und kletterten auf die Klippen, zwischen denen wir staken. Es gibt ihrer von allen Größen; sie sind abgerundet, ganz schwarz, bleiglänzend und ohne alle Vegetation. Es ist ein merkwürdiger Anblick, wenn man auf einem der größten Ströme der Erde gleichsam das Wasser verschwinden sieht. Ja noch weit vom Ufer sahen wir die ungeheuren Granit- blöcke aus dem Boden steigen und sich aneinander lehnen. In den Stromschnellen sind die Kanäle zwischen den Felsen über 46 m tief, und sie sind um so schwerer zu finden, da das Gestein nicht selten nach unten eingezogen ist und eine Wölbung unter dem Flußspiegel bildet. Im Raudal von Cariven sahen wir keine Krokodile; die Tiere scheinen das Getöse der Katarakte zu scheuen.
Von Cabruta bis zum Einfluß des Rio Sinaruco, auf einer Strecke von fast zwei Breitengraden, ist das linke Ufer des Orinoko völlig unbewohnt; aber westlich vom Raudal de Cariven hat ein unternehmender Mann, Don Felix Relinchon, Yaruro- und Otomakenindianer in einem kleinen Dorfe zu- sammengebracht. Auf diesen Civilisationsversuch hatten die Mönche unmittelbar keinen Einfluß. Es braucht kaum er- wähnt zu werden, daß Don Felix mit den Missionären am rechten Ufer des Stromes in offener Fehde lebt. Wir werden anderswo die wichtige Frage besprechen, ob unter den gegen- wärtigen Verhältnissen in Spanisch-Amerika dergleichen Capi- tanes pobladores und fundadores an die Stelle der Mönche treten können, und welche der beiden Regierungsarten, die gleich launenhaft und willkürlich sind, für die armen Indianer die schlimmste ist.
Um 9 Uhr langten wir an der Einmündung des Meta an, gegenüber dem Platze, wo früher die von den Jesuiten gegründete Mission Santa Teresa gestanden. Der Meta ist nach dem Guaviare der bedeutendste unter den Nebenflüssen des Orinoko. Man kann ihn der Donau vergleichen, nicht nach der Länge des Laufes, aber hinsichtlich der Wassermasse. Er ist durchschnittlich 11, oft bis zu 28 m tief. Die Ver- einigung beider Ströme gewährt einen äußerst großartigen Anblick. Am östlichen Ufer steigen einzelne Felsen empor, und aufeinander getürmte Granitblöcke sehen von ferne wie verfallene Burgen aus. Breite, sandige Ufer legen sich zwi- schen den Strom und den Saum der Wälder, aber mitten in diesen sieht man am Horizont auf den Berggipfeln einzelne Palmen sich vom Himmel abheben.
und kletterten auf die Klippen, zwiſchen denen wir ſtaken. Es gibt ihrer von allen Größen; ſie ſind abgerundet, ganz ſchwarz, bleiglänzend und ohne alle Vegetation. Es iſt ein merkwürdiger Anblick, wenn man auf einem der größten Ströme der Erde gleichſam das Waſſer verſchwinden ſieht. Ja noch weit vom Ufer ſahen wir die ungeheuren Granit- blöcke aus dem Boden ſteigen und ſich aneinander lehnen. In den Stromſchnellen ſind die Kanäle zwiſchen den Felſen über 46 m tief, und ſie ſind um ſo ſchwerer zu finden, da das Geſtein nicht ſelten nach unten eingezogen iſt und eine Wölbung unter dem Flußſpiegel bildet. Im Raudal von Cariven ſahen wir keine Krokodile; die Tiere ſcheinen das Getöſe der Katarakte zu ſcheuen.
Von Cabruta bis zum Einfluß des Rio Sinaruco, auf einer Strecke von faſt zwei Breitengraden, iſt das linke Ufer des Orinoko völlig unbewohnt; aber weſtlich vom Raudal de Cariven hat ein unternehmender Mann, Don Felix Relinchon, Yaruro- und Otomakenindianer in einem kleinen Dorfe zu- ſammengebracht. Auf dieſen Civiliſationsverſuch hatten die Mönche unmittelbar keinen Einfluß. Es braucht kaum er- wähnt zu werden, daß Don Felix mit den Miſſionären am rechten Ufer des Stromes in offener Fehde lebt. Wir werden anderswo die wichtige Frage beſprechen, ob unter den gegen- wärtigen Verhältniſſen in Spaniſch-Amerika dergleichen Capi- tanes pobladores und fundadores an die Stelle der Mönche treten können, und welche der beiden Regierungsarten, die gleich launenhaft und willkürlich ſind, für die armen Indianer die ſchlimmſte iſt.
Um 9 Uhr langten wir an der Einmündung des Meta an, gegenüber dem Platze, wo früher die von den Jeſuiten gegründete Miſſion Santa Tereſa geſtanden. Der Meta iſt nach dem Guaviare der bedeutendſte unter den Nebenflüſſen des Orinoko. Man kann ihn der Donau vergleichen, nicht nach der Länge des Laufes, aber hinſichtlich der Waſſermaſſe. Er iſt durchſchnittlich 11, oft bis zu 28 m tief. Die Ver- einigung beider Ströme gewährt einen äußerſt großartigen Anblick. Am öſtlichen Ufer ſteigen einzelne Felſen empor, und aufeinander getürmte Granitblöcke ſehen von ferne wie verfallene Burgen aus. Breite, ſandige Ufer legen ſich zwi- ſchen den Strom und den Saum der Wälder, aber mitten in dieſen ſieht man am Horizont auf den Berggipfeln einzelne Palmen ſich vom Himmel abheben.
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und kletterten auf die Klippen, zwiſchen denen wir ſtaken.
Es gibt ihrer von allen Größen; ſie ſind abgerundet, ganz
ſchwarz, bleiglänzend und ohne alle Vegetation. Es iſt ein
merkwürdiger Anblick, wenn man auf einem der größten
Ströme der Erde gleichſam das Waſſer verſchwinden ſieht.
Ja noch weit vom Ufer ſahen wir die ungeheuren Granit-
blöcke aus dem Boden ſteigen und ſich aneinander lehnen.
In den Stromſchnellen ſind die Kanäle zwiſchen den Felſen
über 46 m tief, und ſie ſind um ſo ſchwerer zu finden, da
das Geſtein nicht ſelten nach unten eingezogen iſt und eine
Wölbung unter dem Flußſpiegel bildet. Im Raudal von
Cariven ſahen wir keine Krokodile; die Tiere ſcheinen das
Getöſe der Katarakte zu ſcheuen.
Von Cabruta bis zum Einfluß des Rio Sinaruco, auf
einer Strecke von faſt zwei Breitengraden, iſt das linke Ufer
des Orinoko völlig unbewohnt; aber weſtlich vom Raudal de
Cariven hat ein unternehmender Mann, Don Felix Relinchon,
Yaruro- und Otomakenindianer in einem kleinen Dorfe zu-
ſammengebracht. Auf dieſen Civiliſationsverſuch hatten die
Mönche unmittelbar keinen Einfluß. Es braucht kaum er-
wähnt zu werden, daß Don Felix mit den Miſſionären am
rechten Ufer des Stromes in offener Fehde lebt. Wir werden
anderswo die wichtige Frage beſprechen, ob unter den gegen-
wärtigen Verhältniſſen in Spaniſch-Amerika dergleichen Capi-
tanes pobladores und fundadores an die Stelle der Mönche
treten können, und welche der beiden Regierungsarten, die
gleich launenhaft und willkürlich ſind, für die armen Indianer
die ſchlimmſte iſt.
Um 9 Uhr langten wir an der Einmündung des Meta
an, gegenüber dem Platze, wo früher die von den Jeſuiten
gegründete Miſſion Santa Tereſa geſtanden. Der Meta iſt
nach dem Guaviare der bedeutendſte unter den Nebenflüſſen
des Orinoko. Man kann ihn der Donau vergleichen, nicht
nach der Länge des Laufes, aber hinſichtlich der Waſſermaſſe.
Er iſt durchſchnittlich 11, oft bis zu 28 m tief. Die Ver-
einigung beider Ströme gewährt einen äußerſt großartigen
Anblick. Am öſtlichen Ufer ſteigen einzelne Felſen empor,
und aufeinander getürmte Granitblöcke ſehen von ferne wie
verfallene Burgen aus. Breite, ſandige Ufer legen ſich zwi-
ſchen den Strom und den Saum der Wälder, aber mitten in
dieſen ſieht man am Horizont auf den Berggipfeln einzelne
Palmen ſich vom Himmel abheben.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/101>, abgerufen am 16.02.2025.
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