Der Hafen von Barcelona, der auf unseren Karten kaum angegeben ist, treibt seit 1795 einen sehr lebhaften Handel. Aus diesem Hafen werden größtenteils die Produkte der weiten Steppen ausgeführt, die sich vom Südabhang der Küstenkette bis zum Orinoko ausbreiten und sehr reich sind an Vieh aller Art, fast so reich wie die Pampas von Buenos Ayres. Die Handelsindustrie dieser Länder gründet sich auf den Bedarf der Großen und Kleinen Antillen an gesalzenem Fleisch, Rind- vieh, Maultieren und Pferden. Da die Küsten von Terra Firma der Insel Cuba in einer Entfernung von 15 bis 18 Tagereisen gegenüberliegen, so beziehen die Handelsleute in der Havana, zumal im Frieden, ihren Bedarf lieber aus dem Hafen von Barcelona, als daß sie das Wagnis einer langen Seefahrt in die andere Halbkugel zur Mündung des Rio de la Plata übernähmen. Von der schwarzen Bevölkerung von 1300000 Köpfen, die der Archipel der Antillen schon jetzt zählt, kommen auf Cuba allein über 230000 Sklaven, deren Nahrung aus Gemüsen, gesalzenem Fleisch und getrockneten Fischen besteht. Jedes Fahrzeug, das gesalzenes Fleisch oder Tasajo von Terra Firma führt, ladet 20000 bis 30000 Arrobas, deren Handelswert über 45000 Piaster beträgt. Barce- lona ist besonders für den Viehhandel gut gelegen. Die Tiere kommen in drei Tagen aus den Llanos in den Hafen, während sie wegen der Gebirgskette des Brigantin und des Imposible nach Cumana acht bis neun brauchen. Nach den Angaben, die ich mir verschaffen konnte, wurden in den Jahren 1799 und 1800 in Barcelona 8000, in Porto Cabello 6000, in Carupano 3000 Maultiere nach den spanischen, englischen und französi- schen Inseln eingeschifft. Wie viele aus Burburata, Coro und aus den Mündungen des Guarapiche und Orinoko aus- geführt werden, weiß ich nicht genau; aber trotz der Einflüsse, durch welche die Zahl der Tiere in den Llanos von Cumana, Barcelona und Caracas herabgebracht worden ist, müssen nach meiner Schätzung diese unermeßlichen Steppen damals nicht unter 30000 Maultieren jährlich in den Handel mit den An- tillen gebracht haben. Jedes Maultier zu 26 Piaster (Kauf- preis) gerechnet, bringt also dieser Handelszweig allein gegen 3700000 Franken ein, abgesehen vom Gewinn durch die Schiffsfracht. De Pons, der sonst in seinen statistischen An- gaben sehr genau ist, gibt kleinere Zahlen an. Da er nicht selbst die Llanos besuchen konnte, und da er als Agent der französischen Regierung sich fortwährend in der Stadt Caracas
Der Hafen von Barcelona, der auf unſeren Karten kaum angegeben iſt, treibt ſeit 1795 einen ſehr lebhaften Handel. Aus dieſem Hafen werden größtenteils die Produkte der weiten Steppen ausgeführt, die ſich vom Südabhang der Küſtenkette bis zum Orinoko ausbreiten und ſehr reich ſind an Vieh aller Art, faſt ſo reich wie die Pampas von Buenos Ayres. Die Handelsinduſtrie dieſer Länder gründet ſich auf den Bedarf der Großen und Kleinen Antillen an geſalzenem Fleiſch, Rind- vieh, Maultieren und Pferden. Da die Küſten von Terra Firma der Inſel Cuba in einer Entfernung von 15 bis 18 Tagereiſen gegenüberliegen, ſo beziehen die Handelsleute in der Havana, zumal im Frieden, ihren Bedarf lieber aus dem Hafen von Barcelona, als daß ſie das Wagnis einer langen Seefahrt in die andere Halbkugel zur Mündung des Rio de la Plata übernähmen. Von der ſchwarzen Bevölkerung von 1300000 Köpfen, die der Archipel der Antillen ſchon jetzt zählt, kommen auf Cuba allein über 230000 Sklaven, deren Nahrung aus Gemüſen, geſalzenem Fleiſch und getrockneten Fiſchen beſteht. Jedes Fahrzeug, das geſalzenes Fleiſch oder Taſajo von Terra Firma führt, ladet 20000 bis 30000 Arrobas, deren Handelswert über 45000 Piaſter beträgt. Barce- lona iſt beſonders für den Viehhandel gut gelegen. Die Tiere kommen in drei Tagen aus den Llanos in den Hafen, während ſie wegen der Gebirgskette des Brigantin und des Impoſible nach Cumana acht bis neun brauchen. Nach den Angaben, die ich mir verſchaffen konnte, wurden in den Jahren 1799 und 1800 in Barcelona 8000, in Porto Cabello 6000, in Carupano 3000 Maultiere nach den ſpaniſchen, engliſchen und franzöſi- ſchen Inſeln eingeſchifft. Wie viele aus Burburata, Coro und aus den Mündungen des Guarapiche und Orinoko aus- geführt werden, weiß ich nicht genau; aber trotz der Einflüſſe, durch welche die Zahl der Tiere in den Llanos von Cumana, Barcelona und Caracas herabgebracht worden iſt, müſſen nach meiner Schätzung dieſe unermeßlichen Steppen damals nicht unter 30000 Maultieren jährlich in den Handel mit den An- tillen gebracht haben. Jedes Maultier zu 26 Piaſter (Kauf- preis) gerechnet, bringt alſo dieſer Handelszweig allein gegen 3700000 Franken ein, abgeſehen vom Gewinn durch die Schiffsfracht. De Pons, der ſonſt in ſeinen ſtatiſtiſchen An- gaben ſehr genau iſt, gibt kleinere Zahlen an. Da er nicht ſelbſt die Llanos beſuchen konnte, und da er als Agent der franzöſiſchen Regierung ſich fortwährend in der Stadt Caracas
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Der Hafen von Barcelona, der auf unſeren Karten kaum
angegeben iſt, treibt ſeit 1795 einen ſehr lebhaften Handel.
Aus dieſem Hafen werden größtenteils die Produkte der weiten
Steppen ausgeführt, die ſich vom Südabhang der Küſtenkette
bis zum Orinoko ausbreiten und ſehr reich ſind an Vieh aller
Art, faſt ſo reich wie die Pampas von Buenos Ayres. Die
Handelsinduſtrie dieſer Länder gründet ſich auf den Bedarf
der Großen und Kleinen Antillen an geſalzenem Fleiſch, Rind-
vieh, Maultieren und Pferden. Da die Küſten von Terra
Firma der Inſel Cuba in einer Entfernung von 15 bis 18
Tagereiſen gegenüberliegen, ſo beziehen die Handelsleute in
der Havana, zumal im Frieden, ihren Bedarf lieber aus dem
Hafen von Barcelona, als daß ſie das Wagnis einer langen
Seefahrt in die andere Halbkugel zur Mündung des Rio de
la Plata übernähmen. Von der ſchwarzen Bevölkerung von
1300000 Köpfen, die der Archipel der Antillen ſchon jetzt
zählt, kommen auf Cuba allein über 230000 Sklaven, deren
Nahrung aus Gemüſen, geſalzenem Fleiſch und getrockneten
Fiſchen beſteht. Jedes Fahrzeug, das geſalzenes Fleiſch oder
Taſajo von Terra Firma führt, ladet 20000 bis 30000
Arrobas, deren Handelswert über 45000 Piaſter beträgt. Barce-
lona iſt beſonders für den Viehhandel gut gelegen. Die Tiere
kommen in drei Tagen aus den Llanos in den Hafen, während
ſie wegen der Gebirgskette des Brigantin und des Impoſible
nach Cumana acht bis neun brauchen. Nach den Angaben, die
ich mir verſchaffen konnte, wurden in den Jahren 1799 und 1800
in Barcelona 8000, in Porto Cabello 6000, in Carupano
3000 Maultiere nach den ſpaniſchen, engliſchen und franzöſi-
ſchen Inſeln eingeſchifft. Wie viele aus Burburata, Coro
und aus den Mündungen des Guarapiche und Orinoko aus-
geführt werden, weiß ich nicht genau; aber trotz der Einflüſſe,
durch welche die Zahl der Tiere in den Llanos von Cumana,
Barcelona und Caracas herabgebracht worden iſt, müſſen nach
meiner Schätzung dieſe unermeßlichen Steppen damals nicht
unter 30000 Maultieren jährlich in den Handel mit den An-
tillen gebracht haben. Jedes Maultier zu 26 Piaſter (Kauf-
preis) gerechnet, bringt alſo dieſer Handelszweig allein gegen
3700000 Franken ein, abgeſehen vom Gewinn durch die
Schiffsfracht. De Pons, der ſonſt in ſeinen ſtatiſtiſchen An-
gaben ſehr genau iſt, gibt kleinere Zahlen an. Da er nicht
ſelbſt die Llanos beſuchen konnte, und da er als Agent der
franzöſiſchen Regierung ſich fortwährend in der Stadt Caracas
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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