Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.die Spanier in Amerika lieben die Schokolade mit närrischer Die Kakaoernte ist ungemein veränderlich. Der Baum 1 Der Pater Gili hat aus zwei Stellen bei Torquemada (Mo-
narquia Indiana) bündig dargethan, daß die Mexikaner den Auf- guß kalt machten, und daß erst die Spanier den Brauch einführten, die Kakaomasse im Wasser zu sieden. die Spanier in Amerika lieben die Schokolade mit närriſcher Die Kakaoernte iſt ungemein veränderlich. Der Baum 1 Der Pater Gili hat aus zwei Stellen bei Torquemada (Mo-
narquia Indiana) bündig dargethan, daß die Mexikaner den Auf- guß kalt machten, und daß erſt die Spanier den Brauch einführten, die Kakaomaſſe im Waſſer zu ſieden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0259" n="251"/> die Spanier in Amerika lieben die Schokolade mit närriſcher<lb/> Leidenſchaft, man müſſe aber an „das ſchwarze Gebräue“ ge-<lb/> wöhnt ſein, wenn einem nicht ſchon beim Anblick des Schaumes,<lb/> der wie die Hefe über einer gärenden Flüſſigkeit ſtehe, übel<lb/> werden ſolle. Er bemerkt weiter: „Der Kakao iſt ein Aber-<lb/> glaube der Mexikaner, wie der Coca ein Aberglaube der Peru-<lb/> aner.“ Dieſe Urteile erinnern an die Prophezeiung der Frau<lb/> von Sevign<hi rendition="#aq">é</hi> hinſichtlich des Gebrauches des Kaffees. Hernan<lb/> Cortez und ſein Page, der <hi rendition="#aq">gentilhombre del gran Con-<lb/> quistador,</hi> deſſen Denkwürdigkeiten Ramuſio bekannt gemacht<lb/> hat, rühmen dagegen die Schokolade nicht nur als ein ange-<lb/> nehmes Getränk, ſelbſt wenn ſie kalt bereitet wird, <note place="foot" n="1">Der Pater Gili hat aus zwei Stellen bei Torquemada <hi rendition="#aq">(Mo-<lb/> narquia Indiana)</hi> bündig dargethan, daß die Mexikaner den Auf-<lb/> guß <hi rendition="#g">kalt</hi> machten, und daß erſt die Spanier den Brauch einführten,<lb/> die Kakaomaſſe im Waſſer zu ſieden.</note> ſondern<lb/> beſonders als nahrhaft. „Wer eine Taſſe davon getrunken<lb/> hat,“ ſagt der Page des Hernan Cortez, „kann ohne weitere<lb/> Nahrung eine ganze Tagereiſe machen, beſonders in ſehr heißen<lb/> Ländern; denn die Schokolade iſt ihrem Weſen nach <hi rendition="#g">kalt</hi> und<lb/><hi rendition="#g">erfriſchend</hi>.“ Letztere Behauptung möchten wir nicht unter-<lb/> ſchreiben; wir werden aber bei unſerer Fahrt auf dem Orinoko<lb/> und bei unſeren Reiſen hoch an den Kordilleren hinauf bald<lb/> Gelegenheit finden, die vortrefflichen Eigenſchaften der Schokolade<lb/> zu rühmen. Sie iſt gleich leicht mit ſich zu führen und als<lb/> Nahrungsmittel zu verwenden und enthält in kleinem Raume<lb/> viel nährenden und reizenden Stoff. Man ſagt mit Recht, in<lb/> Afrika helfen Reis, Gummi und Sheabutter dem Menſchen<lb/> durch die Wüſten. In der Neuen Welt haben Schokolade und<lb/> Maismehl ihm die Hochebenen der Anden und ungeheure un-<lb/> bewohnte Wälder zugänglich gemacht.</p><lb/> <p>Die Kakaoernte iſt ungemein veränderlich. Der Baum<lb/> treibt mit ſolcher Kraft, daß ſogar aus den holzigen Wurzeln,<lb/> wo die Erde ſie nicht bedeckt, Blüten ſprießen. Er leidet von<lb/> den Nordoſtwinden, wenn ſie auch die Temperatur nur um<lb/> wenige Grade herabdrücken. Auch die Regen, welche nach der<lb/> Regenzeit in den Wintermonaten vom Dezember bis März<lb/> unregelmäßig eintreten, ſchaden dem Kakaobaume bedeutend.<lb/> Es kommt nicht ſelten vor, daß der Eigentümer einer Pflanzung<lb/> von 50000 Stämmen in einer Stunde für 4000 bis 5000<lb/> Piaſter Kakao einbüßt. Große Feuchtigkeit iſt dem Baume nur<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0259]
die Spanier in Amerika lieben die Schokolade mit närriſcher
Leidenſchaft, man müſſe aber an „das ſchwarze Gebräue“ ge-
wöhnt ſein, wenn einem nicht ſchon beim Anblick des Schaumes,
der wie die Hefe über einer gärenden Flüſſigkeit ſtehe, übel
werden ſolle. Er bemerkt weiter: „Der Kakao iſt ein Aber-
glaube der Mexikaner, wie der Coca ein Aberglaube der Peru-
aner.“ Dieſe Urteile erinnern an die Prophezeiung der Frau
von Sevigné hinſichtlich des Gebrauches des Kaffees. Hernan
Cortez und ſein Page, der gentilhombre del gran Con-
quistador, deſſen Denkwürdigkeiten Ramuſio bekannt gemacht
hat, rühmen dagegen die Schokolade nicht nur als ein ange-
nehmes Getränk, ſelbſt wenn ſie kalt bereitet wird, 1 ſondern
beſonders als nahrhaft. „Wer eine Taſſe davon getrunken
hat,“ ſagt der Page des Hernan Cortez, „kann ohne weitere
Nahrung eine ganze Tagereiſe machen, beſonders in ſehr heißen
Ländern; denn die Schokolade iſt ihrem Weſen nach kalt und
erfriſchend.“ Letztere Behauptung möchten wir nicht unter-
ſchreiben; wir werden aber bei unſerer Fahrt auf dem Orinoko
und bei unſeren Reiſen hoch an den Kordilleren hinauf bald
Gelegenheit finden, die vortrefflichen Eigenſchaften der Schokolade
zu rühmen. Sie iſt gleich leicht mit ſich zu führen und als
Nahrungsmittel zu verwenden und enthält in kleinem Raume
viel nährenden und reizenden Stoff. Man ſagt mit Recht, in
Afrika helfen Reis, Gummi und Sheabutter dem Menſchen
durch die Wüſten. In der Neuen Welt haben Schokolade und
Maismehl ihm die Hochebenen der Anden und ungeheure un-
bewohnte Wälder zugänglich gemacht.
Die Kakaoernte iſt ungemein veränderlich. Der Baum
treibt mit ſolcher Kraft, daß ſogar aus den holzigen Wurzeln,
wo die Erde ſie nicht bedeckt, Blüten ſprießen. Er leidet von
den Nordoſtwinden, wenn ſie auch die Temperatur nur um
wenige Grade herabdrücken. Auch die Regen, welche nach der
Regenzeit in den Wintermonaten vom Dezember bis März
unregelmäßig eintreten, ſchaden dem Kakaobaume bedeutend.
Es kommt nicht ſelten vor, daß der Eigentümer einer Pflanzung
von 50000 Stämmen in einer Stunde für 4000 bis 5000
Piaſter Kakao einbüßt. Große Feuchtigkeit iſt dem Baume nur
1 Der Pater Gili hat aus zwei Stellen bei Torquemada (Mo-
narquia Indiana) bündig dargethan, daß die Mexikaner den Auf-
guß kalt machten, und daß erſt die Spanier den Brauch einführten,
die Kakaomaſſe im Waſſer zu ſieden.
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