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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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ziemlich dicke Milch aus, die durchaus nichts Scharfes hat
und sehr angenehm wie Balsam riecht. Man reichte uns
welche in den Früchten des Tutumo oder Flaschenbaumes.
Wir tranken abends vor Schlafengehen und frühmorgens
viel davon, ohne irgend eine nachteilige Wirkung. Nur die
Klebrigkeit macht diese Milch etwas unangenehm. Die Neger
und die Freien, die auf den Pflanzungen arbeiten, tunken sie
mit Mais- und Maniokbrot, Arepa und Cassave aus.
Der Verwalter des Hofes versicherte uns, die Neger legen in
der Zeit, wo der Palo de Vaca ihnen am meisten Milch gibt,
sichtbar zu. Bei freiem Zutritt der Luft zieht der Saft an
der Oberfläche, vielleicht durch Absorption des Sauerstoffes
der Luft, Häute einer stark animalisierten, gelblichen, faserigen,
dem Käsestoff ähnlichen Substanz. Nimmt man diese Häute
von der übrigen wässerigen Flüssigkeit ab, so zeigen sie sich
elastisch wie Kautschuk, in der Folge aber faulen sie unter
denselben Erscheinungen wie die Gallerte. Das Volk nennt den
Klumpen, der sich an der Luft absetzt, Käse; der Klumpen
wird nach fünf, sechs Tagen sauer, wie ich an den kleinen
Stücken bemerkte, die ich nach Nueva Valencia mitgebracht.
In einer verschlossenen Flasche setzte sich in der Milch etwas
Gerinnsel zu Boden, und sie wurde keineswegs übelriechend,
sondern behielt ihren Balsamgeruch. Mit kaltem Wasser ver-
mischt, gerann der frische Saft nur sehr wenig, aber die klebri-
gen Häute setzten sich ab, sobald ich denselben mit Salpeter-
säure in Berührung brachte. Wir schickten Fourcroy in Paris
zwei Flaschen dieser Milch. In der einen war sie im natür-
lichen Zustande, in der anderen mit einer gewissen Menge
kohlensauren Natrons versetzt. Der französische Konsul auf der
Insel St. Thomas übernahm die Beförderung.

Dieser merkwürdige Baum scheint der Küstenkordillere,
besonders von Barbula bis zum See Maracaybo, eigentümlich.
Beim Dorfe San Mateo und nach Bredemeyer, dessen Reisen
die schönen Gewächshäuser von Schönbrunn und Wien so sehr
bereichert haben, im Thale von Caucagua, 13,5 km von Ca-
racas, stehen auch einige Stämme. Dieser Naturforscher fand,
wie wir, die vegetabilische Milch des Palo de Vaca angenehm
von Geschmack und von aromatischem Geruch. In Caucagua
nennen die Eingeborenen den Baum, der den nährenden Saft
gibt, Milchbaum, Arbol de leche. Sie wollen an der
Dicke und Farbe des Laubes die Bäume erkennen, die am
meisten Saft geben, wie der Hirte nach äußeren Merkmalen

A. v. Humboldt, Reise. II. 16

ziemlich dicke Milch aus, die durchaus nichts Scharfes hat
und ſehr angenehm wie Balſam riecht. Man reichte uns
welche in den Früchten des Tutumo oder Flaſchenbaumes.
Wir tranken abends vor Schlafengehen und frühmorgens
viel davon, ohne irgend eine nachteilige Wirkung. Nur die
Klebrigkeit macht dieſe Milch etwas unangenehm. Die Neger
und die Freien, die auf den Pflanzungen arbeiten, tunken ſie
mit Mais- und Maniokbrot, Arepa und Caſſave aus.
Der Verwalter des Hofes verſicherte uns, die Neger legen in
der Zeit, wo der Palo de Vaca ihnen am meiſten Milch gibt,
ſichtbar zu. Bei freiem Zutritt der Luft zieht der Saft an
der Oberfläche, vielleicht durch Abſorption des Sauerſtoffes
der Luft, Häute einer ſtark animaliſierten, gelblichen, faſerigen,
dem Käſeſtoff ähnlichen Subſtanz. Nimmt man dieſe Häute
von der übrigen wäſſerigen Flüſſigkeit ab, ſo zeigen ſie ſich
elaſtiſch wie Kautſchuk, in der Folge aber faulen ſie unter
denſelben Erſcheinungen wie die Gallerte. Das Volk nennt den
Klumpen, der ſich an der Luft abſetzt, Käſe; der Klumpen
wird nach fünf, ſechs Tagen ſauer, wie ich an den kleinen
Stücken bemerkte, die ich nach Nueva Valencia mitgebracht.
In einer verſchloſſenen Flaſche ſetzte ſich in der Milch etwas
Gerinnſel zu Boden, und ſie wurde keineswegs übelriechend,
ſondern behielt ihren Balſamgeruch. Mit kaltem Waſſer ver-
miſcht, gerann der friſche Saft nur ſehr wenig, aber die klebri-
gen Häute ſetzten ſich ab, ſobald ich denſelben mit Salpeter-
ſäure in Berührung brachte. Wir ſchickten Fourcroy in Paris
zwei Flaſchen dieſer Milch. In der einen war ſie im natür-
lichen Zuſtande, in der anderen mit einer gewiſſen Menge
kohlenſauren Natrons verſetzt. Der franzöſiſche Konſul auf der
Inſel St. Thomas übernahm die Beförderung.

Dieſer merkwürdige Baum ſcheint der Küſtenkordillere,
beſonders von Barbula bis zum See Maracaybo, eigentümlich.
Beim Dorfe San Mateo und nach Bredemeyer, deſſen Reiſen
die ſchönen Gewächshäuſer von Schönbrunn und Wien ſo ſehr
bereichert haben, im Thale von Caucagua, 13,5 km von Ca-
racas, ſtehen auch einige Stämme. Dieſer Naturforſcher fand,
wie wir, die vegetabiliſche Milch des Palo de Vaca angenehm
von Geſchmack und von aromatiſchem Geruch. In Caucagua
nennen die Eingeborenen den Baum, der den nährenden Saft
gibt, Milchbaum, Arbol de leche. Sie wollen an der
Dicke und Farbe des Laubes die Bäume erkennen, die am
meiſten Saft geben, wie der Hirte nach äußeren Merkmalen

A. v. Humboldt, Reiſe. II. 16
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[241/0249] ziemlich dicke Milch aus, die durchaus nichts Scharfes hat und ſehr angenehm wie Balſam riecht. Man reichte uns welche in den Früchten des Tutumo oder Flaſchenbaumes. Wir tranken abends vor Schlafengehen und frühmorgens viel davon, ohne irgend eine nachteilige Wirkung. Nur die Klebrigkeit macht dieſe Milch etwas unangenehm. Die Neger und die Freien, die auf den Pflanzungen arbeiten, tunken ſie mit Mais- und Maniokbrot, Arepa und Caſſave aus. Der Verwalter des Hofes verſicherte uns, die Neger legen in der Zeit, wo der Palo de Vaca ihnen am meiſten Milch gibt, ſichtbar zu. Bei freiem Zutritt der Luft zieht der Saft an der Oberfläche, vielleicht durch Abſorption des Sauerſtoffes der Luft, Häute einer ſtark animaliſierten, gelblichen, faſerigen, dem Käſeſtoff ähnlichen Subſtanz. Nimmt man dieſe Häute von der übrigen wäſſerigen Flüſſigkeit ab, ſo zeigen ſie ſich elaſtiſch wie Kautſchuk, in der Folge aber faulen ſie unter denſelben Erſcheinungen wie die Gallerte. Das Volk nennt den Klumpen, der ſich an der Luft abſetzt, Käſe; der Klumpen wird nach fünf, ſechs Tagen ſauer, wie ich an den kleinen Stücken bemerkte, die ich nach Nueva Valencia mitgebracht. In einer verſchloſſenen Flaſche ſetzte ſich in der Milch etwas Gerinnſel zu Boden, und ſie wurde keineswegs übelriechend, ſondern behielt ihren Balſamgeruch. Mit kaltem Waſſer ver- miſcht, gerann der friſche Saft nur ſehr wenig, aber die klebri- gen Häute ſetzten ſich ab, ſobald ich denſelben mit Salpeter- ſäure in Berührung brachte. Wir ſchickten Fourcroy in Paris zwei Flaſchen dieſer Milch. In der einen war ſie im natür- lichen Zuſtande, in der anderen mit einer gewiſſen Menge kohlenſauren Natrons verſetzt. Der franzöſiſche Konſul auf der Inſel St. Thomas übernahm die Beförderung. Dieſer merkwürdige Baum ſcheint der Küſtenkordillere, beſonders von Barbula bis zum See Maracaybo, eigentümlich. Beim Dorfe San Mateo und nach Bredemeyer, deſſen Reiſen die ſchönen Gewächshäuſer von Schönbrunn und Wien ſo ſehr bereichert haben, im Thale von Caucagua, 13,5 km von Ca- racas, ſtehen auch einige Stämme. Dieſer Naturforſcher fand, wie wir, die vegetabiliſche Milch des Palo de Vaca angenehm von Geſchmack und von aromatiſchem Geruch. In Caucagua nennen die Eingeborenen den Baum, der den nährenden Saft gibt, Milchbaum, Arbol de leche. Sie wollen an der Dicke und Farbe des Laubes die Bäume erkennen, die am meiſten Saft geben, wie der Hirte nach äußeren Merkmalen A. v. Humboldt, Reiſe. II. 16

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/249>, abgerufen am 22.11.2024.