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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Diese Bänke sind zuweilen 13 bis 18 km lang; sie sind voll-
kommen eben und wagerecht und man bemerkt ihr Vorhanden-
sein überhaupt nur dann, wenn man ihre Ränder vor sich
hat. Die zweite Unebenheit läßt sich nur durch geodätische
oder barometrische Messungen oder am Laufe der Flüsse er-
kennen; sie heißt Mesa. Es sind dies kleine Plateaus, oder
vielmehr konvexe Erhöhungen, die unmerklich zu einigen Metern
Höhe ansteigen. Dergleichen sind ostwärts in der Provinz
Cumana, im Norden von Villa de la Merced und Candelaria,
die Mesas Amana, Guanipa und Jonoro, die von
Südwest nach Nordost streichen und trotz ihrer unbedeutenden
Höhe die Wasser zwischen dem Orinoko und der Nordküste
von Terra Firma scheiden. Nur die sanfte Wölbung der
Savanne bildet die Wasserscheide; hier sind die Divortia
aquarum,
1 wie in Polen, wo fern von den Karpathen die
Wasserscheide zwischen dem Baltischen und dem Schwarzen
Meere in der Ebene selbst liegt. Die Geographen setzen da,
wo eine Wasserscheide ist, immer Bergzüge voraus, und so sieht
man denn auch auf den Karten dergleichen um die Quellen
des Rio Neveri, des Unare, des Guarapiche und des Pao
eingezeichnet. Dies erinnert an die mongolischen Priester, die
nach einem alten abergläubischen Brauche an allen Stellen,
wo die Wasser nach entgegengesetzten Seiten fließen, Obos
oder kleine Steinhaufen errichten.

Das ewige Einerlei der Llanos, die große Seltenheit
von bewohnten Plätzen, die Beschwerden der Reise unter einem
glühenden Himmel und bei stauberfüllter Luft, die Aussicht
auf den Horizont, der beständig vor einem zurückzuweichen
scheint, die vereinzelten Palmstämme, deren einer aussieht wie
der andere, und die man gar nicht erreichen zu können meint,
weil man sie mit anderen Stämmen verwechselt, die nacheinander
am Gesichtskreise auftauchen -- all dies zusammen macht, daß
einem die Steppen noch weit größer vorkommen, als sie wirklich
sind. Die Pflanzer am Südabhange des Küstengebirges sehen
die Steppen grenzenlos, gleich einem grünen Ozean gegen
Süd sich ausdehnen. Sie wissen, daß man vom Delta des
Orinoko bis in die Provinz Varinas und von dort über die
Flüsse Meta, Guaviare und Caguan, anfangs von Ost nach
West, sodann von Nordost nach Nordwest, 1700 km weit in

1 Livius L. 38, c. 75.

Dieſe Bänke ſind zuweilen 13 bis 18 km lang; ſie ſind voll-
kommen eben und wagerecht und man bemerkt ihr Vorhanden-
ſein überhaupt nur dann, wenn man ihre Ränder vor ſich
hat. Die zweite Unebenheit läßt ſich nur durch geodätiſche
oder barometriſche Meſſungen oder am Laufe der Flüſſe er-
kennen; ſie heißt Meſa. Es ſind dies kleine Plateaus, oder
vielmehr konvexe Erhöhungen, die unmerklich zu einigen Metern
Höhe anſteigen. Dergleichen ſind oſtwärts in der Provinz
Cumana, im Norden von Villa de la Merced und Candelaria,
die Meſas Amana, Guanipa und Jonoro, die von
Südweſt nach Nordoſt ſtreichen und trotz ihrer unbedeutenden
Höhe die Waſſer zwiſchen dem Orinoko und der Nordküſte
von Terra Firma ſcheiden. Nur die ſanfte Wölbung der
Savanne bildet die Waſſerſcheide; hier ſind die Divortia
aquarum,
1 wie in Polen, wo fern von den Karpathen die
Waſſerſcheide zwiſchen dem Baltiſchen und dem Schwarzen
Meere in der Ebene ſelbſt liegt. Die Geographen ſetzen da,
wo eine Waſſerſcheide iſt, immer Bergzüge voraus, und ſo ſieht
man denn auch auf den Karten dergleichen um die Quellen
des Rio Neveri, des Unare, des Guarapiche und des Pao
eingezeichnet. Dies erinnert an die mongoliſchen Prieſter, die
nach einem alten abergläubiſchen Brauche an allen Stellen,
wo die Waſſer nach entgegengeſetzten Seiten fließen, Obos
oder kleine Steinhaufen errichten.

Das ewige Einerlei der Llanos, die große Seltenheit
von bewohnten Plätzen, die Beſchwerden der Reiſe unter einem
glühenden Himmel und bei ſtauberfüllter Luft, die Ausſicht
auf den Horizont, der beſtändig vor einem zurückzuweichen
ſcheint, die vereinzelten Palmſtämme, deren einer ausſieht wie
der andere, und die man gar nicht erreichen zu können meint,
weil man ſie mit anderen Stämmen verwechſelt, die nacheinander
am Geſichtskreiſe auftauchen — all dies zuſammen macht, daß
einem die Steppen noch weit größer vorkommen, als ſie wirklich
ſind. Die Pflanzer am Südabhange des Küſtengebirges ſehen
die Steppen grenzenlos, gleich einem grünen Ozean gegen
Süd ſich ausdehnen. Sie wiſſen, daß man vom Delta des
Orinoko bis in die Provinz Varinas und von dort über die
Flüſſe Meta, Guaviare und Caguan, anfangs von Oſt nach
Weſt, ſodann von Nordoſt nach Nordweſt, 1700 km weit in

1 Livius L. 38, c. 75.
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[272/0280] Dieſe Bänke ſind zuweilen 13 bis 18 km lang; ſie ſind voll- kommen eben und wagerecht und man bemerkt ihr Vorhanden- ſein überhaupt nur dann, wenn man ihre Ränder vor ſich hat. Die zweite Unebenheit läßt ſich nur durch geodätiſche oder barometriſche Meſſungen oder am Laufe der Flüſſe er- kennen; ſie heißt Meſa. Es ſind dies kleine Plateaus, oder vielmehr konvexe Erhöhungen, die unmerklich zu einigen Metern Höhe anſteigen. Dergleichen ſind oſtwärts in der Provinz Cumana, im Norden von Villa de la Merced und Candelaria, die Meſas Amana, Guanipa und Jonoro, die von Südweſt nach Nordoſt ſtreichen und trotz ihrer unbedeutenden Höhe die Waſſer zwiſchen dem Orinoko und der Nordküſte von Terra Firma ſcheiden. Nur die ſanfte Wölbung der Savanne bildet die Waſſerſcheide; hier ſind die Divortia aquarum, 1 wie in Polen, wo fern von den Karpathen die Waſſerſcheide zwiſchen dem Baltiſchen und dem Schwarzen Meere in der Ebene ſelbſt liegt. Die Geographen ſetzen da, wo eine Waſſerſcheide iſt, immer Bergzüge voraus, und ſo ſieht man denn auch auf den Karten dergleichen um die Quellen des Rio Neveri, des Unare, des Guarapiche und des Pao eingezeichnet. Dies erinnert an die mongoliſchen Prieſter, die nach einem alten abergläubiſchen Brauche an allen Stellen, wo die Waſſer nach entgegengeſetzten Seiten fließen, Obos oder kleine Steinhaufen errichten. Das ewige Einerlei der Llanos, die große Seltenheit von bewohnten Plätzen, die Beſchwerden der Reiſe unter einem glühenden Himmel und bei ſtauberfüllter Luft, die Ausſicht auf den Horizont, der beſtändig vor einem zurückzuweichen ſcheint, die vereinzelten Palmſtämme, deren einer ausſieht wie der andere, und die man gar nicht erreichen zu können meint, weil man ſie mit anderen Stämmen verwechſelt, die nacheinander am Geſichtskreiſe auftauchen — all dies zuſammen macht, daß einem die Steppen noch weit größer vorkommen, als ſie wirklich ſind. Die Pflanzer am Südabhange des Küſtengebirges ſehen die Steppen grenzenlos, gleich einem grünen Ozean gegen Süd ſich ausdehnen. Sie wiſſen, daß man vom Delta des Orinoko bis in die Provinz Varinas und von dort über die Flüſſe Meta, Guaviare und Caguan, anfangs von Oſt nach Weſt, ſodann von Nordoſt nach Nordweſt, 1700 km weit in 1 Livius L. 38, c. 75.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/280>, abgerufen am 24.11.2024.