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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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kaum eine Spur von Sauerstoff an. Endlich ließ ich in einer
Flasche mit eingeriebenem Stöpsel eine bestimmte Menge stark
benetzter Manglewurzeln auf atmosphärische Luft einwirken.
Aller Sauerstoff verschwand, und derselbe war keineswegs
durch kohlensaures Gas ersetzt, denn das Kalkwasser zeigte
von diesem nur 0,02 an. Ja, die Verminderung des Volu-
mens war bedeutender, als dem absorbirten Sauerstoff ent-
sprach. Nach dieser nur noch flüchtigen Untersuchung war
ich der Ansicht, daß die Luft in den Manglegebüschen durch
das nasse Holz und die Rinde zersetzt wird, nicht durch die
stark gelb gefärbte Schichte Seewasser, die längs der Küste
einen deutlichen Streif bildet. In allen Graden der Zer-
setzung der Holzfaser habe ich nie, auch nur in Spuren,
Schwefelwasserstoff sich entwickeln sehen, dem manche Reisende
den eigentümlichen Geruch unter den Manglebäumen zu-
schreiben. Durch die Zersetzung der schwefelsauren Erden
und Alkalien und ihren Uebergang in schwefligsaure Ver-
bindungen wird ohne Zweifel aus manchen Strand- und
Seegewächsen, wie aus den Tangen, Schwefelwasserstoff ent-
bunden; ich glaube aber vielmehr, daß Rhizophora, Avicennia
und Conocarpus die Luft besonders durch den tierischen Stoff
verderben, den sie neben dem Gerbstoff enthalten. Diese
Sträucher gehören zu den drei natürlichen Familien der Lo-
rantheen, Combrataceen und Pyrenaceen, die reich sind an
adstringierendem Stoff, und ich habe schon oben bemerkt, daß
dieser Stoff selbst in der Rinde unserer Buchen, Erlen und
Nußbäume mit Gallerte verbunden ist.

Uebrigens würde dichtes Buschwerk auf schlammigem
Boden schädliche Ausdünstungen verbreiten, wenn es auch
aus Bäumen bestünde, die an sich keine der Gesundheit nach-
teiligen Eigenschaften haben. Ueberall wo Manglebäume am
Meeresufer wachsen, ziehen sich zahllose Weichtiere und In-
sekten an den Strand. Diese Tiere lieben Beschattung und
Zwielicht, und im dicken, verschlungenen Wurzelwerk, das wie
ein Gitter über dem Wasser steht, finden sie Schutz gegen
den Wellenschlag. Die Schaltiere heften sich an das Gitter,
die Krabben verkriechen sich in die hohlen Stämme, der Tang,
den Wind und Flut an die Küsten treiben, bleibt an den
sich zum Boden niederneigenden Zweigen hängen. Auf diese
Weise, indem sich der Schlamm zwischen den Wurzeln an-
häuft, wird durch die Küstenwälder das feste Land allgemach
vergrößert; aber während sie so der See Boden abgewinnen,

kaum eine Spur von Sauerſtoff an. Endlich ließ ich in einer
Flaſche mit eingeriebenem Stöpſel eine beſtimmte Menge ſtark
benetzter Manglewurzeln auf atmoſphäriſche Luft einwirken.
Aller Sauerſtoff verſchwand, und derſelbe war keineswegs
durch kohlenſaures Gas erſetzt, denn das Kalkwaſſer zeigte
von dieſem nur 0,02 an. Ja, die Verminderung des Volu-
mens war bedeutender, als dem abſorbirten Sauerſtoff ent-
ſprach. Nach dieſer nur noch flüchtigen Unterſuchung war
ich der Anſicht, daß die Luft in den Manglegebüſchen durch
das naſſe Holz und die Rinde zerſetzt wird, nicht durch die
ſtark gelb gefärbte Schichte Seewaſſer, die längs der Küſte
einen deutlichen Streif bildet. In allen Graden der Zer-
ſetzung der Holzfaſer habe ich nie, auch nur in Spuren,
Schwefelwaſſerſtoff ſich entwickeln ſehen, dem manche Reiſende
den eigentümlichen Geruch unter den Manglebäumen zu-
ſchreiben. Durch die Zerſetzung der ſchwefelſauren Erden
und Alkalien und ihren Uebergang in ſchwefligſaure Ver-
bindungen wird ohne Zweifel aus manchen Strand- und
Seegewächſen, wie aus den Tangen, Schwefelwaſſerſtoff ent-
bunden; ich glaube aber vielmehr, daß Rhizophora, Avicennia
und Conocarpus die Luft beſonders durch den tieriſchen Stoff
verderben, den ſie neben dem Gerbſtoff enthalten. Dieſe
Sträucher gehören zu den drei natürlichen Familien der Lo-
rantheen, Combrataceen und Pyrenaceen, die reich ſind an
adſtringierendem Stoff, und ich habe ſchon oben bemerkt, daß
dieſer Stoff ſelbſt in der Rinde unſerer Buchen, Erlen und
Nußbäume mit Gallerte verbunden iſt.

Uebrigens würde dichtes Buſchwerk auf ſchlammigem
Boden ſchädliche Ausdünſtungen verbreiten, wenn es auch
aus Bäumen beſtünde, die an ſich keine der Geſundheit nach-
teiligen Eigenſchaften haben. Ueberall wo Manglebäume am
Meeresufer wachſen, ziehen ſich zahlloſe Weichtiere und In-
ſekten an den Strand. Dieſe Tiere lieben Beſchattung und
Zwielicht, und im dicken, verſchlungenen Wurzelwerk, das wie
ein Gitter über dem Waſſer ſteht, finden ſie Schutz gegen
den Wellenſchlag. Die Schaltiere heften ſich an das Gitter,
die Krabben verkriechen ſich in die hohlen Stämme, der Tang,
den Wind und Flut an die Küſten treiben, bleibt an den
ſich zum Boden niederneigenden Zweigen hängen. Auf dieſe
Weiſe, indem ſich der Schlamm zwiſchen den Wurzeln an-
häuft, wird durch die Küſtenwälder das feſte Land allgemach
vergrößert; aber während ſie ſo der See Boden abgewinnen,

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[73/0081] kaum eine Spur von Sauerſtoff an. Endlich ließ ich in einer Flaſche mit eingeriebenem Stöpſel eine beſtimmte Menge ſtark benetzter Manglewurzeln auf atmoſphäriſche Luft einwirken. Aller Sauerſtoff verſchwand, und derſelbe war keineswegs durch kohlenſaures Gas erſetzt, denn das Kalkwaſſer zeigte von dieſem nur 0,02 an. Ja, die Verminderung des Volu- mens war bedeutender, als dem abſorbirten Sauerſtoff ent- ſprach. Nach dieſer nur noch flüchtigen Unterſuchung war ich der Anſicht, daß die Luft in den Manglegebüſchen durch das naſſe Holz und die Rinde zerſetzt wird, nicht durch die ſtark gelb gefärbte Schichte Seewaſſer, die längs der Küſte einen deutlichen Streif bildet. In allen Graden der Zer- ſetzung der Holzfaſer habe ich nie, auch nur in Spuren, Schwefelwaſſerſtoff ſich entwickeln ſehen, dem manche Reiſende den eigentümlichen Geruch unter den Manglebäumen zu- ſchreiben. Durch die Zerſetzung der ſchwefelſauren Erden und Alkalien und ihren Uebergang in ſchwefligſaure Ver- bindungen wird ohne Zweifel aus manchen Strand- und Seegewächſen, wie aus den Tangen, Schwefelwaſſerſtoff ent- bunden; ich glaube aber vielmehr, daß Rhizophora, Avicennia und Conocarpus die Luft beſonders durch den tieriſchen Stoff verderben, den ſie neben dem Gerbſtoff enthalten. Dieſe Sträucher gehören zu den drei natürlichen Familien der Lo- rantheen, Combrataceen und Pyrenaceen, die reich ſind an adſtringierendem Stoff, und ich habe ſchon oben bemerkt, daß dieſer Stoff ſelbſt in der Rinde unſerer Buchen, Erlen und Nußbäume mit Gallerte verbunden iſt. Uebrigens würde dichtes Buſchwerk auf ſchlammigem Boden ſchädliche Ausdünſtungen verbreiten, wenn es auch aus Bäumen beſtünde, die an ſich keine der Geſundheit nach- teiligen Eigenſchaften haben. Ueberall wo Manglebäume am Meeresufer wachſen, ziehen ſich zahlloſe Weichtiere und In- ſekten an den Strand. Dieſe Tiere lieben Beſchattung und Zwielicht, und im dicken, verſchlungenen Wurzelwerk, das wie ein Gitter über dem Waſſer ſteht, finden ſie Schutz gegen den Wellenſchlag. Die Schaltiere heften ſich an das Gitter, die Krabben verkriechen ſich in die hohlen Stämme, der Tang, den Wind und Flut an die Küſten treiben, bleibt an den ſich zum Boden niederneigenden Zweigen hängen. Auf dieſe Weiſe, indem ſich der Schlamm zwiſchen den Wurzeln an- häuft, wird durch die Küſtenwälder das feſte Land allgemach vergrößert; aber während ſie ſo der See Boden abgewinnen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/81>, abgerufen am 22.11.2024.