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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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"ich wie nicht"; "quenpotupra quoguaz, ich kenne ihn nicht",
wörtlich: "ihn kennend nicht ich bin"; "quenepra quoguaz,
ich habe ihn nicht gesehen", wörtlich: "ihn sehend nicht ich
bin". Im Tamanacu sagt man: "acurivane, schön", und
"acurivanepra, häßlich, nicht schön"; "uotopra, es gibt keinen
Fisch", wörtlich: "Fisch nicht"; "uteripipra, ich will nicht
gehen", wörtlich: "ich gehen wollen nicht"; und dies ist zu-
sammengesetzt aus iteri, gehen, ipiri, wollen, und pra, nicht.
Bei den Kariben, deren Sprache auch Aehnlichkeit mit dem
Tamanacu hat, obgleich weit weniger als das Chaymas, wird
die Verneinung durch ein m vor dem Zeitworte ausgedrückt:
"amoyenlenganti, es ist sehr kalt"; "mamoyenlenganti, es
ist nicht sehr kalt". In ähnlicher Weise gibt im Tamanacu
die Partikel mna, dem Zeitworte nicht angehängt, sondern
eingeschoben, demselben einen verneinenden Sinn, z. B. taro,
sagen, taromnar, nicht sagen.

Das Hauptzeitwort sein, das in allen Sprachen sehr
unregelmäßig ist, lautet im Chaymas az oder ats, im Ta-
manacu uochiri (in den Zusammensetzungen uac, uatscha).
Es dient nicht bloß zur Bildung des Passivs, sondern wird
offenbar auch, wie durch Agglutination, in vielen Tempora
der Wurzel der attributiven Zeitwörter angehängt. Diese
Agglutinationen erinnern an den Gebrauch der Hilfszeitwörter
as und bhu im Sanskrit, des fu oder fuo im Lateinischen, 1
das izan, ucan und eguin im Baskischen. Es gibt gewisse
Punkte, in denen die einander unähnlichsten Sprachen zu-
sammentreffen; das Gemeinsame in der geistigen Organisation
des Menschen spiegelt sich ab im allgemeinen Bau der Sprachen,
und in jedem Idiom, auch dem scheinbar barbarischsten, offen-
bart sich ein regelndes Prinzip, das es geschaffen.

Die Mehrzahl hat im Tamanacu siebenerlei Formen je
nach der Endung des Substantiv, oder je nachdem es etwas
Lebendes oder etwas Lebloses bedeutet. 2 Im Chaymas wird
die Mehrzahl, wie im Karibischen, durch on bezeichnet: "teure,
er selbst"; "teurecon, sie selbst"; "taronocon, die hier";

1 Daher fu-ero, amav-issem, amav-eram, post-sum (pot-sum).
2 Tamanacu hat in der Mehrzahl Tamanakemi; Pongheme
heißt ein Spanier, wörtlich ein bekleideter Mensch; Pongamo, die
Spanier oder die Bekleideten. Der Pluralis auf ene kommt leb-
losen Gegenständen zu; z. B. cene, Ding, cenecne, Dinge, jeje,
Baum, jejecne, Bäume.

„ich wie nicht“; „quenpotupra quoguaz, ich kenne ihn nicht“,
wörtlich: „ihn kennend nicht ich bin“; „quenepra quoguaz,
ich habe ihn nicht geſehen“, wörtlich: „ihn ſehend nicht ich
bin“. Im Tamanacu ſagt man: „acurivane, ſchön“, und
„acurivanepra, häßlich, nicht ſchön“; „uotopra, es gibt keinen
Fiſch“, wörtlich: „Fiſch nicht“; „uteripipra, ich will nicht
gehen“, wörtlich: „ich gehen wollen nicht“; und dies iſt zu-
ſammengeſetzt aus iteri, gehen, ipiri, wollen, und pra, nicht.
Bei den Kariben, deren Sprache auch Aehnlichkeit mit dem
Tamanacu hat, obgleich weit weniger als das Chaymas, wird
die Verneinung durch ein m vor dem Zeitworte ausgedrückt:
„amoyenlenganti, es iſt ſehr kalt“; „mamoyenlenganti, es
iſt nicht ſehr kalt“. In ähnlicher Weiſe gibt im Tamanacu
die Partikel mna, dem Zeitworte nicht angehängt, ſondern
eingeſchoben, demſelben einen verneinenden Sinn, z. B. taro,
ſagen, taromnar, nicht ſagen.

Das Hauptzeitwort ſein, das in allen Sprachen ſehr
unregelmäßig iſt, lautet im Chaymas az oder ats, im Ta-
manacu uochiri (in den Zuſammenſetzungen uac, uatscha).
Es dient nicht bloß zur Bildung des Paſſivs, ſondern wird
offenbar auch, wie durch Agglutination, in vielen Tempora
der Wurzel der attributiven Zeitwörter angehängt. Dieſe
Agglutinationen erinnern an den Gebrauch der Hilfszeitwörter
as und bhu im Sanskrit, des fu oder fuo im Lateiniſchen, 1
das izan, ucan und eguin im Baskiſchen. Es gibt gewiſſe
Punkte, in denen die einander unähnlichſten Sprachen zu-
ſammentreffen; das Gemeinſame in der geiſtigen Organiſation
des Menſchen ſpiegelt ſich ab im allgemeinen Bau der Sprachen,
und in jedem Idiom, auch dem ſcheinbar barbariſchſten, offen-
bart ſich ein regelndes Prinzip, das es geſchaffen.

Die Mehrzahl hat im Tamanacu ſiebenerlei Formen je
nach der Endung des Subſtantiv, oder je nachdem es etwas
Lebendes oder etwas Lebloſes bedeutet. 2 Im Chaymas wird
die Mehrzahl, wie im Karibiſchen, durch on bezeichnet: „teure,
er ſelbſt“; „teurecon, ſie ſelbſt“; „taronocon, die hier“;

1 Daher fu-ero, amav-issem, amav-eram, post-sum (pot-sum).
2 Tamanacu hat in der Mehrzahl Tamanakemi; Pongheme
heißt ein Spanier, wörtlich ein bekleideter Menſch; Pongamo, die
Spanier oder die Bekleideten. Der Pluralis auf ene kommt leb-
loſen Gegenſtänden zu; z. B. cene, Ding, cenecne, Dinge, jeje,
Baum, jejecne, Bäume.
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[29/0037] „ich wie nicht“; „quenpotupra quoguaz, ich kenne ihn nicht“, wörtlich: „ihn kennend nicht ich bin“; „quenepra quoguaz, ich habe ihn nicht geſehen“, wörtlich: „ihn ſehend nicht ich bin“. Im Tamanacu ſagt man: „acurivane, ſchön“, und „acurivanepra, häßlich, nicht ſchön“; „uotopra, es gibt keinen Fiſch“, wörtlich: „Fiſch nicht“; „uteripipra, ich will nicht gehen“, wörtlich: „ich gehen wollen nicht“; und dies iſt zu- ſammengeſetzt aus iteri, gehen, ipiri, wollen, und pra, nicht. Bei den Kariben, deren Sprache auch Aehnlichkeit mit dem Tamanacu hat, obgleich weit weniger als das Chaymas, wird die Verneinung durch ein m vor dem Zeitworte ausgedrückt: „amoyenlenganti, es iſt ſehr kalt“; „mamoyenlenganti, es iſt nicht ſehr kalt“. In ähnlicher Weiſe gibt im Tamanacu die Partikel mna, dem Zeitworte nicht angehängt, ſondern eingeſchoben, demſelben einen verneinenden Sinn, z. B. taro, ſagen, taromnar, nicht ſagen. Das Hauptzeitwort ſein, das in allen Sprachen ſehr unregelmäßig iſt, lautet im Chaymas az oder ats, im Ta- manacu uochiri (in den Zuſammenſetzungen uac, uatscha). Es dient nicht bloß zur Bildung des Paſſivs, ſondern wird offenbar auch, wie durch Agglutination, in vielen Tempora der Wurzel der attributiven Zeitwörter angehängt. Dieſe Agglutinationen erinnern an den Gebrauch der Hilfszeitwörter as und bhu im Sanskrit, des fu oder fuo im Lateiniſchen, 1 das izan, ucan und eguin im Baskiſchen. Es gibt gewiſſe Punkte, in denen die einander unähnlichſten Sprachen zu- ſammentreffen; das Gemeinſame in der geiſtigen Organiſation des Menſchen ſpiegelt ſich ab im allgemeinen Bau der Sprachen, und in jedem Idiom, auch dem ſcheinbar barbariſchſten, offen- bart ſich ein regelndes Prinzip, das es geſchaffen. Die Mehrzahl hat im Tamanacu ſiebenerlei Formen je nach der Endung des Subſtantiv, oder je nachdem es etwas Lebendes oder etwas Lebloſes bedeutet. 2 Im Chaymas wird die Mehrzahl, wie im Karibiſchen, durch on bezeichnet: „teure, er ſelbſt“; „teurecon, ſie ſelbſt“; „taronocon, die hier“; 1 Daher fu-ero, amav-issem, amav-eram, post-sum (pot-sum). 2 Tamanacu hat in der Mehrzahl Tamanakemi; Pongheme heißt ein Spanier, wörtlich ein bekleideter Menſch; Pongamo, die Spanier oder die Bekleideten. Der Pluralis auf ene kommt leb- loſen Gegenſtänden zu; z. B. cene, Ding, cenecne, Dinge, jeje, Baum, jejecne, Bäume.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/37>, abgerufen am 21.11.2024.