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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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sein; aber nach unserer Ansicht ist vielmehr durch die Entwicke-
lung des Landbaues und das Urbarmachen des Landes die Luft-
beschaffenheit eine andere geworden. Ueber einem unberührten,
mit Wald bewachsenen Boden schwängert sich die Luft mit
Feuchtigkeit und den Gasgemengen, die den Pflanzenwuchs
befördern und sich bei der Zersetzung organischer Stoffe bilden.
Ist ein Land lange Zeit angebaut gewesen, so wird das Ver-
hältnis zwischen Sauerstoff und Stickstoff durchaus kein anderes;
die Grundbestandteile der Luft bleiben dieselben; aber jene
binären und tertiären Verbindungen von Kohlenstoff, Stick-
stoff und Wasserstoff, die sich aus einem unberührten Boden
entwickeln und für eine Hauptquelle der Fruchtbarkeit gelten,
sind ihr nicht mehr beigemischt. Die reinere, weniger mit
Miasmen und fremdartigen Effluvien beladene Luft wird zu-
gleich trockener und die Spannung des Wasserdampfes nimmt
merkbar ab. Auf längst urbar gemachten und somit zum
Kakaobau wenig geeignetem Boden, z. B. auf den Antillen,
ist die Frucht beinahe so klein wie beim wilden Kakaobaume.
An den Ufern des oberen Orinoko, wenn man über die Llanos
hinüber ist, betritt man, wie schon bemerkt, die wahre Heimat
des Kakaobaumes, und hier findet man dichte Wälder, wo auf
unberührtem Boden, in beständig feuchter Luft die Stämme
mit dem vierten Jahre reiche Ernten geben. Auf nicht er-
schöpftem Boden ist die Frucht durch die Kultur überall größer
und weniger bitter geworden, sie reift aber auch später.

Sieht man nun den Ertrag an Kakao in Terra Firma
allmählich abnehmen, so fragt man sich, ob in Spanien, in
Italien und im übrigen Europa auch der Verbrauch im selben
Verhältnis abnimmt, oder ob nicht vielmehr infolge des Ein-
gehens der Kakaopflanzungen die Preise so hoch steigen werden,
daß der Landbauer zu neuen Anstrengungen aufgemuntert
wird? Letzteres ist die herrschende Ansicht bei allen, die in
Caracas die Abnahme eines so alten und so einträglichen
Handelszweiges bedauern. Wenn einmal die Kultur weiter
gegen die feuchten Wälder im Binnenlande vorrückt, an die
Ufer des Orinoko und des Amazonenstromes, oder in die
Thäler am Ostabhange der Anden, so finden die neuen An-
siedler einen Boden und eine Luft, wie sie beide dem Kakao-
bau angemessen sind.

Bekanntlich scheuen die Spanier im allgemeinen den Zu-
satz von Vanille zum Kakao, weil dieselbe die Nerven reize.
Daher wird auch die Frucht dieser schönen Orchisart in der

ſein; aber nach unſerer Anſicht iſt vielmehr durch die Entwicke-
lung des Landbaues und das Urbarmachen des Landes die Luft-
beſchaffenheit eine andere geworden. Ueber einem unberührten,
mit Wald bewachſenen Boden ſchwängert ſich die Luft mit
Feuchtigkeit und den Gasgemengen, die den Pflanzenwuchs
befördern und ſich bei der Zerſetzung organiſcher Stoffe bilden.
Iſt ein Land lange Zeit angebaut geweſen, ſo wird das Ver-
hältnis zwiſchen Sauerſtoff und Stickſtoff durchaus kein anderes;
die Grundbeſtandteile der Luft bleiben dieſelben; aber jene
binären und tertiären Verbindungen von Kohlenſtoff, Stick-
ſtoff und Waſſerſtoff, die ſich aus einem unberührten Boden
entwickeln und für eine Hauptquelle der Fruchtbarkeit gelten,
ſind ihr nicht mehr beigemiſcht. Die reinere, weniger mit
Miasmen und fremdartigen Effluvien beladene Luft wird zu-
gleich trockener und die Spannung des Waſſerdampfes nimmt
merkbar ab. Auf längſt urbar gemachten und ſomit zum
Kakaobau wenig geeignetem Boden, z. B. auf den Antillen,
iſt die Frucht beinahe ſo klein wie beim wilden Kakaobaume.
An den Ufern des oberen Orinoko, wenn man über die Llanos
hinüber iſt, betritt man, wie ſchon bemerkt, die wahre Heimat
des Kakaobaumes, und hier findet man dichte Wälder, wo auf
unberührtem Boden, in beſtändig feuchter Luft die Stämme
mit dem vierten Jahre reiche Ernten geben. Auf nicht er-
ſchöpftem Boden iſt die Frucht durch die Kultur überall größer
und weniger bitter geworden, ſie reift aber auch ſpäter.

Sieht man nun den Ertrag an Kakao in Terra Firma
allmählich abnehmen, ſo fragt man ſich, ob in Spanien, in
Italien und im übrigen Europa auch der Verbrauch im ſelben
Verhältnis abnimmt, oder ob nicht vielmehr infolge des Ein-
gehens der Kakaopflanzungen die Preiſe ſo hoch ſteigen werden,
daß der Landbauer zu neuen Anſtrengungen aufgemuntert
wird? Letzteres iſt die herrſchende Anſicht bei allen, die in
Caracas die Abnahme eines ſo alten und ſo einträglichen
Handelszweiges bedauern. Wenn einmal die Kultur weiter
gegen die feuchten Wälder im Binnenlande vorrückt, an die
Ufer des Orinoko und des Amazonenſtromes, oder in die
Thäler am Oſtabhange der Anden, ſo finden die neuen An-
ſiedler einen Boden und eine Luft, wie ſie beide dem Kakao-
bau angemeſſen ſind.

Bekanntlich ſcheuen die Spanier im allgemeinen den Zu-
ſatz von Vanille zum Kakao, weil dieſelbe die Nerven reize.
Daher wird auch die Frucht dieſer ſchönen Orchisart in der

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[255/0263] ſein; aber nach unſerer Anſicht iſt vielmehr durch die Entwicke- lung des Landbaues und das Urbarmachen des Landes die Luft- beſchaffenheit eine andere geworden. Ueber einem unberührten, mit Wald bewachſenen Boden ſchwängert ſich die Luft mit Feuchtigkeit und den Gasgemengen, die den Pflanzenwuchs befördern und ſich bei der Zerſetzung organiſcher Stoffe bilden. Iſt ein Land lange Zeit angebaut geweſen, ſo wird das Ver- hältnis zwiſchen Sauerſtoff und Stickſtoff durchaus kein anderes; die Grundbeſtandteile der Luft bleiben dieſelben; aber jene binären und tertiären Verbindungen von Kohlenſtoff, Stick- ſtoff und Waſſerſtoff, die ſich aus einem unberührten Boden entwickeln und für eine Hauptquelle der Fruchtbarkeit gelten, ſind ihr nicht mehr beigemiſcht. Die reinere, weniger mit Miasmen und fremdartigen Effluvien beladene Luft wird zu- gleich trockener und die Spannung des Waſſerdampfes nimmt merkbar ab. Auf längſt urbar gemachten und ſomit zum Kakaobau wenig geeignetem Boden, z. B. auf den Antillen, iſt die Frucht beinahe ſo klein wie beim wilden Kakaobaume. An den Ufern des oberen Orinoko, wenn man über die Llanos hinüber iſt, betritt man, wie ſchon bemerkt, die wahre Heimat des Kakaobaumes, und hier findet man dichte Wälder, wo auf unberührtem Boden, in beſtändig feuchter Luft die Stämme mit dem vierten Jahre reiche Ernten geben. Auf nicht er- ſchöpftem Boden iſt die Frucht durch die Kultur überall größer und weniger bitter geworden, ſie reift aber auch ſpäter. Sieht man nun den Ertrag an Kakao in Terra Firma allmählich abnehmen, ſo fragt man ſich, ob in Spanien, in Italien und im übrigen Europa auch der Verbrauch im ſelben Verhältnis abnimmt, oder ob nicht vielmehr infolge des Ein- gehens der Kakaopflanzungen die Preiſe ſo hoch ſteigen werden, daß der Landbauer zu neuen Anſtrengungen aufgemuntert wird? Letzteres iſt die herrſchende Anſicht bei allen, die in Caracas die Abnahme eines ſo alten und ſo einträglichen Handelszweiges bedauern. Wenn einmal die Kultur weiter gegen die feuchten Wälder im Binnenlande vorrückt, an die Ufer des Orinoko und des Amazonenſtromes, oder in die Thäler am Oſtabhange der Anden, ſo finden die neuen An- ſiedler einen Boden und eine Luft, wie ſie beide dem Kakao- bau angemeſſen ſind. Bekanntlich ſcheuen die Spanier im allgemeinen den Zu- ſatz von Vanille zum Kakao, weil dieſelbe die Nerven reize. Daher wird auch die Frucht dieſer ſchönen Orchisart in der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/263>, abgerufen am 24.11.2024.