beschreiben und, nachdem sie in der Richtung des Meridians fortgelaufen, gegen Süd niederfallen. Manche stiegen 40° hoch, alle höher als 25 bis 30°. Der Wind war in der niederen Luftregion sehr schwach und blies aus Ost; von Wolken war keine Spur zu sehen. Nach Bonplands Aussage war gleich zu Anfang der Erscheinung kein Stück am Himmel so groß als drei Monddurchmesser, das nicht jeden Augenblick von Feuerkugeln und Sternschnuppen gewimmelt hätte. Der ersteren waren wenigere; da man ihrer aber von verschiedenen Größen sah, so war zwischen diesen beiden Klassen von Er- scheinungen unmöglich, eine Grenze zu ziehen. Alle Meteore ließen 8 bis 10° lange Lichtstreifen hinter sich zurück, was zwischen den Wendekreisen häufig vorkommt. Die Phos- phoreszenz dieser Lichtstreifen hielt 7 bis 8 Sekunden an. Manche Sternschnuppen hatten einen sehr deutlichen Kern von der Größe der Jupiterscheibe, von dem sehr stark leuchtende Lichtfunken ausfuhren. Die Feuerkugeln schienen wie durch Explosion zu platzen; aber die größten, von 1 bis 1° 13' Durch- messer, verschwanden ohne Funkenwerfen und ließen leuchtende, 15 bis 20 Minuten breite Streifen (trabes) hinter sich. Das Licht der Meteore war weiß, nicht rötlich, wahrscheinlich weil die Luft ganz dunstfrei und sehr durchsichtig war. Aus dem- selben Grunde haben unter den Tropen die Sterne erster Größe beim Aufgehen ein auffallend weißeres Licht als in Europa.
Fast alle Einwohner von Cumana sahen die Erscheinung mit an, weil sie vor 4 Uhr aus den Häusern gehen, um die Frühmesse zu hören. Der Anblick der Feuerkugeln war ihnen keineswegs gleichgültig; die ältesten erinnerten sich, daß dem großen Erdbeben des Jahres 1766 ein ganz ähnliches Phänomen vorausgegangen war. In der indianischen Vor- stadt waren die Guaikeri auf den Beinen; sie behaupteten, "das Feuerwerk habe um ein Uhr nachts begonnen, und als sie vom Fischfang im Meerbusen zurückgekommen, haben sie schon Sternschnuppen, aber ganz kleine, im Osten aufsteigen sehen". Sie versicherten zugleich, auf dieser Küste seien nach 2 Uhr morgens Feuermeteore sehr selten.
Von 4 Uhr an hörte die Erscheinung allmählich auf; Feuerkugeln und Sternschnuppen wurden seltener, indessen konnte man noch eine Viertelstunde nach Sonnenaufgang mehrere an ihrem weißen Lichte und dem raschen Hinfahren erkennen. Dies erscheint nicht so auffallend, wenn ich daran
beſchreiben und, nachdem ſie in der Richtung des Meridians fortgelaufen, gegen Süd niederfallen. Manche ſtiegen 40° hoch, alle höher als 25 bis 30°. Der Wind war in der niederen Luftregion ſehr ſchwach und blies aus Oſt; von Wolken war keine Spur zu ſehen. Nach Bonplands Ausſage war gleich zu Anfang der Erſcheinung kein Stück am Himmel ſo groß als drei Monddurchmeſſer, das nicht jeden Augenblick von Feuerkugeln und Sternſchnuppen gewimmelt hätte. Der erſteren waren wenigere; da man ihrer aber von verſchiedenen Größen ſah, ſo war zwiſchen dieſen beiden Klaſſen von Er- ſcheinungen unmöglich, eine Grenze zu ziehen. Alle Meteore ließen 8 bis 10° lange Lichtſtreifen hinter ſich zurück, was zwiſchen den Wendekreiſen häufig vorkommt. Die Phos- phoreszenz dieſer Lichtſtreifen hielt 7 bis 8 Sekunden an. Manche Sternſchnuppen hatten einen ſehr deutlichen Kern von der Größe der Jupiterſcheibe, von dem ſehr ſtark leuchtende Lichtfunken ausfuhren. Die Feuerkugeln ſchienen wie durch Exploſion zu platzen; aber die größten, von 1 bis 1° 13′ Durch- meſſer, verſchwanden ohne Funkenwerfen und ließen leuchtende, 15 bis 20 Minuten breite Streifen (trabes) hinter ſich. Das Licht der Meteore war weiß, nicht rötlich, wahrſcheinlich weil die Luft ganz dunſtfrei und ſehr durchſichtig war. Aus dem- ſelben Grunde haben unter den Tropen die Sterne erſter Größe beim Aufgehen ein auffallend weißeres Licht als in Europa.
Faſt alle Einwohner von Cumana ſahen die Erſcheinung mit an, weil ſie vor 4 Uhr aus den Häuſern gehen, um die Frühmeſſe zu hören. Der Anblick der Feuerkugeln war ihnen keineswegs gleichgültig; die älteſten erinnerten ſich, daß dem großen Erdbeben des Jahres 1766 ein ganz ähnliches Phänomen vorausgegangen war. In der indianiſchen Vor- ſtadt waren die Guaikeri auf den Beinen; ſie behaupteten, „das Feuerwerk habe um ein Uhr nachts begonnen, und als ſie vom Fiſchfang im Meerbuſen zurückgekommen, haben ſie ſchon Sternſchnuppen, aber ganz kleine, im Oſten aufſteigen ſehen“. Sie verſicherten zugleich, auf dieſer Küſte ſeien nach 2 Uhr morgens Feuermeteore ſehr ſelten.
Von 4 Uhr an hörte die Erſcheinung allmählich auf; Feuerkugeln und Sternſchnuppen wurden ſeltener, indeſſen konnte man noch eine Viertelſtunde nach Sonnenaufgang mehrere an ihrem weißen Lichte und dem raſchen Hinfahren erkennen. Dies erſcheint nicht ſo auffallend, wenn ich daran
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beſchreiben und, nachdem ſie in der Richtung des Meridians
fortgelaufen, gegen Süd niederfallen. Manche ſtiegen 40°
hoch, alle höher als 25 bis 30°. Der Wind war in der
niederen Luftregion ſehr ſchwach und blies aus Oſt; von
Wolken war keine Spur zu ſehen. Nach Bonplands Ausſage
war gleich zu Anfang der Erſcheinung kein Stück am Himmel
ſo groß als drei Monddurchmeſſer, das nicht jeden Augenblick
von Feuerkugeln und Sternſchnuppen gewimmelt hätte. Der
erſteren waren wenigere; da man ihrer aber von verſchiedenen
Größen ſah, ſo war zwiſchen dieſen beiden Klaſſen von Er-
ſcheinungen unmöglich, eine Grenze zu ziehen. Alle Meteore
ließen 8 bis 10° lange Lichtſtreifen hinter ſich zurück, was
zwiſchen den Wendekreiſen häufig vorkommt. Die Phos-
phoreszenz dieſer Lichtſtreifen hielt 7 bis 8 Sekunden an.
Manche Sternſchnuppen hatten einen ſehr deutlichen Kern von
der Größe der Jupiterſcheibe, von dem ſehr ſtark leuchtende
Lichtfunken ausfuhren. Die Feuerkugeln ſchienen wie durch
Exploſion zu platzen; aber die größten, von 1 bis 1° 13′ Durch-
meſſer, verſchwanden ohne Funkenwerfen und ließen leuchtende,
15 bis 20 Minuten breite Streifen (trabes) hinter ſich. Das
Licht der Meteore war weiß, nicht rötlich, wahrſcheinlich weil
die Luft ganz dunſtfrei und ſehr durchſichtig war. Aus dem-
ſelben Grunde haben unter den Tropen die Sterne erſter
Größe beim Aufgehen ein auffallend weißeres Licht als in
Europa.
Faſt alle Einwohner von Cumana ſahen die Erſcheinung
mit an, weil ſie vor 4 Uhr aus den Häuſern gehen, um
die Frühmeſſe zu hören. Der Anblick der Feuerkugeln war
ihnen keineswegs gleichgültig; die älteſten erinnerten ſich, daß
dem großen Erdbeben des Jahres 1766 ein ganz ähnliches
Phänomen vorausgegangen war. In der indianiſchen Vor-
ſtadt waren die Guaikeri auf den Beinen; ſie behaupteten,
„das Feuerwerk habe um ein Uhr nachts begonnen, und als
ſie vom Fiſchfang im Meerbuſen zurückgekommen, haben ſie
ſchon Sternſchnuppen, aber ganz kleine, im Oſten aufſteigen
ſehen“. Sie verſicherten zugleich, auf dieſer Küſte ſeien nach
2 Uhr morgens Feuermeteore ſehr ſelten.
Von 4 Uhr an hörte die Erſcheinung allmählich auf;
Feuerkugeln und Sternſchnuppen wurden ſeltener, indeſſen
konnte man noch eine Viertelſtunde nach Sonnenaufgang
mehrere an ihrem weißen Lichte und dem raſchen Hinfahren
erkennen. Dies erſcheint nicht ſo auffallend, wenn ich daran
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/60>, abgerufen am 16.02.2025.
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