südamerka, was diesen Punkt betrifft, in der Länge fast ganz richtig, während der Fehler in der Breite einen ganzen Grad beträgt.
Der Rio Meta durchzieht die weiten Ebenen von Casa- nare; er ist fast bis zum Fuß der Anden von Neugranada schiffbar und muß einmal für die Bevölkerung von Guyana und Venezuela politisch von großer Bedeutung werden. Aus dem Golfo Triste und der Boca del Dragon kann eine Flo- tille den Orinoko und Meta bis auf 67 bis 90 km von Santa Fe de Bogota herauffahren. Auf demselben Wege kann das Mehl aus Neugranada hinunterkommen. Der Meta ist wie ein Schiffahrtskanal zwischen Ländern unter derselben Breite, die aber ihren Produkten nach so weit auseinander sind als Frankreich und der Senegal. Durch diesen Umstand wird es von Belang, daß man die Quellen des Flusses, der auf unseren Karten so schlecht gezeichnet ist, genau kennen lernt. Der Meta entsteht durch die Vereinigung zweier Flüsse, die von den Paramos von Chingasa und Suma Paz herab- kommen. Ersterer ist der Rio Negro, der weiter unten den Pachaquiaro aufnimmt; der zweite ist der Rio de Aguas blancas oder Umadea. Sie vereinigen sich in der Nähe des Hafens von Marayal. Vom Paso de la Cabulla, wo man den Rio Negro verläßt, bis zur Hauptstadt Santa Fe sind es nur 36 bis 45 km. Ich habe diese interessanten Notizen, wie ich sie aus dem Munde von Augenzeugen erhalten, in der ersten Ausgabe meiner Karte vom Rio Meta benutzt. Die Reisebeschreibung des Kanonikus Don Josef Cortes Ma- dariaga hat nicht allein meine erste Ansicht vom Laufe des Meta bestätigt, sondern mir auch schätzbares Material zur Berichtigung meiner Arbeit geliefert. Von den Dörfern Xira- mena und Cabullaro bis zu den Dörfern Guanapalo und Santa Rosalia de Cabapuna, auf einer Strecke von 270 km sind die Ufer des Meta stärker bewohnt als die des Orinoko. Es sind dort 14 zum Teil stark bevölkerte christliche Nieder-
Wir brachten zwei Stunden auf einem großen Felſen mitten im Orinoko zu, auf der Piedra de Paciencia, ſo ge- nannt, weil die Pirogen, die den Fluß hinaufgehen, hier nicht ſelten zwei Tage brauchen, um aus dem Strudel heraus- zukommen, der von dieſem Felſen herrührt. Es gelang mir, meine Inſtrumente darauf aufzuſtellen. Nach den Sonnen- höhen, die ich aufnahm, liegt der Einfluß des Meta unter 70° 4′ 29″ der Länge. Nach dieſer chronometriſchen Beob- achtung iſt d’Anvilles Karte von Südamerka, was dieſen Punkt betrifft, in der Länge faſt ganz richtig, während der Fehler in der Breite einen ganzen Grad beträgt.
Der Rio Meta durchzieht die weiten Ebenen von Caſa- nare; er iſt faſt bis zum Fuß der Anden von Neugranada ſchiffbar und muß einmal für die Bevölkerung von Guyana und Venezuela politiſch von großer Bedeutung werden. Aus dem Golfo Triſte und der Boca del Dragon kann eine Flo- tille den Orinoko und Meta bis auf 67 bis 90 km von Santa Fé de Bogota herauffahren. Auf demſelben Wege kann das Mehl aus Neugranada hinunterkommen. Der Meta iſt wie ein Schiffahrtskanal zwiſchen Ländern unter derſelben Breite, die aber ihren Produkten nach ſo weit auseinander ſind als Frankreich und der Senegal. Durch dieſen Umſtand wird es von Belang, daß man die Quellen des Fluſſes, der auf unſeren Karten ſo ſchlecht gezeichnet iſt, genau kennen lernt. Der Meta entſteht durch die Vereinigung zweier Flüſſe, die von den Paramos von Chingaſa und Suma Paz herab- kommen. Erſterer iſt der Rio Negro, der weiter unten den Pachaquiaro aufnimmt; der zweite iſt der Rio de Aguas blancas oder Umadea. Sie vereinigen ſich in der Nähe des Hafens von Marayal. Vom Paſo de la Cabulla, wo man den Rio Negro verläßt, bis zur Hauptſtadt Santa Fé ſind es nur 36 bis 45 km. Ich habe dieſe intereſſanten Notizen, wie ich ſie aus dem Munde von Augenzeugen erhalten, in der erſten Ausgabe meiner Karte vom Rio Meta benutzt. Die Reiſebeſchreibung des Kanonikus Don Joſef Cortes Ma- dariaga hat nicht allein meine erſte Anſicht vom Laufe des Meta beſtätigt, ſondern mir auch ſchätzbares Material zur Berichtigung meiner Arbeit geliefert. Von den Dörfern Xira- mena und Cabullaro bis zu den Dörfern Guanapalo und Santa Roſalia de Cabapuna, auf einer Strecke von 270 km ſind die Ufer des Meta ſtärker bewohnt als die des Orinoko. Es ſind dort 14 zum Teil ſtark bevölkerte chriſtliche Nieder-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0102"n="94"/><p>Wir brachten zwei Stunden auf einem großen Felſen<lb/>
mitten im Orinoko zu, auf der Piedra de Paciencia, ſo ge-<lb/>
nannt, weil die Pirogen, die den Fluß hinaufgehen, hier<lb/>
nicht ſelten zwei Tage brauchen, um aus dem Strudel heraus-<lb/>
zukommen, der von dieſem Felſen herrührt. Es gelang mir,<lb/>
meine Inſtrumente darauf aufzuſtellen. Nach den Sonnen-<lb/>
höhen, die ich aufnahm, liegt der Einfluß des Meta unter<lb/>
70° 4′ 29″ der Länge. Nach dieſer chronometriſchen Beob-<lb/>
achtung iſt d’Anvilles Karte von Südamerka, was dieſen Punkt<lb/>
betrifft, in der Länge faſt ganz richtig, während der Fehler<lb/>
in der Breite einen ganzen Grad beträgt.</p><lb/><p>Der Rio Meta durchzieht die weiten Ebenen von Caſa-<lb/>
nare; er iſt faſt bis zum Fuß der Anden von Neugranada<lb/>ſchiffbar und muß einmal für die Bevölkerung von Guyana<lb/>
und Venezuela politiſch von großer Bedeutung werden. Aus<lb/>
dem Golfo Triſte und der Boca del Dragon kann eine Flo-<lb/>
tille den Orinoko und Meta bis auf 67 bis 90 <hirendition="#aq">km</hi> von<lb/>
Santa F<hirendition="#aq">é</hi> de Bogota herauffahren. Auf demſelben Wege<lb/>
kann das Mehl aus Neugranada hinunterkommen. Der Meta<lb/>
iſt wie ein Schiffahrtskanal zwiſchen Ländern unter derſelben<lb/>
Breite, die aber ihren Produkten nach ſo weit auseinander<lb/>ſind als Frankreich und der Senegal. Durch dieſen Umſtand<lb/>
wird es von Belang, daß man die Quellen des Fluſſes, der<lb/>
auf unſeren Karten ſo ſchlecht gezeichnet iſt, genau kennen<lb/>
lernt. Der Meta entſteht durch die Vereinigung zweier Flüſſe,<lb/>
die von den Paramos von Chingaſa und Suma Paz herab-<lb/>
kommen. Erſterer iſt der Rio Negro, der weiter unten den<lb/>
Pachaquiaro aufnimmt; der zweite iſt der Rio de Aguas<lb/>
blancas oder Umadea. Sie vereinigen ſich in der Nähe des<lb/>
Hafens von Marayal. Vom Paſo de la Cabulla, wo man<lb/>
den Rio Negro verläßt, bis zur Hauptſtadt Santa F<hirendition="#aq">é</hi>ſind<lb/>
es nur 36 bis 45 <hirendition="#aq">km.</hi> Ich habe dieſe intereſſanten Notizen,<lb/>
wie ich ſie aus dem Munde von Augenzeugen erhalten, in<lb/>
der erſten Ausgabe meiner Karte vom Rio Meta benutzt.<lb/>
Die Reiſebeſchreibung des Kanonikus Don Joſef Cortes Ma-<lb/>
dariaga hat nicht allein meine erſte Anſicht vom Laufe des<lb/>
Meta beſtätigt, ſondern mir auch ſchätzbares Material zur<lb/>
Berichtigung meiner Arbeit geliefert. Von den Dörfern Xira-<lb/>
mena und Cabullaro bis zu den Dörfern Guanapalo und<lb/>
Santa Roſalia de Cabapuna, auf einer Strecke von 270 <hirendition="#aq">km</hi><lb/>ſind die Ufer des Meta ſtärker bewohnt als die des Orinoko.<lb/>
Es ſind dort 14 zum Teil ſtark bevölkerte chriſtliche Nieder-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[94/0102]
Wir brachten zwei Stunden auf einem großen Felſen
mitten im Orinoko zu, auf der Piedra de Paciencia, ſo ge-
nannt, weil die Pirogen, die den Fluß hinaufgehen, hier
nicht ſelten zwei Tage brauchen, um aus dem Strudel heraus-
zukommen, der von dieſem Felſen herrührt. Es gelang mir,
meine Inſtrumente darauf aufzuſtellen. Nach den Sonnen-
höhen, die ich aufnahm, liegt der Einfluß des Meta unter
70° 4′ 29″ der Länge. Nach dieſer chronometriſchen Beob-
achtung iſt d’Anvilles Karte von Südamerka, was dieſen Punkt
betrifft, in der Länge faſt ganz richtig, während der Fehler
in der Breite einen ganzen Grad beträgt.
Der Rio Meta durchzieht die weiten Ebenen von Caſa-
nare; er iſt faſt bis zum Fuß der Anden von Neugranada
ſchiffbar und muß einmal für die Bevölkerung von Guyana
und Venezuela politiſch von großer Bedeutung werden. Aus
dem Golfo Triſte und der Boca del Dragon kann eine Flo-
tille den Orinoko und Meta bis auf 67 bis 90 km von
Santa Fé de Bogota herauffahren. Auf demſelben Wege
kann das Mehl aus Neugranada hinunterkommen. Der Meta
iſt wie ein Schiffahrtskanal zwiſchen Ländern unter derſelben
Breite, die aber ihren Produkten nach ſo weit auseinander
ſind als Frankreich und der Senegal. Durch dieſen Umſtand
wird es von Belang, daß man die Quellen des Fluſſes, der
auf unſeren Karten ſo ſchlecht gezeichnet iſt, genau kennen
lernt. Der Meta entſteht durch die Vereinigung zweier Flüſſe,
die von den Paramos von Chingaſa und Suma Paz herab-
kommen. Erſterer iſt der Rio Negro, der weiter unten den
Pachaquiaro aufnimmt; der zweite iſt der Rio de Aguas
blancas oder Umadea. Sie vereinigen ſich in der Nähe des
Hafens von Marayal. Vom Paſo de la Cabulla, wo man
den Rio Negro verläßt, bis zur Hauptſtadt Santa Fé ſind
es nur 36 bis 45 km. Ich habe dieſe intereſſanten Notizen,
wie ich ſie aus dem Munde von Augenzeugen erhalten, in
der erſten Ausgabe meiner Karte vom Rio Meta benutzt.
Die Reiſebeſchreibung des Kanonikus Don Joſef Cortes Ma-
dariaga hat nicht allein meine erſte Anſicht vom Laufe des
Meta beſtätigt, ſondern mir auch ſchätzbares Material zur
Berichtigung meiner Arbeit geliefert. Von den Dörfern Xira-
mena und Cabullaro bis zu den Dörfern Guanapalo und
Santa Roſalia de Cabapuna, auf einer Strecke von 270 km
ſind die Ufer des Meta ſtärker bewohnt als die des Orinoko.
Es ſind dort 14 zum Teil ſtark bevölkerte chriſtliche Nieder-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/102>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.