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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Von Weimar an den Rio Negro sind es 3340 km, vom
Rio Negro nach Herrnhut in Grönland 5850 km. Sind an
so weit auseinander gelegenen Punkten dieselben Meteore ge-
sehen worden, so setzt dies für dieselben eine Höhe von
1850 km voraus. Bei Weimar zeigten sich die Lichtstreifen
gegen Süd und Südwest, in Cumana gegen Ost und Ost-
Nord-Ost. Man könnte deshalb glauben, zahllose Aerolithen
müßten zwischen Afrika und Südamerika westwärts von den
Inseln des Grünen Vorgebirges ins Meer gefallen sein. Wie
kommt es aber, daß die Feuerkugeln, die in Labrader und
Cumana verschiedene Richtungen hatten, am letzteren Orte
nicht gegen Nord gesehen wurden, wie in Cayenne? Man
kann nicht vorsichtig genug sein mit einer Annahme, zu der
es noch an guten, an weit auseinander gelegenen Orten an-
gestellten Beobachtungen fehlt. Ich möchte fast glauben, daß
die Chaymas in Cumana nicht dieselben Feuerkugeln gesehen
haben, wie die Portugiesen in Brasilien und die Missionäre
in Labrador; immer aber bleibt es unzweifelhaft (und diese
Thatsache scheint mir höchst merkwürdig), daß in der Neuen
Welt zwischen 46° und 82° der Länge, vom Aequator bis
zu 64° der Breite in denselben Stunden eine ungeheure
Menge Feuerkugeln und Sternschnuppen gesehen worden ist.
Auf einem Flächenraume von 18650000 qkm erschienen die
Meteore überall gleich glänzend.

Die Physiker (Benzenberg und Brandes), welche in neuerer
Zeit über die Sternschnuppen und ihre Parallaxen so müh-
same Untersuchungen angestellt haben, betrachten sie als Me-
teore, die der äußersten Grenze unseres Luftkreises, dem Raume
zwischen der Region des Nordlichtes und der der leichtesten
Wolken 1 angehören. Es sind welche beobachtet worden, die
nur 27,3 km hoch waren, und die höchsten scheinen nicht über
164 km hoch zu sein. Sie haben häufig über 32 m Durch-
messer und ihre Geschwindigkeit ist so bedeutend, daß sie in
wenigen Sekunden 9 km zurücklegen. Man hat welche ge-
messen, die fast senkrecht oder unter einem Winkel von 50°
von unten nach oben liefen. Aus diesem sehr merkwürdigen
Umstande hat man geschlossen, daß die Sternschnuppen keine

1 Nach meinen Beobachtungen auf dem Rücken der Anden in
mehr als 5260 m Meereshöhe über die Schäfchen oder kleinen
weißen, gekräuselten Wolken schätzte ich die Höhe derselben zuweilen
auf mehr als 11700 m über der Küste.

Von Weimar an den Rio Negro ſind es 3340 km, vom
Rio Negro nach Herrnhut in Grönland 5850 km. Sind an
ſo weit auseinander gelegenen Punkten dieſelben Meteore ge-
ſehen worden, ſo ſetzt dies für dieſelben eine Höhe von
1850 km voraus. Bei Weimar zeigten ſich die Lichtſtreifen
gegen Süd und Südweſt, in Cumana gegen Oſt und Oſt-
Nord-Oſt. Man könnte deshalb glauben, zahlloſe Aerolithen
müßten zwiſchen Afrika und Südamerika weſtwärts von den
Inſeln des Grünen Vorgebirges ins Meer gefallen ſein. Wie
kommt es aber, daß die Feuerkugeln, die in Labrader und
Cumana verſchiedene Richtungen hatten, am letzteren Orte
nicht gegen Nord geſehen wurden, wie in Cayenne? Man
kann nicht vorſichtig genug ſein mit einer Annahme, zu der
es noch an guten, an weit auseinander gelegenen Orten an-
geſtellten Beobachtungen fehlt. Ich möchte faſt glauben, daß
die Chaymas in Cumana nicht dieſelben Feuerkugeln geſehen
haben, wie die Portugieſen in Braſilien und die Miſſionäre
in Labrador; immer aber bleibt es unzweifelhaft (und dieſe
Thatſache ſcheint mir höchſt merkwürdig), daß in der Neuen
Welt zwiſchen 46° und 82° der Länge, vom Aequator bis
zu 64° der Breite in denſelben Stunden eine ungeheure
Menge Feuerkugeln und Sternſchnuppen geſehen worden iſt.
Auf einem Flächenraume von 18650000 qkm erſchienen die
Meteore überall gleich glänzend.

Die Phyſiker (Benzenberg und Brandes), welche in neuerer
Zeit über die Sternſchnuppen und ihre Parallaxen ſo müh-
ſame Unterſuchungen angeſtellt haben, betrachten ſie als Me-
teore, die der äußerſten Grenze unſeres Luftkreiſes, dem Raume
zwiſchen der Region des Nordlichtes und der der leichteſten
Wolken 1 angehören. Es ſind welche beobachtet worden, die
nur 27,3 km hoch waren, und die höchſten ſcheinen nicht über
164 km hoch zu ſein. Sie haben häufig über 32 m Durch-
meſſer und ihre Geſchwindigkeit iſt ſo bedeutend, daß ſie in
wenigen Sekunden 9 km zurücklegen. Man hat welche ge-
meſſen, die faſt ſenkrecht oder unter einem Winkel von 50°
von unten nach oben liefen. Aus dieſem ſehr merkwürdigen
Umſtande hat man geſchloſſen, daß die Sternſchnuppen keine

1 Nach meinen Beobachtungen auf dem Rücken der Anden in
mehr als 5260 m Meereshöhe über die Schäfchen oder kleinen
weißen, gekräuſelten Wolken ſchätzte ich die Höhe derſelben zuweilen
auf mehr als 11700 m über der Küſte.
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[56/0064] Von Weimar an den Rio Negro ſind es 3340 km, vom Rio Negro nach Herrnhut in Grönland 5850 km. Sind an ſo weit auseinander gelegenen Punkten dieſelben Meteore ge- ſehen worden, ſo ſetzt dies für dieſelben eine Höhe von 1850 km voraus. Bei Weimar zeigten ſich die Lichtſtreifen gegen Süd und Südweſt, in Cumana gegen Oſt und Oſt- Nord-Oſt. Man könnte deshalb glauben, zahlloſe Aerolithen müßten zwiſchen Afrika und Südamerika weſtwärts von den Inſeln des Grünen Vorgebirges ins Meer gefallen ſein. Wie kommt es aber, daß die Feuerkugeln, die in Labrader und Cumana verſchiedene Richtungen hatten, am letzteren Orte nicht gegen Nord geſehen wurden, wie in Cayenne? Man kann nicht vorſichtig genug ſein mit einer Annahme, zu der es noch an guten, an weit auseinander gelegenen Orten an- geſtellten Beobachtungen fehlt. Ich möchte faſt glauben, daß die Chaymas in Cumana nicht dieſelben Feuerkugeln geſehen haben, wie die Portugieſen in Braſilien und die Miſſionäre in Labrador; immer aber bleibt es unzweifelhaft (und dieſe Thatſache ſcheint mir höchſt merkwürdig), daß in der Neuen Welt zwiſchen 46° und 82° der Länge, vom Aequator bis zu 64° der Breite in denſelben Stunden eine ungeheure Menge Feuerkugeln und Sternſchnuppen geſehen worden iſt. Auf einem Flächenraume von 18650000 qkm erſchienen die Meteore überall gleich glänzend. Die Phyſiker (Benzenberg und Brandes), welche in neuerer Zeit über die Sternſchnuppen und ihre Parallaxen ſo müh- ſame Unterſuchungen angeſtellt haben, betrachten ſie als Me- teore, die der äußerſten Grenze unſeres Luftkreiſes, dem Raume zwiſchen der Region des Nordlichtes und der der leichteſten Wolken 1 angehören. Es ſind welche beobachtet worden, die nur 27,3 km hoch waren, und die höchſten ſcheinen nicht über 164 km hoch zu ſein. Sie haben häufig über 32 m Durch- meſſer und ihre Geſchwindigkeit iſt ſo bedeutend, daß ſie in wenigen Sekunden 9 km zurücklegen. Man hat welche ge- meſſen, die faſt ſenkrecht oder unter einem Winkel von 50° von unten nach oben liefen. Aus dieſem ſehr merkwürdigen Umſtande hat man geſchloſſen, daß die Sternſchnuppen keine 1 Nach meinen Beobachtungen auf dem Rücken der Anden in mehr als 5260 m Meereshöhe über die Schäfchen oder kleinen weißen, gekräuſelten Wolken ſchätzte ich die Höhe derſelben zuweilen auf mehr als 11700 m über der Küſte.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/64>, abgerufen am 24.11.2024.