Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.punen und langen, dünnen Rohrstäben stellen sich in dichter Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken. Wir meinten nicht anders, als alle Tiere, die man zu 1 Die Indianer versichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter-
einander in einer Lache laufen lasse, in der es sehr viele Gymnoten gibt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde. punen und langen, dünnen Rohrſtäben ſtellen ſich in dichter Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken. Wir meinten nicht anders, als alle Tiere, die man zu 1 Die Indianer verſichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter-
einander in einer Lache laufen laſſe, in der es ſehr viele Gymnoten gibt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0304" n="296"/> punen und langen, dünnen Rohrſtäben ſtellen ſich in dichter<lb/> Reihe um den Teich; einige beſteigen die Bäume, deren<lb/> Zweige ſich wagerecht über die Waſſerfläche breiten. Durch<lb/> ihr wildes Geſchrei und mit ihren langen Rohren ſcheuchen<lb/> ſie die Pferde zurück, wenn ſie ſich aufs Ufer flüchten wollen.<lb/> Die Aale, betäubt vom Lärm, verteidigen ſich durch wieder-<lb/> holte Schläge ihrer elektriſchen Batterieen. Lange ſcheint es,<lb/> als ſolle ihnen der Sieg verbleiben. Mehrere Pferde erliegen<lb/> den unſichtbaren Streichen, von denen die weſentlichſten Or-<lb/> gane allerwärts getroffen werden; betäubt von den ſtarken,<lb/> unaufhörlichen Schlägen, ſinken ſie unter. Andere, ſchnaubend,<lb/> mit geſträubter Mähne, wilde Angſt im ſtarren Auge, raffen<lb/> ſich wieder auf und ſuchen dem um ſie tobenden Ungewitter<lb/> zu entkommen; ſie werden von den Indianern ins Waſſer zu-<lb/> rückgetrieben. Einige aber entgehen der regen Wachſamkeit<lb/> der Fiſcher; ſie gewinnen das Ufer, ſtraucheln aber bei jedem<lb/> Schritt und werfen ſich in den Sand, zum Tode erſchöpft,<lb/> mit von den elektriſchen Schlägen der Gymnoten erſtarrten<lb/> Gliedern.</p><lb/> <p>Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken.<lb/> Der 1,6 <hi rendition="#aq">m</hi> lange Aal drängt ſich dem Pferde an den Bauch<lb/> und gibt ihm nach der ganzen Länge ſeines elektriſchen Organes<lb/> einen Schlag; das Herz, die Eingeweide und der <hi rendition="#aq">plexus<lb/> coeliacus</hi> der Abdominalnerven werden dadurch zumal be-<lb/> troffen. Derſelbe Fiſch wirkt ſo begreiflicherweiſe weit ſtärker<lb/> auf ein Pferd als auf den Menſchen, wenn dieſer ihn nur<lb/> mit einer Extremität berührt. Die Pferde werden ohne Zweifel<lb/> nicht totgeſchlagen, ſondern nur betäubt; ſie ertrinken, weil<lb/> ſie ſich nicht aufraffen können, ſo lange der Kampf zwiſchen<lb/> den anderen Pferden und den Gymnoten fortdauert.</p><lb/> <p>Wir meinten nicht anders, als alle Tiere, die man zu<lb/> dieſer Fiſcherei gebraucht, müßten nacheinander zu Grunde<lb/> gehen. Aber allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes<lb/> ab und die erſchöpften Gymnoten zerſtreuen ſich. Sie bedürfen<lb/> jetzt langer Ruhe <note place="foot" n="1">Die Indianer verſichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter-<lb/> einander in einer Lache laufen laſſe, in der es ſehr viele Gymnoten<lb/> gibt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde.</note> und reichlicher Nahrung, um den erlittenen<lb/> Verluſt an galvaniſcher Kraft wieder zu erſetzen. Maultiere<lb/> und Pferde verrieten weniger Angſt, ihre Mähne ſträubte ſich<lb/> nicht mehr, ihr Auge blickte ruhiger. Die Gymnoten kamen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0304]
punen und langen, dünnen Rohrſtäben ſtellen ſich in dichter
Reihe um den Teich; einige beſteigen die Bäume, deren
Zweige ſich wagerecht über die Waſſerfläche breiten. Durch
ihr wildes Geſchrei und mit ihren langen Rohren ſcheuchen
ſie die Pferde zurück, wenn ſie ſich aufs Ufer flüchten wollen.
Die Aale, betäubt vom Lärm, verteidigen ſich durch wieder-
holte Schläge ihrer elektriſchen Batterieen. Lange ſcheint es,
als ſolle ihnen der Sieg verbleiben. Mehrere Pferde erliegen
den unſichtbaren Streichen, von denen die weſentlichſten Or-
gane allerwärts getroffen werden; betäubt von den ſtarken,
unaufhörlichen Schlägen, ſinken ſie unter. Andere, ſchnaubend,
mit geſträubter Mähne, wilde Angſt im ſtarren Auge, raffen
ſich wieder auf und ſuchen dem um ſie tobenden Ungewitter
zu entkommen; ſie werden von den Indianern ins Waſſer zu-
rückgetrieben. Einige aber entgehen der regen Wachſamkeit
der Fiſcher; ſie gewinnen das Ufer, ſtraucheln aber bei jedem
Schritt und werfen ſich in den Sand, zum Tode erſchöpft,
mit von den elektriſchen Schlägen der Gymnoten erſtarrten
Gliedern.
Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken.
Der 1,6 m lange Aal drängt ſich dem Pferde an den Bauch
und gibt ihm nach der ganzen Länge ſeines elektriſchen Organes
einen Schlag; das Herz, die Eingeweide und der plexus
coeliacus der Abdominalnerven werden dadurch zumal be-
troffen. Derſelbe Fiſch wirkt ſo begreiflicherweiſe weit ſtärker
auf ein Pferd als auf den Menſchen, wenn dieſer ihn nur
mit einer Extremität berührt. Die Pferde werden ohne Zweifel
nicht totgeſchlagen, ſondern nur betäubt; ſie ertrinken, weil
ſie ſich nicht aufraffen können, ſo lange der Kampf zwiſchen
den anderen Pferden und den Gymnoten fortdauert.
Wir meinten nicht anders, als alle Tiere, die man zu
dieſer Fiſcherei gebraucht, müßten nacheinander zu Grunde
gehen. Aber allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes
ab und die erſchöpften Gymnoten zerſtreuen ſich. Sie bedürfen
jetzt langer Ruhe 1 und reichlicher Nahrung, um den erlittenen
Verluſt an galvaniſcher Kraft wieder zu erſetzen. Maultiere
und Pferde verrieten weniger Angſt, ihre Mähne ſträubte ſich
nicht mehr, ihr Auge blickte ruhiger. Die Gymnoten kamen
1 Die Indianer verſichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter-
einander in einer Lache laufen laſſe, in der es ſehr viele Gymnoten
gibt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |